Forschung - 28.10.2024 - 16:00
Die «Latin America Week 2024» an der Universität St.Gallen (HSG) wurde vom 21.-24. Oktober 2024 erstmals durchgeführt. Sie entstanden aus einer Initiative des HSG-Institutes für Management in Lateinamerika (GIMLA). Bei der Eröffnungszeremonie betonten Prof. Dietmar Grichnik und Dr. Peter Lindström die vielfältigen Beziehungen, welche die Universität St.Gallen (HSG) mit Lateinamerika pflegt. Dies etwa mit dem GIMLA in Sao Paulo oder als Leading House für Lateinamerika im Rahmen der Bilateralen Programme des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). So waren unter den über 100 Speakern an der Latin America Week nicht nur viele Forschende, sondern beispielsweise auch die Botschafterinnen und Botschafter von Argentinien, Chile, Costa Rica, Ecuador, Kolumbien, Kuba und Mexiko.
Während der vier Tage kam nebst Forschung und Politik auch die reichhaltige lateinamerikanische Kultur nicht zu kurz: Es gab Tanzvorführungen, Tanzkurse, Apéros mit lokalem Essen, musikalische Darbietungen und eine «Dia de los muertos»-Party. An sogenannten «Research Slams» wurden zudem Projekte vorgestellt, die Forschende aus der Schweiz und Lateinamerika gemeinsam realisieren.
Im Rahmen einer Paneldiskussion zum Thema Kooperationen stellte Dr. Rocío Robinson, Head of Innovation and AIT Startups beim GIMLA, das AIT Startups-Programm vor. Bereits über 300 Start-ups haben daran teilgenommen. Nach Brasilien, Kolumbien und Mexico wird das Programm demnächst auf Chile ausgeweitet. Doch wo liegen die Möglichkeiten und Hindernisse für etablierte Firmen, die auf den lateinamerikanischen Märkten tätig sind? Gemäss Bruno Aloi, Senior Consultant South America bei Switzerland Global Enterprise gibt es viel Potenzial bei allem «was mit Infrastruktur zu tun hat, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit und Energiewende.»
Dr. Alexander Hasgall, Head International Funding Policy beim Schweizerischen Nationalfonds SNF stimmte zu: «Die Schweiz kann Technologien bereitstellen, um traditionelle Sektoren, z. B. den Bergbau, nachhaltiger zu machen.» In Hinblick auf die Hindernisse erwähnte Johanna Steiner, Beraterin für Internationale Beziehungen beim SBFI, dass Bürokratie die Kooperation beidseitig mühevoll machen kann. «Das Leading House kann eine wichtige Rolle spielen, um beide Seiten miteinander zu verbinden und das gegenseitige Verständnis zu fördern.» Auf politischer Ebene könnte zudem ein Freihandelsabkommen zwischen den EFTA- und Mercosur-Staaten Erleichterungen bringen, wie Bruno Aloi ergänzte.
Ein kritischeres Thema wurde von der HSG-Fakultät während einer der Podiumsdiskussionen angesprochen. «»Digitale Plattformen verändern die Wahrnehmung von Risiken bei illegalen Markttransaktionen», sagte Matias Dewey, ausserordentlicher HSG-Professor für Lateinamerikastudien. Plattformen wie Facebook, Instagram, WhatsApp oder Telegram sowie Fintech-basierte Zahlungsdienste wie PayPal, Venmo oder Mercado Pago veränderten die illegale Wirtschaft weltweit, auch in Lateinamerika, grundlegend. Diese Unternehmen haben in öffentlichen und privaten Governance-Vereinbarungen die explizite oder implizite Aufgabe, den Missbrauch ihrer Dienste für illegale Zwecke zu verhindern, zu überwachen und zu melden, was sie zu wichtigen regulatorischen Vermittlern macht, auf die staatliche Akteure bei der Durchsetzung angewiesen sind.
«Die Rolle der privaten Regulierung dieser Angelegenheiten durch digitale Plattformen darf nicht unterschätzt werden – und die Staaten befassen sich zunehmend eingehend damit» betonte Mariana Valente, HSG-Assistenzprofessorin für internationales Wirtschaftsrecht. Sie ist an einem interdisziplinären HSG-Projekt beteiligt, das diese Vermittlerrolle untersucht und sich mit drei Fragen befasst: Wie verändern digitale Technologien die Praktiken in der informellen und illegalen Wirtschaft? Wie beeinflussen Regulierung und Durchsetzung die Digitalisierung illegaler Märkte? Wie wirkt sich die Kluft zwischen dem Gesetz in den Büchern und dem Gesetz in der Praxis auf diese Dynamik aus?
Eine der grössten Herausforderungen fasste Roy Gava, HSG-Assistenzprofessor für Politikwissenschaft, zusammen: «Die Abkehr von Bargeldtransaktionen hilft den Behörden bei der Bekämpfung illegaler Aktivitäten. Gleichzeitig bringt die digitale Zahlungsrevolution neue Herausforderungen für Regulierungsbehörden und Unternehmen mit sich, die für die Verhinderung des Missbrauchs von Finanzdienstleistungen verantwortlich sind.» Die Arbeit der oben genannten HSG-Forscher hat in letzter Zeit internationale Aufmerksamkeit erregt: Matias Dewey wurde von CNN und der spanischen Zeitung El Pais interviewt.
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