Campus - 15.01.2025 - 11:00
Urbane Gebiete sind attraktiv, da sie Lebens- und Wirtschaftsräume zugleich sind und Arbeit, Wohnen sowie Freizeit vereinen. In der Schweiz leben rund 85 Prozent der Bevölkerung in Städten und Agglomerationen. Doch mit wachsender Bevölkerung und begrenztem Raum werden diese Gebiete zunehmend dichter. Trotz des gestiegenen Drucks gibt es aber noch immer «Lücken» im Stadtgefüge, wo die Entwicklung aus verschiedenen Gründen stehen geblieben ist. Häufig befinden sich diese hinter Bahnhöfen und entlang der Gleise, was zum Beispiel auch das von Katharina Graf und Niklaus Reichle herausgegebene Buch «Hinter den Gleisen» beschreibt.
Die Areale hinter den Bahnhöfen und entlang der Gleise bieten grosses Potenzial für die künftige Stadtentwicklung. Die Umnutzung dieser Flächen erfordert jedoch nicht nur gute Planung und Investitionen, sondern auch solide Gebietskenntnis. Ein Beispiel für eine gelungene Neugestaltung ist die Europaallee in Zürich. In St.Gallen gehören der Bahnhof St.Fiden und das Güterbahnhofareal am äusseren Rande des Stadtzentrums zu vielversprechenden Entwicklungsgebieten der Stadt.
Seit Jahren wird über die Zukunft des Güterbahnhofareals in St.Gallen diskutiert. Doch oft scheiterten angestossene Prozesse, nicht selten aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven und Interessen der beteiligten Akteure.
Im Rahmen der Lehrveranstaltung «Zukunft bauen – die Bedeutung von Branchen für die Stadtentwicklung» an der Universität St.Gallen haben sich Studierende der HSG gemeinsam mit angehenden Architektinnen und Architekten der ETH Zürich intensiv mit den Prozessen der Stadtentwicklung und -planung beschäftigt – konkret am Beispiel des Güterbahnhofareals in St.Gallen.
In Gruppen erkundigten die Studierenden das Areal und kuratierten Spaziergänge. Die Spaziergänge dienten als methodisches Werkzeug, um die soziale Atmosphäre des Areals kennenzulernen, inspiriert von den «Spaziergangswissenschaften» des Soziologen Lucius Burckhardt. Ziel war es, das Areal aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfahren.
Die Beforschung des Areals mittels Interviews und Beobachtungen war Grundvoraussetzung für den gestalterischen Eingriff. Wer die sogenannten Alltagsrealitäten vor Ort gut kennt, kann besser einschätzen, welche Folgen Eingriffe haben und ob diese sinnvoll und umsetzbar sind. Die komplexen Zusammenhänge und Themen, die im Rahmen dieser empirischen Forschung sichtbar wurden, überführten die Studierenden in sogenannte «Actor-Network-Zeichnungen». Dazu wurden sie vom Kunstmaler Walter Dick in die Grundlagen des Handzeichnens eingeführt.
Die Lehrveranstaltung «Zukunft bauen – die Bedeutung von Branchen für die Stadtentwicklung» wurde geleitet von Dr. Niklaus Reichle, Dozent am Seminar für Soziologie (SfS-HSG) der Universität St.Gallen. Einblick in die Welt der architektonischen Planung und Gestaltung gab die renommierte Architektin Prof. Momoyo Kaijima, Ordentliche Professorin für Architectural Behaviorology am Departement Architektur der ETH Zürich. Sie ist Mitgründerin des Ateliers «Bow-Wow» und Trägerin des «Wolf Prizes».
Bilder: Schlusspräsentationen vom 19. Dezember 2024 / Hannes Thalmann