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Forschung - 04.03.2024 - 10:30 

KI-Einsatz kann Brustkrebsfrüherkennungsprogramme verbessern

Die Forschungskooperation der School of Medicine (Med-HSG) mit der Krebsliga Ostschweiz wird weitergeführt. Hauptziel: Qualitätssicherung und -verbesserung des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms «donna». Die neuesten Ergebnisse wurden gestern in Wien präsentiert.
Ziel der Forschungskooperation der Med-HSG mit der Krebsliga Ostschweiz: Qualitätssicherung und -verbesserung des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms «donna».

Frauen zwischen 50 bis 69 Jahren in den Kantonen St.Gallen, Graubünden und Appenzell Innerrhoden bzw. zwischen 50 bis 74 Jahren in den Kantonen Bern und Solothurn werden alle zwei Jahre zu einer freiwilligen Röntgenuntersuchung der Brust, einer sog. Mammografie, eingeladen. Dass es für Frauen wichtig ist, sich mit systematischer Brustkrebsfrüherkennung zu befassen, hob eine erste Analyse des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms «donna» hervor. Jüngste Ergebnisse präsentierte Jonas Subelack, Doktorand am Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, -Politik und -Management an der School of Medicine (Med-HSG), am 3. März 2024 im Rahmen des «European Congress of Radiology». Hervorzuheben ist:

  • Die getestete KI zeigte bei 22,7% der (Intervallkarzinom-)Mammografien eine sehr hohe Brustkrebswahrscheinlichkeit an, bei denen die Radiolog:innen im Screening keinen Brustkrebs diagnostiziert hatten, jedoch innerhalb von 24 Monaten Brustkrebs festgestellt wurde.
  • Teilweise wurden diese 22,7% weitergehend untersucht, da auch die Radiolog:innen kleinere Unauffälligkeiten gesehen haben. Insgesamt bewertete die KI jedoch 10,1% aller Mammografien mit einer sehr hohen Brustkrebswahrscheinlichkeit, wo die Radiolog:innen nichts gesehen haben. 
  • Die KI berechnete auch eine prognostische Risikoklassifizierung: Das Risiko, innerhalb von zwei Jahren nach einer unauffälligen Mammografie an Brustkrebs zu erkranken. Auf dieser Basis könnten Brustkrebsfrüherkennungsprogramme personalisiert und damit noch effektiver werden. 

Früherkennungsprogramme können Krebserkrankungen in frühem Stadium identifizieren 

Im ersten Evaluationsschritt stellten die Forschenden der School of Medicine (Med-HSG) und Expert:innen der Krebsliga Ostschweiz fest, dass Frauen mit diagnostiziertem Brustkrebs, die bei «donna» in St.Gallen und Graubünden teilnahmen, eine signifikant bessere 5-Jahresüberlebensrate (96,5%) aufwiesen als Frauen ausserhalb des Programms (86,1%). Zudem wurde ihr Brustkrebs in einem früheren Stadium entdeckt und die diagnostizierten Frauen erhielten weniger invasive Behandlungen.

KI-basierte Software erkennt Intervallkarzinome früher

Im nächsten Schritt untersuchte das Team Intervallkarzinome, deren Auftreten international als wichtiger Qualitätsindikator eines Brustkrebsfrüherkennungsprogramms gilt. Intervallkarzinome werden zwischen zwei Mammografien entdeckt, d.h. im Abstand von 24 Monaten. Sie können nicht vollständig verhindert werden, ihre Zahl jedoch sollte so gering wie möglich gehalten werden.

«Können Computer Mammografien so gut interpretieren, dass ein Screeningprogramm verbessert werden kann? Dies ist eine der Fragen, der wir zusammen mit Experten der Universität St.Gallen nachgehen.»
Dr. med. Rudolf Morant, Präsident der Krebsliga Ostschweiz

Für die Analyse wurden Daten des Brustkrebsfrüherkennungsprogramms «donna» und des Krebsregisters Ostschweiz aus den Jahren 2010 bis 2019 in den Kantonen St.Gallen und Graubünden ausgewertet. Von allen aufgetretenen Intervallkarzinomen wurden die (als zuvor unauffällig interpretierten) Mammografie-Aufnahmen aus dem Früherkennungsprogramm identifiziert. Diese wurden anschliessend mit der auf künstlicher Intelligenz basierenden Software ProfoundAI (iCad) analysiert. Daraus wurde einerseits ein numerischer Index, ein sog. ‘Case Score’, berechnet, der den Grad der Gewissheit angibt, dass die ursprüngliche Screening-Mammografie im Vergleich zur Trainingsdatenbank eine Brustkrebserkrankung enthält. Zum anderen berechnet die Software eine prognostische Risikoklassifizierung, die das Risiko angibt, innerhalb von zwei Jahren nach einer unauffälligen Mammografie an Brustkrebs zu erkranken.

«Der Nutzen von Screeningprogrammen wird immer wieder kritisch hinterfragt. Umso wichtiger ist ein kontinuierliches Qualitätsmonitoring. Dazu gehört auch die Frage, ob neue Technologien die Qualität steigern können. Mit unserer Studie tragen wir dazu bei.»
Prof. Dr. Alexander Geissler, Professor für Gesundheitsökonomie, -Politik und -Management an der School of Medicine der Universität St.Gallen

Im Ergebnis hatten 22,7% der Intervallkarzinom-Mammografie einen hohen Case Score (≥60 von 100). Bei der Betrachtung der Risikoeinstufung zeigte sich, dass 25,6% der Intervallkarzinom-Mammografien eine hohe Risikoklassifizierung erhielten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Radiolog:innen auch bei diesen Mammografien teilweise Auffälligkeiten gesehen und diese in einer Konsensuskonferenz besprochen bzw. weiterführende Untersuchungen eingeleitet hatten. Konkret wurden 55,6% aller Intervallkarzinom-Mammografien mit hohem Case Score bzw. 43,3% mit hoher Risikoklassifikation bereits in einer Konsensuskonferenz besprochen.

Interessanter ist, dass die Software 10,1% (basierend auf dem Case Score) bzw. 14,5% (basierend auf der Risikoklassifizierung) der initialen Mammografien von Frauen mit Intervallkarzinom als ‘konsensuskonferenzwürdig’ markierten, bei denen die Radiolog:innen keine Auffälligkeiten festgestellt haben. In diesen Fällen hätte die künstliche Intelligenz die Qualität des «donna»-Programms qualitativ verbessern können, indem sie den Radiolog:innen Hinweise gegeben oder diese Fälle in eine Konsensuskonferenz gebracht hätte. Vor einem systematischen Einsatz der künstlichen Intelligenz müssen jedoch die Auswirkungen auf das gesamte Früherkennungsprogramm (z.B. Ausweitung der Konsensuskonferenzen) evaluiert werden.

«Ob KI-Technologie die Qualität von Screeningprogrammen verbessern kann, ist eine wichtige Frage – wie ihr Einsatz kosteneffektiv in einem effizienten Prozess umgesetzt werden kann, eine noch relevantere. Dies werden wir im nächsten Teilprojekt evaluieren.»
Dr. David Kuklinski, PostDoc am Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, -Politik und -Management an der School of Medicine der Universität St.Gallen

Nächste Schritte

Die Forschungskooperation wird in den nächsten Schritten folgende Ansätze weiter vorantreiben:

  • Testen eines grossflächigen Einsatzes von KI in der Brustkrebsdiagnostik: Der systematische Einsatz von KI-Software wird derzeit getestet und zeitnah wissenschaftlich evaluiert. Bei positiven Studienergebnissen soll sie im Rahmen des «donna»-Programms zusätzlich zu den Radiolog:innen eingesetzt werden und Fälle hervorheben, die in einer Konsensuskonferenz von mehreren Radiolog:innen besprochen werden. Erste internationale Publikationen weisen auf das Potenzial solcher Softwareanwendungen zur Verbesserung der Sensitivität hin. 
  • Review der Intervallkarzinom-Mammografien durch Radiolog:innen: Mammografien, bei denen ein Intervallkarzinom entdeckt wurde, werden von Radiolog:innen noch einmal begutachtet. Sie beurteilen, ob bei der vorangegangenen Screening-Mammografie keine oder gegebenenfalls geringe Indikatoren sichtbar waren. Diese Ergebnisse können einen wichtigen Beitrag zur Sensitivitätsbestimmung des Programms leisten und der Weiterbildung von Radiolog:innen dienen.

Die detaillierten Resultate der Auswertungen werden zu einem späteren Zeitpunkt in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht.

Bild: Dr. Rudolf Morant, Präsident der Krebsliga, mit Jonas Subelack, Med-HSG, am «European Congress of Radiology» in Wien

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