Hintergrund - 06.03.2025 - 09:00
Bundesräte, Präsidenten, Aktivistinnen, Nobelpreisträger, Manager und Unternehmerinnen – das St. Gallen Symposium bringt seit über 50 Jahren namhafte Gäste nach St.Gallen, thematisiert globale Herausforderungen und sucht den Dialog zwischen den Generationen. Viele führende Persönlichkeiten waren seither an der HSG zu Gast, um mit Studierenden aus allen Teilen der Welt zu diskutieren. Die vielgestaltigen historischen Zeugnisse dieser generationsübergreifenden Treffen hat Simon Morgenthaler, Mitarbeiter des Universitätsarchivs St.Gallen, neu erschlossen. Sie sind jetzt über den digitalen Lesesaal des Staatsarchivs (auch) online zugänglich.
Royale Unterstützung erhielt die Diskussionsplattform bei ihrer ersten Durchführung: Im Rahmen der Eröffnungsrede des 1. Internationalen Management-Gesprächs im Jahr 1970 verlas Wolfgang Schürer ein Telegramm des Kronprinzen Harald von Norwegen. Dieser begrüsst die Initiative der St.Galler Studierenden, in einen internationalen Dialog über «Entwicklungstendenzen des Managements in Europa» einzutreten. Mit der Diskussion der «Limits to Growth»-Studie des Club of Rome fand die Konferenz im Jahr 1972 international Beachtung. Die Referenten Carl Johan Friedrich, Dr. Aurelio Peccei und Hugo E. Thiemann skizzierten, welche Auswirkungen exponentielles Wachstum auf den Planeten Erde hat.
Die Konferenz wird seit ihrer Gründung durch einen studentischen Verein organisiert, dem International Student’s Committee (ISC), das von der St.Galler Stiftung für internationale Studien unterstützt wird. Die umfangreichen Archive des Vereins und der Stiftung gingen 2022 durch eine Schenkung in den Besitz des Universitätsarchivs St.Gallen über. Sie umfassen hauptsächlich Schriftgut und Fotografien sowie audiovisuelle Dokumente aus dem Zeitraum zwischen 1970 und 2010.
In den Ton- und Videoaufzeichnungen der Vorträge und Podien, die fast lückenlos überliefert sind, wird erlebbar, wie am St. Gallen Symposium zeitgenössische und auch brisante Themen diskutiert wurden. So ist es möglich, die erste Präsentation der Studie «Limits to Growth» des Club of Rome (1972) im deutschsprachigen Raum mitzuverfolgen. Oder eine der letzten öffentlichen Debatten Hanns Martin Schleyers (1977) vor seiner Ermordung durch die Rote Armee Fraktion (RAF) zu hören. Und zu lauschen, wie die Philosophin Jeanne Hersch u.a. mit einem HSG-Absolventen über die Jugendunruhen der 1980er-Jahre diskutiert (1981/1982). Ein (wirtschafts-) historischer Podcast, der reichhaltiger nicht sein könnte.
In der Fotosammlung, die auch über Wikimedia Commons zugänglich ist und sich dort einer regen Nutzung erfreut, sind die Aufritte zahlloser, teils illustrer Persönlichkeiten dokumentiert: Kofi Annan, Muhammad Yunus oder Mario Vargas Llosa stehen auf dem Podium, Politikerinnen und Politiker wie Helmut Schmidt, Christine Lagarde, Romano Prodi, Mary Robinson oder Lubna Khalid al-Qasimi referieren und diskutieren – um nur einige zu nennen. Aber auch Bilder, die andere Facetten des Symposiums wie die Tätigkeiten des studentischen Organisationsteams oder etwa technikgeschichtliche Aspekte bezeugen, wurden archiviert. Akten und Druckschriften komplettieren das Archiv.
Die Fährten des Archivs führen bis in die Gegenwart. Aufsehen erregte im Jahr 2024 der Besuch der russischen Menschenrechtsaktivistin Julija Nawalnaja in St.Gallen. Sie ermutigte junge Menschen, sich politisch zu engagieren. Unter dem Slogan «Shifting Global Power» wird am 7. und 8. Mai 2025 ein weites Spektrum an Themen diskutiert, die an vergangene Symposien anschliessen. Föderalistische Ideen werden dieses Jahr im Rahmen der Insight Session «Thriving Bodensee» diskutiert. Schon 2002 durfte das ISC im Auftrag des Bundes sein Knowhow unter Beweis stellen, um in St.Gallen die 1. Internationale Föderalismuskonferenz zu organisieren. 2025 wird auch Jakov Milatović, der Präsident Montenegros, erwartet, dessen Besuch sich mit Blick ins Archiv in eine Reihe von namhaften Politikern aus dem Balkan verorten lässt. 2002 besuchte der damalige Präsident Mazedoniens Boris Trajkovski das Symposium, 2009 der ehemalige serbische Präsident Boris Tadić.
Im Rahmen der Internationalisierung des Anlasses wandten sich die Veranstalter Ende der 1980er-Jahre auch immer mehr dem asiatischen Raum zu. 1994 setzte das Symposium den Schwerpunkt ein erstes Mal auf China. Mittlerweile kann der ISC auf ein breites Netzwerk zurückgreifen, das zahlreiche Persönlichkeiten und Studierende aus Asien nach St.Gallen geführt hat und führt. So hat im Jahr 2000 etwa der heutige stellvertretende Minister von Singapur Teo Chee Hean das Symposium besucht. Seit 2012 betreibt der ISC in Singapur auch ein eigens für den asiatischen Markt zuständiges Office.
Mit dem Archiv des St. Gallen Symposiums wird ein Quellenfundus zugänglich, der nicht nur für die Geschichte der Universität bedeutsam, sondern auch eng mit dem Wirtschaftsstandort Schweiz sowie der Region St.Gallen verbunden ist.
Weitere Informationen:
Archiv St. Gallen Symposium im digitalen Lesesaal, Staatsarchiv St.Gallen
St. Gallen Symposium 2025
Bildergalerie St. Gallen Symposium, Wikimedia Commons
Bilder: Universitätsarchiv St.Gallen / St. Gallen Symposium