Campus - 19.09.2023 - 12:00
Im Lebensabschnitt des Doktorats komme die Forschung oft an erster Stelle und liesse bisweilen sogar Weltereignisse wie die Unruhen in Frankreichs Vorstädten, den Fall Donald Trumps oder die Rückkehr der sommerlichen Gluthitze in den Hintergrund treten. Nicht ohne Grund: Was erfolgreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausmache, sei die Leidenschaft für das eigene Projekt, begann Rektor Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller seine Ansprache über «Leiden und Leidenschaft». Dabei verwies er auf eine Passage aus «La recherche de l’absolu» («Die Suche nach dem Absoluten») des französische Romancier Honoré de Balzac:
«Balthazar wurde von der Wissenschaft derart in Anspruch genommen, dass ihn weder das Unglück Frankreichs, noch der erste Sturz Napoleons, noch auch die Rückkehr der Bourbonen von seiner Beschäftigung abhalten konnten. Er war weder Gatte, noch Vater, noch Bürger, er war nur Chemiker.»
Dank dem inneren Antrieb der Leidenschaft könne die Zeit des Doktorats in mehrfacher Hinsicht eine Zeit der Grenzauslotung werden, «ein Ausloten der Grenzen des eigenen Wissens und der Grenzen der Disziplin, aber auch ein Ausloten der eigenen intellektuellen Leistungs- und Belastungsgrenzen», führte der Rektor aus. Das Doktorat nehme die Wissenschaftler:innen ein – «ein wenig, wie wenn man frisch verliebt ist». Doch Leidenschaft komme nicht zufällig von «Leiden», passion vom Lateinischen pati. Das Streben nach Erkenntnis könne äusserstenfalls, wie schon bei Generationen von Forschenden davor, zum Fall von Wolke 7 führen.
Seit der Renaissance setzten sich Mediziner mit den Leiden von Gelehrten auseinander – von Melancholie bis zu körperlichen Erkrankungen. Ein Schweizer galt sogar als Kapazität in diesem Nischengebiet: Samuel-Auguste Tissot schrieb 1768 «De la santé des gens de lettres», von der Gesundheit der Wissenschaftler, erinnert Rektor Bernhard Ehrenzeller. Umso wertvoller könne der Rat von Freunden und Eltern an die Doktorierenden gewesen sein, mal wieder an die frische Luft zu gehen oder etwas mehr Sport zu treiben.
Die meisten der Absolventinnen und Absolventen werden ihre Energien auf Neues richten, auch nicht mehr primär in der Wissenschaft tätig sein. «Wohin auch immer es Sie zieht, so bin ich überzeugt, dass Sie genau dasselbe Feuer für Ihre Tätigkeit entwickeln werden, wie Sie es einst für Ihr Doktorat gespürt haben», gab Rektor Bernhard Ehrenzeller den neuen Doktorinnen und Doktoren zu ihrem Abschluss mit auf den Weg. «Wie für Ihre nun bald zurückliegende Karriereetappe gilt für die nächste, ein gesundes Mass an Leidenschaft zu entwickeln.»
Die Festrede hielt HSG-Alumna Dr. Sina Wulfmeyer. Sie ist Chief Data Officer (CDO) des Zürcher Softwareunternehmens Unique AG sowie Dozentin des CAS-Programms «Big Data & AI» an der Universität St.Gallen. In ihrer Rede zu «From Academics to AI: My Journey» reflektiert Sina Wulfmeyer ihren Karriereweg von der Wissenschaft in die Welt der künstlichen Intelligenz. Gelungen sei ihr dies dank ihrer Anpassungsfähigkeit und «lebenslangen Lernens». Sie forderte die Anwesenden auf neugierig zu bleiben, sich neuen Herausforderungen aktiv zu stellen und immer mutig zu sein.
Im Herbstsemester werden an der Promotionsfeier jeweils auch mehrere Preise verliehen:
Abschliessend erhielten die 55 Doktorinnen und Doktoren ihre Promotionsurkunden:
Musikalisch umrahmte Dr. Hans-Joachim Knopf, Pianist und Leiter der Methodenschule an der HSG, die Promotionsfeier.
Bilder: Foto Lautenschlager GmbH