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- 10.04.2024 - 10:00 

Stabile Lieferketten brauchen stabile Finanzflüsse

Neben zuverlässigen Warenströmen hängt die Stabilität von Lieferketten auch davon ab, wie flüssig und reibungslos der Zahlungsverkehr in ihnen abläuft. Ein Jungunternehmen mit HSG-Bezug hat ein Tool entwickelt, mit welchem Firmen weltweit ihr Lieferanten-Netzwerk hinsichtlich der Zahlungsbedingungen analysieren und optimieren können. Dafür wurde es in Florida als bestes Startup ausgezeichnet und konnte schon zahlreiche Grossunternehmen als Kunden gewinnen.

Ein Zahlungsausfall eines Unternehmens innerhalb einer Lieferkette kann weitreichende und langanhaltende negative Konsequenzen nach sich ziehen. «Wird beispielsweise ein Lieferant zu spät bezahlt, kann dieser seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber den eigenen Zulieferern nicht mehr nachkommen, was im schlimmsten Fall zum Ausfall der gesamten Lieferkette eines Unternehmens führt», sagt Calvin Klein, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Supply Chain Management der Universität St.Gallen (ISCM-HSG). Die Ausgestaltung der Zahlungsbedingungen wie etwa Zahlungsfristen oder maximale Auftragsvolumina zwischen den Unternehmen hat also eine hohe Bedeutung für die finanzielle Stabilität der ganzen Lieferkette. Auf der anderen Seite hat die Käuferseite häufig ein finanzielles Interesse daran, die Zahlungsfristen bei ihren Bezugsquellen möglichst lange auszudehnen. «Gerade in Zeiten mit steigenden Zinsen wollen viele Unternehmen längere Zahlungsfristen, weil sie dadurch Geld länger profitabel arbeiten lassen können und weniger teure Darlehen in Anspruch nehmen müssen», sagt Phillip Wetzel, der ebenfalls an der HSG doktoriert hat. «Gerade bei Grossunternehmen, wo Forderungen in Millionenhöhe zu begleichen sind, können die Zahlungsfristen daher einen grossen finanziellen Impact haben.» Für Unternehmen gilt es daher, Zahlungsbedingungen innerhalb ihres Lieferanten-Netzwerks sorgfältig abzuwägen, um unterschiedliche und teilweise konträre Anforderungen in Einklang zu bringen. «Es kann sein, dass man Unternehmen als Zulieferer hat, welche stärker auf Liquidität angewiesen als andere grosse Partner in der Lieferkette, wo die Zahlungsfristen eher ausgedehnt werden können, ohne deren finanzielle Stabilität zu gefährden», erklärt Wetzel.

Ein Tool zur Optimierung der Zahlungsbedingungen

Um das Problem anzugehen, haben Phillip Wetzel und Calvin Klein in ihrer Forschung an der HSG nach Wegen zur Optimierung der Zahlungsbedingungen in Lieferketten gesucht. Während Klein diese Forschung derzeit fortsetzt, hat Wetzel unterdessen zusammen mit Oliver Belin, ebenfalls HSG-Absolvent, das Startup Calculum gegründet. Dieses bietet Unternehmen mit der so genannten ADA-Plattform ein Tool, um ihr gesamtes Lieferanten-Netzwerk auf verschiedene Kriterien hin zu analysieren und hinsichtlich deren Zahlungsfristen zu optimieren. Eine Firma kann hier alle ihre Lieferanten eingeben und ein Algorithmus wertet dann aus, ob deren Zahlungsbedingungen den marktüblichen entsprechen. So erhält die Benutzer oder die Benutzerin dann eine Datenbasis, anhand derer sie feststellen kann, was jeder Zulieferer seinen anderen Kunden an Zahlungsfristen anbietet. Ausserdem bietet das Tool viele weitere nützliche Informationen zu den eigenen Lieferanten, wie etwa der Bonität der Unternehmen, oder deren ESG-Ratings, also wie gut sie bei den Themen Umweltschutz, Sozialer Verantwortung und guter Unternehmensführung eingestuft werden.

Ein Zahlungsfristen-Index zum Monitoring der Wirtschaftskraft

Calculum hat mit ihrer Plattform eine wichtige Marktlücke geschlossen. Mittlerweile ist das 2020 gegründete Startup auf 30 Leute angewachsen, welche in verschiedenen Niederlassungen in Europa und in Miami arbeiten. Zu ihren Kunden zählen mittlerweile über 20 der weltweit führenden Unternehmen und in Florida wurde Calculum 2021 als bestes Startup ausgezeichnet. Für die Zukunft möchten die Gründer die Plattform noch weiter ausbauen und auch für Lieferanten statt nur für Käufer wichtige Informationen zu Zahlungsfristen liefern. Ausserdem schwebt ihnen vor, auf Basis ihrer Daten einen globalen Index der Zahlungsfristen zu erarbeiten. Dieser könnte etwa bei der volkswirtschaftlichen Analyse hilfreich sein. Denn wenn an einem Ort viele Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, gehe dies häufig mit einer Ausweitung der Zahlungsfristen einher, so Belin. Dazu sei aber vorerst noch weitere Forschung in Zusammenarbeit mit der HSG nötig. «Der Austausch mit der Uni ist eigentlich permanent da, um die neusten Erkenntnisse in unsere AI-basierte Plattform einfliessen zu lassen.»

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