Meinungen - 14.11.2024 - 11:30
Wie so vieles bei Trump ist auch seine Ukrainepolitik widersprüchlich. Auf der einen Seite droht er, die amerikanische Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine herunterzufahren, auf der anderen Seite verkündet er, Amerika «wieder gross» zu machen. Beides ist nicht gleichzeitig zu haben. Seit dem russischen Überfall haben die USA die Ukraine mit 175 Milliarden Dollar unterstützt. Die USA sind mit Abstand der wichtigste Waffenlieferant der Ukraine. Für die Ukraine ist diese Hilfe überlebenswichtig. Allerdings gilt umgekehrt: Wenn die Ukraine den russischen Angriff nicht mehr abwehren kann, dann bedeutet das auch eine strategische Niederlage für die USA. Ein Schwäche der USA im Ukrainekrieg würde auch Washingtons Autorität in den Augen Pekings untergraben – und Peking ist aus Trumps Sicht der Hauptgegner der USA, nicht Moskau.
Im Wahlkampf liess Trump keinen Zweifel daran, dass er die Ukrainepolitik von Joe Biden für komplett verfehlt hielt, und versprach seinerseits vollmundig einen Frieden innerhalb von 24 Stunden. Er wies darauf hin, dass Selenskyj gleich nach dem russischen Überfall einen Deal mit Russland hätte schliessen sollen. Der Einwurf ist bezeichnend für Trumps Einstellung zur Weltpolitik. Es geht ihm um die Minimierung von Kosten, gleichzeitig träumt er von einem starken Amerika, das weltweit respektiert wird und seine Agenda durchsetzen kann.
Abstrakte Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder internationale Solidarität spielen für ihn keine Rolle. Für Trump gibt es keine Partner, mit denen man eine Vertrauensgemeinschaft aufbaut, sondern allenfalls Geschäftspartner. Trumps «Art of the Deal» besteht darin, seine politischen Präferenzen durch eine simple Politik von «Zuckerbrot» und «Peitsche» durchzusetzen. Das krasseste Beispiel gab er im vergangenen Februar. Er drohte ein weiteres Mal mit der Aufkündigung des Beistandes der USA in der NATO, falls die europäischen Mitgliedländer das Zwei-Prozent-Ziel weiter verfehlten. Er verstieg sich sogar zur Aussage, dass Russland mit NATO-Ländern, die nicht genug bezahlen, «zur Hölle das tun könne, was immer es wolle». Das kann man als den üblichen Trump-Lärm abtun.
Möglicherweise umriss Trump mit dieser Formulierung aber auch schon die Grösse der Keule, die er in seiner Sicherheitspolitik zu schwingen gedenkt. Gleichzeitig ist er bemüht, seinen privilegierten Kommunikationskanal mit dem russischen Kriegsfürsten Putin hervorzuheben. Dazu gehört etwa der Bericht über ein Telefonat, in dem Trump Putin gebeten haben soll, im Ukrainekrieg nicht weiter zu eskalieren.
Der Kremlsprecher Peskow hat diesen Bericht als Fake News bezeichnet. Allerdings könnte die Meldung über ein solches Gespräch ein erster Trommelwirbel sein, mit dem Trump die internationale Aufmerksamkeit über einen bevorstehenden Deal in der Ukraine zu steigern versucht. Das Dementi aus Moskau mag auch mit der Logan Act von 1799 zusammenhängen, die es Privatpersonen in den USA verbietet, Verhandlungen mit ausländischen Regierungen zu führen. Und bis zum 20. Januar ist Trump eine Privatperson.
Ob es Trump allerdings gelingt, eine schnelle Lösung im Ukrainekrieg herbeizuführen, ist fraglich. Er will zwischen Kiew und Moskau vermitteln. Schon diese simple Konstellation wird aber von Putin abgelehnt. Aus Putins Sicht ist die Ukraine kein Verhandlungssubjekt, sondern ein Verhandlungsobjekt, über dessen Schicksal die beiden Grossmächte USA und Russland entscheiden sollen.
Prof. Dr. Ulrich Schmid ist Professor für Osteuropastudien an der Universität St.Gallen (HSG) und befasst sich unter anderem mit Kultur und Gesellschaft in der Ukraine. Weitere Schwerpunkte seiner Forschung sind Geschichtspolitik in Polen sowie Medien und Politik in Russland.
Die Erstpublikation dieses Gastbeitrags erschien in den Schaffhauser Nachrichten.
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