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Forschung - 03.10.2024 - 09:00 

Know-how für kleine und mittlere Unternehmen: Wie KMU ihre Mitarbeitenden langfristig halten können

Was macht kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiv? Experten der Universität St.Gallen und der OBT haben untersucht, wie die Bindung von Mitarbeitenden gelingen kann. Dr. Alexander Fust, Forscher am Institut für KMU und Unternehmertum an der HSG, gibt Auskunft über die zentralen Punkte eines neu entwickelten Leitfadens, der im Vorfeld des KMU-Tags vorgestellt wird.

Herr Fust, welche Herausforderungen sehen Sie derzeit für Schweizer KMU bei der Mitarbeiterbindung?

Gerade in einer Zeit, in der qualifizierte Fachkräfte ein seltenes Gut werden, sehen sich KMU gefordert, kreative Ansätze zu entwickeln, um neue Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig halten zu können. Dazu gehören nicht nur attraktive Arbeitsbedingungen. Der Austausch mit KMU macht deutlich: Auch vorbildliche Führung und eine wertschätzende Unternehmenskultur sind entscheidend. 

Dr. Alexander Fust, Forscher am Schweizerischen Institut für KMU und Unternehmertum (KMU-HSG)

Auf welche Daten stützt sich der von Ihnen entwickelte Leitfaden für KMU?

Wir haben mit verschiedenen Unternehmer:innen, Führungskräften und Expert:innen gesprochen und unsere Erfahrungen aus der KMU-Praxis einfliessen lassen. Selbstverständlich soll es nicht darum gehen, alle aufgezeigten Massnahmen umzusetzen. Es gilt, zu klären, welche Massnahmen zum Unternehmen und zu den Mitarbeitenden passen und wie hoch das Budget für all diese Massnahmen ist.

Was können KMU konkret tun, um sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren?

Wir haben festgestellt, dass KMU vor allem durch eine wertschätzende Unternehmenskultur, eine solide Personalentwicklung und flexible Arbeitsmodelle punkten können. Auch ein gezieltes Employer Branding und der Einbezug Mitarbeitender in Entscheidungen, die alle betreffen, verbessern die Arbeitgeberattraktivität. Besonders wichtig ist es, eine offene Feedbackkultur zu fördern und auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen. Auch die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, kann für viele Fachkräfte ein Anreiz sein, langfristig in einem Unternehmen zu bleiben.

Gibt es dabei branchenspezifische Unterschiede? 

Ja, das zeigt sich zum Beispiel bei Mitarbeitenden in der Produktion. Hier gibt es weniger Möglichkeiten für flexible Arbeitsmodelle als bei Jobs in der Dienstleistungsbranche und der Administration. Zudem stellt sich auch die Frage, was die Hauptmotivation der Mitarbeitenden bei der Arbeit ist. Da gibt es viele Unterschiede, teilweise auch bedingt durch die Höhe des Lohns.

Im Leitfaden betonen Sie die Rolle der Digitalisierung. Wie wichtig ist sie für die Mitarbeiterbindung?

Die Digitalisierung bietet KMU viele Möglichkeiten, flexiblere Arbeitsmodelle wie Homeoffice anzubieten. Sie kann auch helfen, interne Prozesse zu optimieren, Routinearbeit zu automatisieren und die Mitarbeitende durch digitale Weiterbildungsangebote zu fördern. Moderne Technologien können die Arbeitszufriedenheit fördern und somit auch die Mitarbeiterbindung steigern. Vor allem jüngere Mitarbeitende erwarten oft eine moderne digitale Infrastruktur und ein bestimmtes Mass an Digitalisierung, um den Arbeitsalltag besser meistern zu können. 

Wie bewerten Sie den Einfluss der Unternehmenskultur auf die Bindung von Mitarbeitenden?

Die Unternehmenskultur spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Mitarbeiterbindung. Eine positive und wertschätzende Kultur stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und die Loyalität der Mitarbeitenden. Es ist entscheidend, dass sich Unternehmen ihrer Werte klar sind und dass die Führungskräfte diese Werte (vor-)leben, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeitenden wohlfühlen. Das bedeutet auch, dass Abweichungen angesprochen und Massnahmen zur Verbesserung definiert werden. Den Mitarbeitenden (verbal) Wertschätzung für ihre Arbeit zu zeigen, kann einen positiven Effekt auf die Motivation und Loyalität der Mitarbeitenden haben. Die Kosten dafür sind überschaubar. Da zitiere ich gerne einen Metallbauunternehmer, der auf seinem Bildschirm ein Post-it mit der Frage «Heute schon gelobt?» geklebt hat.

Fazit: Welche Massnahmen empfehlen Sie KMU, um den Fachkräftemangel zu bewältigen?

Neben der Bindung von zum Unternehmen passenden Mitarbeitenden nimmt die Rekrutierung eine wichtige Rolle ein. KMU können sich überlegen, wie sie sich positionieren möchten bei potenziellen Mitarbeitenden. Und was sie einzigartig macht, um im Wettbewerb um die besten Mitarbeitenden erfolgreich zu sein. Wegen welcher drei Hauptgründe arbeiten die eigenen Mitarbeitenden gerne im Betrieb? Und was soll neue Mitarbeitende überzeugen, sich zu bewerben? Weiterhin hilft auch die Frage: Über welche Informationskanäle informieren sich potenzielle Bewerbende? Und wie können die eigenen Mitarbeitenden dazu gebracht werden, in ihrem Netzwerk nach potenziellen Mitarbeitenden zu suchen? Diese Massnahmen setzen normalerweise voraus, dass bereits in die Mitarbeiterbindung investiert wurde.

Der Leitfaden ist auch eine gute Einstimmung auf den KMU-Tag am 25. Oktober 2024 auf dem Olma-Messegelände in St.Gallen. Was erwartet Gäste bei der Fachkonferenz? 

Hier treffen über 1000 Unternehmer und Führungskräfte aus KMU auf eine Vielzahl von Referentinnen und Referenten, zum Beispiel auch HSG-Expertinnen wie Miriam Meckel und Léa Steinacker, die über Führung, KI und Macht in Unternehmen sprechen werden. Thema ist «KMU und Macht(losigkeit) – mit natürlicher Intelligenz zum Erfolg». Neben den Möglichkeiten, die KI bietet, wird in den Diskussionen auch Wert darauf gelegt, über menschliche Intelligenz in KMU zu sprechen.

Der Leitfaden steht hier zum Download zur Verfügung. 

Weitere Informationen zum Schweizer KMU-Tag unter:
kmu-tag.ch und kmu.unisg.ch/de/weiterbildung/tagungen/schweizer-kmu-tag


Bilder: OBT AG und KMU-HSG

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