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Hintergrund - 27.06.2025 - 14:00 

13. St.Galler Leadership-Tag mit Nacht: Emotionale Führung im Fokus

«Emotion 2030» lautete der Titel des St.Galler Leadership-Tag mit Nacht vom 25. bis 26. Juni 2025. Während 24 Stunden widmeten sich rund 200 Fach- und Führungskräfte dem Thema aus diversen Perspektiven. Beim Dinner wurde zudem der St.Galler Leadership Award vergeben: Das Rennen machte die Firma Festo.
13. St.Galler Leadership-Tag mit Nacht: Emotionale Führung im Fokus

Prof. Heike Bruch, Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement (IFPM-HSG), begrüsste die Teilnehmenden und führte ins Thema ein. Sie sprach von einem «epochalen Umbruch» in der Arbeitswelt, der global stattfinde. Künstliche Intelligenz sei im Begriff, die Arbeit unheimlich zu beschleunigen – noch tiefgreifender als einst die industrielle Revolution. Dies könne Menschen «verheizen». Umso wichtiger, dass man seine Arbeit als sinnstiftend empfinde und Freude daran habe. Emotionale Erfolgserlebnisse wie etwa Anerkennung seien wichtig. «Emotionen sind die Chance und Verantwortung der Zukunft». Es gelte, Emotionen besser auszubalancieren und die emotionalen Skills der Mitarbeitenden zu fördern. Anschliessend illustrierte Prof. Simone Westerfeld, COO Group Integration Office bei der UBS, anhand persönlicher Erfahrungen aus ihrem Führungsalltag in der Finanzindustrie die Bedeutung von Energie und Emotionen bei der Führungsarbeit, speziell in ungewissen Zeiten. Wichtig sei die Fähigkeit, seinen Führungsstil abhängig von Rahmenbedingungen situativ anpassen zu können. «Führungskräfte sollten über ein Set mehrerer Führungsstile verfügen, die sie bei Bedarf anwenden können.» 

Am Abend wurde der St.Galler Leadership Award für herausragende Führungsinitiativen vergeben. Die Teilnehmenden konnten für einen der drei Kandidaten stimmen, die zuvor von der Jury ausgewählt worden waren. Die Kandidaten hatten fünf Minuten Zeit, das Publikum zu überzeugen. Am besten gelang dies der Firma Festo aus Esslingen am Neckar mit ihrem inklusiven Leadership-Programm, das weltweit ausgerollt wurde. Diese umfasst moderne Ansätze wie ein firmeneigenes Coaching durch KI-Agenten. Platz zwei ging an das Land Vorarlberg und Platz drei an die AXA.

13. St.Galler Leadership-Tag mit Nacht: Emotionale Führung im Fokus
Stolze Gewinner: Leon Barton und Heike Bruch übergaben den diesjährigen Leadership-Award an die Festo-Programmverantwortlichen Nadia Horsch Schmidt, Stephanie Negele und Marcel Schäuffele (v.l.n.r).

Führung in Militär, Gesundheitswesen und Familienunternehmen

Der Morgen startete mit Thomas Süssli, Chef der Schweizer Armee. Was bedeutet moderne Führung dort, wo jährlich 3000 Kader ausgebildet werden? Viel mehr als Command and Control, wie sich zeigte: «Wir führen nicht mit Befehlen, sondern mit Aufträgen», betonte er. Dabei gelte es zwei toxische Dinge zu vermeiden: Mikromanagement und Laissez-Faire. Anhand von fünf «V» (Vorbild, Vision, Verständnis, Vertrauen, Verantwortung) erklärte er seine Führungsphilosophie. Die spezifische Stärke militärischer Führung oder Stabsarbeit sei es, in kurzer Zeit und mit beschränkten Informationen «brauchbare Entscheide» zu fällen. In Krisen sei dies besonders effektiv. In der Diskussion äusserte er sich zur geopolitischen Weltlage, den politischen und finanziellen Rahmenbedingungen der Armee oder der Rolle der Medien in der heutigen Zeit. 

13. St.Galler Leadership-Tag mit Nacht: Emotionale Führung im Fokus
Korpskommandant Thomas Süssli verglich Führung mit Radfahren: «Es braucht immer ein Ziel und eine Vorwärtsbewegung.»

Der Forschungsimpuls von Dr. des. Leon Barton drehte sich ums Thema «Ambimotionale Führung». Gemeint ist, eine beidhändige und inspirierenden Führung, die zwischen Explorations- und Umsetzungsmodus situativ changiert. Laut umfassenden Erhebungen des IFPM-HSG (rund 45'000 Mitarbeitende in 280 Unternehmen) dominieren aber weiterhin rein aufgabenbezogene Führungsstile wie Command and Control. Dies sei bedauerlich, denn Organisationen mit ambimotionalen Führungsklima seien u.a. messbar profitabler und produktiver, die Mitarbeitenden seien viel zufriedener und würden seltener an emotionaler Erschöpfung leiden. Immerhin: Die Anteile an emotionsorientierter, nachhaltiger und/oder beidhändiger Führung steigen bei Leadership-Initiativen im deutschsprachigen Raum seit Jahren an. Ein vielversprechendes Zeichen für die Zukunft.

Dr. Silja Drack, Geschäftsleitungsmitglied der thurmed AG, sprach über Führung in emotionalen Grenzsituationen. Mit Praxisbeispielen sensibilisierte sie das Publikum für das emotionale auf und ab, das Fachleute im Gesundheitswesen täglich durchleben. Erschwerend komme der Ressourcenmangel hinzu sowie die Rahmenbedingungen von Expertenorganisation mit multidisziplinären Teams und hierarchischen Strukturen. Kurzum: Das Gesundheitswesen ist enorm komplex und geprägt von hoher Unsicherheit. In solchen Settings hat die Unternehmenskultur grosse Bedeutung. Dies beinhalte strukturelle Massnahmen wie etwa Off-Räume, in die man sich zurückziehen könne oder neue Berufsbilder, die neue Kompetenzen mit bestehender Professionalität verknüpfen. Zu den organisationalen Massnahmen zählen Standardprozesse mit klarer Verantwortungszuweisung, begleitet von akzentuierter Kommunikation. Führungspersonen und Mitarbeitenden würden unterstützt, die Schlüsselkompetenzen Empathie, Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit sowie Resilienz zu entwickeln.

Christoph Zweifel, CEO des Familienunternehmens, beschrieb die Entwicklung vom Pionier zum Marktführer. Zweifel Chips war kürzlich erneut zum «Brand of the Year» gekürt worden. Der Erfolg basiere auf Werten, die tief in der Familiengeschichte verwurzelt seien. Seine Präsentation dieser Werte wurde unterstützt durch Videostatements von Mitarbeitenden diverser Bereiche. Die Rede war von Pioniergeist und Mut, gepaart mit hohem Qualitätsanspruch und dem Willen, sich ständig zu verbessern. Als Familienunternehmen kann Zweifel langfristige, nachhaltige Ziele verfolgen. «Unsere aktuelle Strategie gilt bis 2032», so Christoph Zweifel. Die Mitarbeitenden seien «Das Herzstück des Erfolgs», weshalb es wichtig sei, dass sie die Strategie kennen und wüssten, «wohin die Reise geht». Dass sie sich stark mit dem Unternehmen identifizieren, war nicht nur in den Videos zu spüren, es zeigt sich auch in der tiefen Fluktuationsrate von rund vier Prozent. Ein Erfolgsfaktor dafür sei die Wertschätzung: «Das ist es, was man sich von seinem Arbeitgeber wünscht.»

13. St.Galler Leadership-Tag mit Nacht: Emotionale Führung im Fokus
Innovation ist wichtig bei Zweifel Chips. «Meine Türe ist immer offen, wenn jemand eine gute Idee hat», so CEO Christoph Zweifel.

Dr. Simon Liegl sprach über «Emojional» Leadership. Führungskräfte sollten Emotionen ausdrücken, so etwa, weil sie mit Enthusiasmus Mitarbeitenden anstecken können. Doch ein Grossteil der Führungskommunikation erfolgt schriftlich. Hier bestehe das Risiko von Missverständnissen, da Emotionen nicht gezeigt werden. Emojis ermöglichen, Emotionen und Mimik schriftlich auszudrücken. Tests des IFPM-HSG zusammen mit der Universität Liechtenstein zeigen: Es empfiehlt sich, «emojional» zu kommunizieren, ausser in negativen Fällen, da Empfänger:innen positive wie auch negative Emotionen spiegeln. Die Tests hatten aber experimentellen Charakter, so dass nicht alle denkbaren Kontexte modelliert werden konnten. Wichtig: «Emojionale» Kommunikation sei mit Ehrlichkeit verknüpft und sollte weder unaufrichtig noch zu oft verwendet werden, da sich positive Effekte abnützen. Zudem gelte es, die Zielgruppen zu beachten: Nicht alle seien empfänglich für Emojis. «Wem man das Du anbieten kann, kann man wohl auch Emojis senden», so seine Faustregel.
 

Thematischer Exkurs: Einsamkeit und der Umgang damit

Zu den Emotionen, die man für gewöhnlich vermeiden möchte, zählt die Einsamkeit. Evelyn Schulz, Professorin für Japanologie an der LMU München, beschrieb das Phänomen «Hikikomori»; die Isolation in einer vernetzten Welt. Dieses beschränke sich nicht auf Japan, sondern betreffe viele post-industrielle Gesellschaften. Zu den vielfältigen Gründen zählen der demographische Wandel oder Landflucht. In Japan geht man von zwei Millionen Betroffenen aus. Das Phänomen werde breit erforscht und diskutiert. Neben einem universitäres Institut widmet sich die Populärkultur (Filme, Romane, Manga etc.) intensiv dem Thema, wie sie anhand vieler Beispiele illustrierte. Mögliche Wege aus der Isolation seien digitalen Selbsthilfegruppen, aktivitätsfördernde Games wie Pokémon GO und soziale Roboter wie OriHime. Passend dazu brachte Nelson Jung von navel robotics einen besonderen Gast mit: Navel, der soziale Roboter, wird in Alters- und Pflegeheimen eingesetzt. Die Kosten sozialer Dienstleistungen seien in den letzten Jahrzehnten überdurchschnittlich stark gestiegen. Zudem herrsche dort Stress sowie Mangel an Fachkräften und Pflegeplätzen. Robotik könne Abhilfe schaffen, doch herkömmliche humanoide Roboter sind dafür ungeeignet. Hier kommen soziale Roboter mit spezifischen Eigenschaften ins Spiel. Ihre wichtigsten Funktionen seien Mimik und Blickkontakt sowie die KI-gestützte kognitive und affektive Empathie. Ihre positiven Effekte auf Zufriedenheit oder kognitive Fähigkeiten wurden mehrfach wissenschaftlich bestätigt. Viele Teilnehmenden liessen sich die Gelegenheit nicht nehmen, mit Navel zu sprechen. Er riet ihnen, auf die Gefühle ihrer Mitarbeitenden zu achten und diese ernst zu nehmen: «Empathie ist wichtig in der Führungsarbeit.» 

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