Meinungen - 18.11.2024 - 14:00
In seiner Siegesrede prahlte Trump damit, dass die USA über mehr «flüssiges Gold» – d.h. Erdgas und Öl – verfügen als jedes andere Land der Welt und signalisierte damit erneut seine Unterstützung für fossile Brennstoffe. Es ist nicht überraschend, dass Trump seinen Wahlkampf mit dem Versprechen führte, das Pariser Abkommen ein zweites Mal zu verlassen. Für Trump war Klimaskepsis schon immer mit dem Wunsch verbunden, die wirtschaftliche Dominanz der USA zu sichern, auch unter Missachtung des globalen Südens. Er bezeichnete die globale Erwärmung als «ein Konzept, das von und für die Chinesen geschaffen wurde, um die US-amerikanische Produktion nicht wettbewerbsfähig zu machen». Er hat mehrfach die Überzeugung geäussert, dass die USA übermässig für Länder im globalen Süden zahlen müssen – Länder, die er einmal als «Drecksloch-Länder» bezeichnete. Seine Leugnung der Klimakrise geht daher Hand in Hand mit einer viel umfassenderen Agenda rechter Politik, die die Ungleichheiten auf globaler und nationaler Ebene unweigerlich verschärfen wird.
Wir sollten uns daran erinnern, dass die Republikaner dem Klimawandel nicht immer so skeptisch gegenüberstanden. George W. Bush unterzeichnete 1992 die erste UN-Klimarahmenkonvention, eine Verpflichtung zu internationalem Handeln, die vom US-Senat ratifiziert wurde. «Die Vereinigten Staaten beabsichtigen vollumfänglich, beim Schutz der globalen Umwelt eine herausragende Vorreiterrolle zu übernehmen», bemerkte Bush damals, wobei die USA «die erste Industrienation» waren, die das neue Abkommen ratifizierte. Bush war der Ansicht, dass es den Nationen im globalen Norden obliege, entschlossen bei der Bekämpfung des Klimawandels zu handeln. Nicht nur im Inland, sondern auch durch die finanzielle Unterstützung der Nationen im globalen Süden.
Dieses Modell der umverteilenden Klimafinanzierung treibt die COP29 in diesen Wochen an. Sowohl unter der Bush- als auch unter der Obama-Regierung arbeiteten Politiker parteiübergreifend daran, die nicht zu leugnenden Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. Wenn sie weniger von der Notwendigkeit überzeugt wären, sich zu Massnahmen auf globaler Ebene zu verpflichten, so hätten die verheerenden Auswirkungen des Hurrikans Katrina und der nachfolgenden Klimakatastrophen im Süden der USA jeden Zweifel ausräumen müssen.
Die Behauptung des Rappers Kanye West nach Katrina, dass «George Bush sich nicht um Schwarze kümmert», lenkte die Aufmerksamkeit auf die unverhältnismässigen Verluste, die People of Colour erlitten und katapultierte dieses Thema in den nationalen Diskurs. So wurde die enge Verbindung zwischen Umweltgerechtigkeit und gerechten Lebensbedingungen für alle Rassen und Bevölkerungsgruppen sichtbar. Eine Verbindung, die von Aktivisten seit den 1980er Jahren angestrebt worden war.
Biden stützte und erweiterte frühere politische Bemühungen in den letzten vier Jahren durch umfassende Gesetzgebungen. Staatliche und lokale Regierungen, Stammesgemeinschaften, Unternehmen und andere Akteure hatten ihre Investitionen in die Umwelt auch während der ersten Amtszeit von Trump fortgesetzt. Die Wiederwahl von Trump zeigt nun aber eindeutig, dass die USA noch weit davon entfernt sind, in Umweltfragen tatsächlich «der herausragende Vorreiter» zu sein. Und doch bestätigt die Hypothese meines Kollegen Klaus Dingwerth, dass die Wahl Donald Trumps einer aktiven Politik gegen den Klimawandel auf lange Sicht nicht zwingend im Wege steht.
Das eigentliche Problem ist jedoch, dass die künftige Regierung der Vereinigten Staaten nicht nur nicht mehr zu internationalen Klimaschutzmassnahmen verpflichtet ist, sondern auch einfach nicht an die Wissenschaft glaubt. Es sind keine gemässigten Republikaner mehr im Amt. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene wird die Kürzung oder Streichung von Klimaschutzmitteln den rassistisch diskriminierten Gemeinschaften am meisten schaden – eine Konsequenz, die mit der MAGA-Bewegung und – in einigen Segmenten – mit dem Glauben an die Überlegenheit der weissen Rassen und nationalistischen Tendenzen übereinstimmt.
Nehmen wir die Bemerkung, Puerto Rico sei eine «schwimmende Müllinsel», die Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung nur wenige Tage vor der Wahl machte. Puerto Rico, ein US-Territorium, belegte in einem Bericht aus dem Jahr 2019 über die vom Klimawandel zwischen 1999 und 2018 am stärksten betroffenen Länder den ersten Platz. Hurrikane, ein steigender Meeresspiegel und andere wetterbedingte Ereignisse haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten verheerende Folgen für den Archipel gehabt. Haiti, das seit langem Gegenstand von Trumps heftigen Anti-Einwanderungs-Tiraden ist, rangiert im selben Bericht an dritter Stelle. Indem diese Länder als schlecht verwaltet und der Sympathie unwürdig darstellt werden, wird es viel einfacher, extreme Massnahmen wie die Verweigerung jeglicher finanzieller Unterstützung zu rechtfertigen, die weitreichende Auswirkungen auf die Menschenrechte hat, und zwar weit über den Klimaschutz hinaus.
«America First» bedeutet, keine Verantwortung für das Schicksal anderer Nationen zu übernehmen und die Rolle der USA bei der Verschärfung des Klimawandels nicht anzuerkennen. Während der ersten Amtszeit von Trump bezeichnete sein Sprecher die Ausgabe für internationale Klimaschutzmassnahmen als ‚Geldverschwendung‘. Genau dieser Mangel an finanziellen Ressourcen in den betroffenen Ländern – eine direkte Folge von Kolonialismus und Imperialismus – macht die auf der COP29 vorgeschlagene umverteilende Klimafinanzierung so wichtig für eine globale Agenda.
Auf nationaler Ebene weisen Umweltaktivisten seit langem darauf hin, dass marginalisierte Gemeinschaften besonders stark von Umweltproblemen betroffen sind. So waren beispielsweise indigene Stämme wichtige Begünstigte der US-Bundesmittel für Klimainitiativen unter Biden. Als europäische Siedler nach Westen vordrangen, zwangen sie indigene Völker in einige der trockensten und unwirtlichsten Teile der neuen Nation – dieselben Gebiete, die heute besonders anfällig für extreme Wetterereignisse sind, von Dürren über Tornados bis hin zu Bränden.
Im Rahmen des Inflation Reduction Act von Biden sowie bilateraler Kooperationen zwischen der Bundesregierung und den Stammgemeinschaften erhielten indigene Stämme erhebliche Mittel speziell für die selbstbestimmte Planung von Massnahmen gegen die Folgen des Klimawandels. Da Trump nun verspricht, dieses Gesetz aufzuheben, werden die indigenen Völker erneut den Bundesinstitutionen ausgeliefert sein.
Die Haltung der künftigen US-Regierung zum Klimawandel zeigt: Massnahmen gegen die Klimakrise sind untrennbar mit der Geschichte und dem Erbe des Kolonialismus, mit Ausbeutung und Kriegsführung verbunden. Dies wirft ein Schlaglicht auf andere Themen, welche die COP29-Verhandlungen begleiten: Für Palästina werden die Gespräche in Baku keinen Unterschied machen. Im vergangenen Jahr hat Israel einen von Umweltexperten als Ökozid bezeichneten Akt begangen: Es hat Farmanlagen zerstört, Olivenbäume vernichtet und Gebiete von Wasserquellen abgeschnitten. Dadurch droht das Land für kommende Generationen unbewohnbar zu werden. Aufgrund fehlender internationaler Interventionen sind diese Ökosysteme bereits irreparabel geschädigt. Ein weiterer Beweis dafür, dass die internationale Fürsorge für unsere sich verändernde Welt nicht weit reicht. Sie stösst an geopolitische Grenzen. Auch Untätigkeit ist eine Form von Aktion, eine politische Entscheidung. Im Fall Nahost war der Ausgang der US-Wahlen jedoch nebensächlich. Sowohl Harris als auch Trump befürworten einen geopolitischen Kurs, der Israel begünstigt.
Auf der COP29, bei der die Taliban als eine der 198 Parteien einen Sitz am Tisch haben, die «palästinensischen Gebiete» jedoch lediglich als Beobachter anwesend sind, wurden diese Themen bisher nicht behandelt. Dies macht deutlich: Der Erfolg der COP29 hängt nicht allein von Umweltfragen ab. Oder wie es einer der Aktivisten, die sich am Eröffnungstag am COP29-Veranstaltungsort versammelt hatten, zusammenfasste: «Es kann keine Klimagerechtigkeit ohne Menschenrechte geben.»
Prof. Ph.D. Suzanne Enzerink ist Assistenzprofessorin für American Studies an der School of Humanities and Social Sciences der Universität St.Gallen.
Bild: COP29