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Forschung - 27.06.2024 - 11:00 

US-Parlament: Interessen von Wahlkampfspendern überwiegen Wählerinteressen

Gewählte Abgeordnete sollen die Interessen ihrer Wähler:innen wahrnehmen. Lassen sie sich tatsächlich von deren Anliegen leiten oder unterstützen sie inhaltlich die Interessengruppen, die ihre Kampagnen finanziell unterstützen? Eine Studie der Universitäten St.Gallen und Basel geht dieser Frage nach.

Ulrich Matter von der Universität St.Gallen (HSG) hat mit Patrick Balles und Alois Stutzer von der Universität Basel erforscht, ob das Abstimmungsverhalten gewählter Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses von Interessengruppen beeinflusst wird. Die Studie mit dem Titel «Special Interest Groups versus Voters and the Political Economics of Attention» basiert auf einem robusten Datensatz, der individuelle Wahlentscheidungen und Wahlkampfspenden umfasst. Dies ermöglichte die Analyse des Zusammenspiels zwischen Medienpräsenz, Einfluss von Interessengruppen und gesetzgeberischem Verhalten.

Bei der Untersuchung von exakt 666 namentlichen Abstimmungen aus den Jahren 2005 bis 2018 zeigt sich, dass gewählte Abgeordnete eher gegen die Präferenzen ihrer Wähler stimmen, wenn sie erhebliche finanzielle Zuwendungen von speziellen Interessengruppen erhalten. In relativ sicheren Bezirken, in denen die Abgeordneten keine starke Konkurrenz durch Herausforderer fürchten müssen, ist der Einfluss der Gelder von Interessengruppen stärker ausgeprägt. 

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Ablenkung und umstrittene Gesetzesvorlagen 

Der Einfluss von Interessengruppen-Geldern ist vor allem dann effektiv, wenn eine Abstimmung zufällig auf den Tag eines Grossereignisses wie zum Beispiel eine Naturkatastrophe fällt, das von der politischen Berichterstattung ablenkt. Genau dann lassen sich häufig auch umstrittene Gesetzesvorlagen schneller durchbringen, wie die Untersuchung zeigt.
In Demokratien müssen sich gewählte Vertreter Stimmen sichern, um wiedergewählt zu werden. In diesem Zusammenhang müssen diese Politiker als Unterstützer der von ihren Wählern bevorzugten Politik gelten. Interessengruppen haben jedoch eine Agenda. Und sie sind bereit, die Stimmen der gewählten Beamten zu beeinflussen, indem sie Geld für ihre Wiederwahlkampagnen spenden. Dies kann zu Interessenskonflikten führen, wenn die Wünsche der Interessengruppen mit denen der Wähler in einem bestimmten Gebiet nicht übereinstimmen.

Die Rolle der Medien

Vor diesem Hintergrund unterstreicht die Studie die entscheidende Rolle der Medienaufmerksamkeit im Zusammenhang mit der Rechenschaftspflicht von Politikern. Insbesondere die Fähigkeit der Medien, Vertreter für ihr Abstimmungsverhalten zur Verantwortung zu ziehen. Diese Studie ist eine der ersten, die in grossem Umfang empirische Belege dafür liefert, dass Abgeordnete in Zeiten geringer Medienberichterstattung tatsächlich strategisch Sonderinteressen unterstützen, um eine negative öffentliche Wahrnehmung zu vermeiden. 

In ihrer Untersuchung haben die Forscher zwei Messgrössen entwickelt: 

Zum einen das «Alignment», also die Ausrichtung. Diese zeigt an, ob das Abstimmungsverhalten eines Abgeordneten zu einer Gesetzesvorlage den vorherrschenden Präferenzen seines Wahlkreises entspricht. Die zweite Kennzahl gibt an, wie stark der Druck von Interessengruppen auf einen bestimmten Abgeordneten ist, indem sie die Spender oder Interessengruppen und die Höhe der an sie gezahlten Gelder widerspiegelt. Durch die Kombination dieser Messgrössen wären Wähler und Medien in der Lage, das Wahlverhalten genauer zu verfolgen.  

Die Gesamtstudie findet sich unter: doi.org/10.5451/unibas-ep96351
Weiterhin können die Studienergebnisse hier einsehen werden: data.snf.ch/grants/grant/200946


Bild: Adobe Stock / Ingo Bartussek

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