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Campus - 04.09.2023 - 09:30 

Studentische Abschlussarbeiten: HSG-Autoren wollen ungenutztes Potential wecken

Forschungspotenzial und mentale Gesundheit im Fokus: Zwei HSG-Angehörige haben ein Buch geschrieben, das Studierende bei ihrer Abschlussarbeit begleiten soll. Denn oft werde diese heute oft noch als mühsame Pflicht angeschaut. Der «Student’s Research Companion» bietet in fünf Kapiteln 50 «Mindsets», die den Studierenden dabei helfen sollen, produktiver zu arbeiten und persönliche Herausforderungen zu bewältigen, um echten Fortschritt zu erzielen – fernab von reinen Prüfungsleistungen.
«The Student’s Research Companion»: Omid Aschari und Benjamin Berghaus
Gemeinsam mit dem HSG-Alumnus Benjamin Berghaus hat Aschari darum das Buch «The Student’s Research Companion» geschrieben.

An der HSG leisten Studierende jährlich Arbeitsstunden für ihre Abschlussarbeiten, die rund 1000 Vollzeitstellen entsprechen. «Das Potenzial ist also riesig. Heute ist es leider so, dass diese schriftlichen Arbeiten oftmals als eine mühsame Aufgabe angeschaut werden, die alle Beteiligten hinter sich bringen müssen», sagt Omid Aschari, HSG-Titularprofessor und Leiter des international renommierten Masterstudienganges Strategy & International Management (SIM).

Gemeinsam mit dem HSG-Alumnus Benjamin Berghaus hat Aschari darum das Buch «The Student’s Research Companion» geschrieben. Dieses wurde im Frühling 2023 bei Oxford University Press, dem weltweit grössten Universitätsverlag, veröffentlicht. Es vermittelt in fünf Kapiteln insgesamt 50 «Mindsets», die den Studierenden laut Klappentext dabei helfen sollen, ihre «Nerven zu bewahren, den Geist wach und die Produktivität hochzuhalten».

Student’s Research Companion
«Student’s Research Companion» von Omid Aschari und Benjamin Berghaus

Mentale Gesundheit fördern

Mentale Gesundheit fördern

Jedes Mindset geht über eine Handvoll Seiten. «Es ist ein Nachschlagwerk, das man auch auszugsweise lesen kann, wenn einen ein bestimmtes Thema interessiert», sagt Aschari. Ganz sicher sei es «kein weiteres Methodenbuch, denn davon gibt es an Universitäten schon genug». Vielmehr bieten die Autoren einen Begleiter an, der jungen Menschen in der situativen Rolle als Forscher während der Abschlussarbeit auf häufig auftretende und durchaus persönliche Herausforderungen thematisiert, Lösungsansätze vorschlägt und zum Suchen eigener Lösungen anregt. «Unser Buch soll Studierende dabei unterstützen, aktiver mit den persönlichen Herausforderungen im Kontext der Rolle des Forschers umzugehen. Unser Ziel ist, dass die Studierenden ein produktiveres Arbeiten erleben und die eine oder andere Untiefe in Sachen mentaler Gesundheit umfahren», sagt Berghaus

Aschari und Berghaus sind beide langjährige Betreuer von Abschlussarbeiten. «Die publizierten Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung suggerieren ein fast schon algorithmisches, fehlerfreies Implementieren von Methoden», sagt Berghaus. «Der schwierige, häufig alles andere als reibungslose Weg dorthin, bleibt in aller Regel verborgen. Lösungswege aus vertrackten Situationen sind in der Regel nicht Teil der Ausbildung. Kein Wunder, dass Studierende bei ihrem Erstlingswerk Schwierigkeiten bekommen, die häufig gar nicht wissenschaftlicher Natur sind. Das möchten wir helfen, zu ändern.»

Abschlussarbeiten haben Potential für gesellschaftlichen Nutzen

Den Autoren geht es jedoch nicht nur um das Erlebnis der Studierenden. Gerade der Impact steht im Vordergrund: «Ein Produktivsystem von 1000 hervorragend ausgebildeten Talenten sollte nach unserer Überzeugung nicht alleine einer Prüfungsleistung dienen», sagt Aschari. Wer sich nach einem Purpose – einem übergeordneten Zweck – ausrichte statt ausschliesslich nach Output, der könne aus dem Studium wertvolle Erfahrungen für die Arbeitswelt und die Gesellschaft mitnehmen.  «Wer gute Abschlussarbeiten kennt, der stellt fest, wie viel Potenzial zur Problemlösung in diesen Gesellen- und Meisterstücken steckt. Wenn wir das System Abschlussarbeit konsequenter darauf ausrichten, dass ein zunehmender Teil der Hunderten von Projekten ihre Wirkung auch jenseits der Bibliothek entfalten, erschliessen wir ein enormes Potenzial für die Gesellschaft», sagt Aschari.

Deshalb plädieren beide Autoren für die Unterstützung eines sozialunternehmerischen, zielgruppen- und problemorientierten Forschens in der Abschlussarbeit und erklären in ihrem Buch, was sie unter «Scientific Entrepreneurship» verstehen. «Der beste Zweck für studentische Forschung sollte nicht die Note sein, sondern der daraus erwachsende Fortschritt», so Aschari.

Mindsets gehen auf Energiehaushalt, Themenwahl oder Ownership ein

Die 50 Mindsets gehen beispielsweise darauf ein, wie man sich ein Thema für eine Abschlussarbeit sucht: Dabei sollte differenzierter vorgegangen werden, als nur den persönlichen Vorlieben zu folgen. Stattdessen sollte in den Vordergrund rücken, an welche Zielgruppe man sich wenden möchte und welche Art von Erkenntnisbeitrag zu welchem Problem angestrebt werden soll – ganz im Sinne von «from insight to impact».

Auch den Umgang mit den eigenen Ressourcen wie mentaler und körperlicher Energie und Zeit sprechen die Mindsets an. Oder sie warnen beispielsweise davor, den eigenen Projektfortschritt mit jenem von anderen Forschenden zu vergleichen. Und sie betonen, wie wichtig es ist, die Rolle des verantwortlichen Eigentümers und Gestalters des eigenen Projekts bewusst anzunehmen. Jedes Mindset wird zudem mit einem kurzen kritischen Einwurf unter dem Titel «Des Teufels Advokat» in Frage gestellt und in vielen weiteren Facetten beleuchtet.

«Hervorragende Arbeit verschwindet ungelesen»

Die Onlineplattform studentsresearchcompanion.org ergänzt das Buch. Dort ist jedes Mindset in Auszügen verfügbar. Ergänzt wird es jeweils mit Literaturhinweisen, weiteren Hinweisen sowie einer kritischen Perspektive. «Wir wollen mit der Zeit Rückmeldungen unserer Lesenden sammeln und die Plattform so laufend ergänzen», sagt Aschari.

Weiterhin entwickelt Berghaus derzeit eine digitale Plattform zur Verwaltung, Mentoring, Durchführung und Leitung studentischen Forschens namens «Research Stride». Die entstehende Plattform wurde in den vergangenen Jahren durch mehrere Studierendenprojekte in der Lehre in Kooperation mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG) und Erhebungen mit SIM-HSG und dem Mentoringprogramm aufgebaut. Sie setzt sich zum Ziel, Hochschulen dabei zu unterstützen, einen grösseren Teil des in Abschlussarbeiten liegenden Potenzials zu heben und zu einem Produktivsystem jenseits der Prüfungsordnung zu entwickeln. «Es wird zu viel hervorragende Arbeit geleistet, als dass das Meiste in der Bibliothek ungelesen verschwindet», sagt Berghaus.

Um möglichst diverse Perspektiven einzuholen, haben Aschari und Berghaus für die erste Ausgabe ihres Buches zehn internationale Forscher:innen zu Beiträgen eingeladen. Darunter sind erfahrende Forschende aber auch solche, die sich noch im Prozess ihrer Dissertation befinden.

«Das Handbuch richtet sich in erster Linie an junge Forschende – aber auch erfahrene Kolleg:innen, die den Willen haben, sich und ihr Vorgehen neu zu hinterfragen», sagt Aschari. Auch Betreuer:innen von Abschlussarbeiten würde von der Lektüre profitieren. «Denn auf die anspruchsvolle Aufgabe, junge Menschen bei ihrer Abschlussarbeit zu begleiten, wird man an den Universitäten nicht speziell vorbereitet.»

Das Buch ist via Oxford University Press erhältlich. Das gedruckte Buch kann kostenlos in der Bibliothek ausgeliehen oder als E-Book genutzt werden.

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