Campus - 05.03.2025 - 10:28
Bildlegende: Die Sallea-Gründerinnen Nicole Kleger, Anna Bünter und Simona Fehlmann.
Hamburger, Lachsfilet oder Steak aus der Zellkultur: Dieses sogenannte «kultivierte Fleisch» hat ein riesiges Potential. Laut dem NGO Good Food Institute Europe wird bei dessen Produktion bis zu 92 Prozent weniger CO2 ausgestossen als bei der herkömmlichen Tierhaltung. Auch Flächenbedarf und Luftverschmutzung sind über 90 Prozent geringer. «Nachhaltigkeit ist für uns wichtig und macht unsere Arbeit sinnvoll», sagt Anna Bünter. Die 28-jährige HSG-Absolventin hat mit den ETH-Absolventinnen Simona Fehlmann und Nicole Kleger im November 2023 das Startup Sallea gegründet.
Sallea entwickelt pflanzliche Gerüste – sogenannte Scaffolds , in denen Zellkulturen zu Fleischstücken heranwachsen. «Das macht erstmals die Produktion von ganzen Fleischstücken wie Filets, Steaks oder Pouletbrust möglich», sagt Bünter.
Um Fleisch oder Fisch zu kultivieren, werden tierische Zellen mit Nährstoffen in einem Stahltank gemischt. Das Produkt, das dabei nach einigen Wochen entsteht, ist aber kein festes Fleisch, sondern eine dicke Flüssigkeit. Aus dieser liessen sich bisher nur Produkte wie Würste, Chicken Nuggets oder Hamburger produzieren. Hier will Sallea ansetzen: Die Scaffolds machen jegliche fest gewachsenen Fleischarten und -formen wie Steaks oder Filets möglich. «Die Scaffolds sind anpassbar und lassen sich einfach in bestehende Bioreaktoren integrieren», schreibt Sallea dazu.
Das Verfahren dahinter entwickelten Fehlmann und Kleger in intensiver Forschungsarbeit im Bereich Materialwissenschaften an der ETH: In einem ersten Schritt erstellt ein 3D-Drucker eine Negativform aus Salz. In diese Form wird pflanzliche Masse gegossen. Diese kann etwa aus pflanzlichen Proteinen, Zellulose oder Algen bestehen. In einem nächsten Schritt wird das Salz komplett ausgewaschen und nur das essbare Scaffold aus pflanzlichem Material bleibt zurück. Darauf können sich die Zellkulturen ansiedeln und zu einem Stück Fleisch heranwachsen.
«Es gibt weltweit viele Firmen, die an der Produktion von kultiviertem Fleisch arbeiten und forschen. Allerdings kann bisher kein Unternehmen kostengünstig und effizient ganze Fleischstücke herstellen», sagt Bünter. Aktuell sind die Scaffolds bei verschiedenen Startups probeweise im Einsatz. Bünter schätzt, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern wird, bis Steaks und mehr im Supermarkt liegen, die mit Sallea-Technologie hergestellt wurden. «Einerseits dauern die Bewilligungsprozesse dafür lange, weil die Behörden wenig Erfahrung mit der Technologie haben. Andererseits braucht es auch bei den Konsumierenden einen Kulturwandel.»
Neben der Nachhaltigkeit betont Bünter weitere Vorteile von kultiviertem Fleisch: «Bei dessen Produktion in kontrollierter Umgebung braucht es keine Antibiotika und der kultivierte Fisch ist nicht mit Mikroplastik belastet wie jener aus Gewässern.» Die Nährstoffe des kultivierten Produktes seien zudem weitgehend identisch mit Fleisch aus Tierhaltung.
Sallea forscht und arbeitet also in einem Feld, in dem viel in Bewegung ist. Das weckt das Interesse von diversen Förderstellen und Investor:innen: So erhielt Sallea bisher Investitionen von rund 2,2 Mio. Schweizer Franken sowie anteilsfreie Fördergelder von knapp 2 Mio. Aktuell arbeiten sechs Mitarbeitende im Team.
Im kleinen Sallea-Team ist Bünter etwa für die Strategieentwicklung oder Investorenkontakte zuständig. «Dabei hilft mir auch mein Netzwerk aus der HSG-Studienzeit. Ich kenne dadurch einige Leute, die selbst schon Startups gegründet haben oder bei Investor:innen arbeiten.» Allgemein sei die Zeit an der HSG für sie als Startup-Gründerin prägend gewesen: «Die Kultur auf dem Campus ist sehr praktisch ausgerichtet – wer eine Idee hat, setzt sie um und findet dafür Unterstützung», sagt sie.
Bünter war beispielsweise Mitglied bei Oikos St.Gallen, einem Verein von HSG-Studierenden, der Nachhaltigkeit in Lehre und Wirtschaft fördert. «Auch habe ich Praktika dank der Vernetzung mit Kommilitonen gefunden.»
Sallea stehe nun vor einer grossen Herausforderung aber auch Chance: «Es gibt bisher keinen Industriestandard, diesen möchten wir mit unseren Scaffolds setzen», sagt Bünter.