Forschung - 03.02.2025 - 11:00
Der Archetyp des «idealen Forschers» ist ein Mann («er sieht aus wie ein Wissenschaftler»). Auch wenn von einem «akademischen Star» die Rede ist, denken viele unbewusst an einen Mann. Studien zeigen, dass männliche Bewerber für Hochschulprofessuren oft ganzheitlich und nach ihrem allgemeinen Auftreten beurteilt werden, während Frauen eher anhand von Details wie Kleidung, ihrem Präsentationsstil oder anderen äusseren Merkmalen eingeschätzt werden. «Implicit Bias» wird diese Art verzerrter Wahrnehmung genannt. Es handelt sich um unbewusste Einstellungen und Stereotypen, die sowohl individuelle als auch kollektive Entscheidungsprozesse beeinflussen können. Sie betreffen nicht nur einzelne Menschen, sondern spielen auch in Gruppenprozessen eine Rolle, so etwa in Sitzungen von Berufungskommissionen. Um dieses Problem zu adressieren, bietet die Fach- und Beratungsstelle Diversity, Equality & Inclusion der Universität St.Gallen interne und auch externe Bias-Trainings in der Form eines Online-Tools oder im 1:1 Austausch mit einer Fachexpert:in an.
Sogenannte «Bias-Trainings» sind ein wichtiges Instrument, um Vorurteilen entgegenzuwirken oder den Frauenanteil in Organisationen zu erhöhen. Sie sind mittlerweile weit verbreitet. Denn unbewusste Vorurteile können in allen Phasen von Ernennungs-, Einstellungs-, Beförderungs- oder Projektvergabeprozesses auftreten und sind oft schwer zu erkennen. Vorurteile betreffen nicht nur Frauen, sondern auch andere Minderheitengruppen, etwa verschiedene Altersgruppen oder Personen aus rassialisierten Gruppen.
Ein zentraler Bestandteil der Berufungsprozesse sind die Kommissionen, deren Mitglieder oft unterschiedliche Prioritäten und Bewertungskriterien mitbringen: Die Vertretenden der berufenden School legen besonderen Wert auf eine Person mit herausragender Forschungsexpertise, die Vertretung der Hochschulleitung legt zusätzlichen Fokus auf die Gleichstellungsziele, und die Vertretung der Studierenden schliesslich achtet auf die Lehrerfahrung der Kandidierenden. Gleichzeitig sind die meisten Kommissionsmitglieder miteinander bekannt und auf vielfältige Weise beruflich verbunden, was die Berufung zu einem komplexen gruppendynamischen Aushandlungsprozess macht.
Die Vielfalt an Sichtweisen birgt Chancen, aber auch Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf unbewusste Vorurteile und komplexe Gruppendynamiken. Hier setzt das Training der HSG an.
Um Vorurteile sichtbar zu machen und Diversität aktiv zu fördern, hat die Fach- und Beratungsstelle Diversity, Equality & Inclusion das Onlinetraining «Implicit Bias» entwickelt. Das Tool führt die Spielenden durch fiktive, aber realistische Szenarien, die alle Phasen eines Berufungsverfahrens für Hochschulprofessuren abdecken.
Der spielerische Auftrag lautet: Die (frei erfundene) Universität mit dem sprechenden Namen «Altenklangs» will die Diversität ihres wissenschaftlichen Personals erhöhen. Eine Berufungskommission wird beauftragt, für die neu zu besetzende Professur eine geeignete Kandidatin vorzuschlagen.
Die Nutzenden des Tools beobachten nicht nur die Sitzungen einer fiktiven Berufungskommission, sondern können aktiv am Entscheidungsprozess mitwirken. Am Ende des Spiels zeigt sich, ob es gelungen ist, eine Professorin zu berufen – oder eben nicht.
Auf der Webseite der Fach- und Beratungsstelle Diversity, Equality & Inclusion an der HSG können Sie das «Implicit Bias»-Tool ausprobieren.