Campus - 19.11.2024 - 08:38
«Meine Reise in die Ukraine war erschütternd. Wir besichtigten einen Keller in einem ehemals besetzten Gebiet, in den die russische Armee wochenlang Zivilisten eingesperrt hatte. Zudem gab es immer wieder Luftalarm», sagt Oliver Meyer. Der HSG-Absolvent und Gründer des Startups storabble reiste im September 2024 in die nordukrainische Grossstadt Tschernihiw. Er begleitete dabei Félix Baumann, den Schweizer Botschafter in der Ukraine.
Der Grund für die Reise ist Meyers Beteiligung am Verein «St.Gallen Helps Ukraine». Dieser Hilfsverein wurde 2022 von HSG-Studierenden gegründet. Es folgten Sammelaktionen von tonnenweisen Hilfsgütern. Nun stellten die Verkehrsbetriebe St.Gallen auf Initiative des Vereins im Herbst 2024 elf ausgediente Stadtbusse für Tschernihiw kostenlos zur Verfügung. «Die Ukraine benötigt dringend Busse, weil ein grosser Teil ihrer ÖV-Anlagen im Krieg zerstört oder beschädigt wurde», sagt Meyer.
Zudem können Kinder nur noch Schulen besuchen, in denen der Unterricht in Bunkern stattfinden kann. «Das macht die täglichen Wege für viele Kinder länger», so Meyer. Für den Schulweg sowie für den Transport von älteren Menschen und solchen mit eingeschränkter Mobilität sind die St.Galler Niederflurbusse in Tschernihiw im Einsatz. Die Infrastruktur der Stadt wurde während russischer Angriffe stark beschädigt.
Gemeinsam mit den HSG-Studierenden Emilia von Albertini, Frederick Mangold, Noé Kuhn und Alisa Nyamukapa gründete Meyer «St.Gallen Helps Ukraine» kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022. «Wir wollten konkrete Hilfe leisten und Menschen die Möglichkeit geben, sich zu engagieren», sagt Meyer. «Als Studierende hatten wir auch die Flexibilität, kurzfristig viel Zeit zu investieren.» Er selbst verlängerte wegen seiner Arbeit für «St.Gallen Helps Ukraine» sein Studium um ein Semester. Aktuell setzen die Mitglieder im Schnitt bis zu einen Tag pro Woche für ihren Verein ein. Heute bilden sieben Studierende oder Absolvierende der HSG sowie zwei Studierende der ETH Zürich das Kernteam.
Die erste Aktion im Winter 2022 war die Sammlung von Hilfsgütern in einer leerstehenden Halle auf dem St.Galler Güterbahnhofareal. Die HSG-Studierenden erhielten dabei von der Bevölkerung mehrere Tonnen an Hilfsmaterial wie Taschenlampen, Powerbanks, oder lang haltbare Lebensmittel. Die ukrainische Botschaft in der Schweiz vermittelte Transportunternehmen, die die Hilfsgüter direkt in St.Gallen abholten. Im Sommer 2022 folgte eine Spendekampagne mit dem Supermarkt Coop, wobei Nutzende des Onlineshops direkt Waren auswählen und spenden konnten.
Im Sommer 2023 konnten Meyer und Mitgründerin von Albertini erstmals Vertreter der Schweizer Botschaft in Kyiv treffen. «In Gesprächen vor Ort erhielten wir die Rückmeldung, dass die Ukraine dringend Busse für den Transport von Schulkindern braucht.» Zurück in der Schweiz fragte Meyer die St.Galler Stadtpräsidentin Maria Pappa an, die er als Gründer von storabble im Finale des Jungunternehmerpreises «Startfeld Diamant» kennengelernt hatte. «Sie ermöglichte den Kontakt zu Stadtrat Peter Jans, in dessen Direktion die Verkehrsbetriebe angesiedelt sind.»
Als sich die Stadt grundsätzlich bereit erklärte, tätigte «St.Gallen Helps Ukraine» umfangreiche Abklärungen rund um den Ex- und Import der Fahrzeuge und deren Nutzbarkeit für die Ukraine. Dabei arbeitete der Verein eng mit dem Bundesprojekt Decentralization for Improved Democratic Institutions (DECIDE) sowie dem Verein Ukraine-Schweiz Bern zusammen. Finanziert wurden die Bustransfers von der Schweizer Botschaft in der Ukraine und SECO.
«Wir haben viel gelernt und ein gutes Partnernetzwerk aufgebaut. Heute sind wir auf dem Stand, dass wir weitere Spenden von Fahrzeugen schnell bearbeiten können», sagt Meyer. Sein Wunsch ist nun, dass nun weitere Fahrzeugspenden folgen. «Wir sind auch dankbar um Kontakte, die uns einen einfachen Zugang zu Verkehrsbetrieben oder Unternehmen ermöglichen.»
Die Dankbarkeit der ukrainischen Bevölkerung bei der Übergabe der Busse war gross, erzählt Meyer. «Es gab einen Empfang im Rathaus von Tschernihiw, bei dem ich dabei sein konnte. Es waren auch viele Journalist:innen vor Ort.» Diese Reaktionen bestärkten «St.Gallen Helps Ukraine» in ihrem Engagement.
Fragen oder Hinweise für Spenden von ausgedienten Bussen können an sghukraine@gmail.com gerichtet werden. Auf https://www.st-gallen-helps-ukraine.ch/projekte gibt es einen detaillierten Beschrieb des Projekts sowie der Voraussetzungen für Fahrzeuge.