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Campus - 26.05.2025 - 10:48 

St.Gallen Strategy Days 2025: «Während eines Spiels lernt man unglaublich viel»

Rund 70 HSG-Studierende schlüpften zwei Tage lang in die Rolle von Weltpolitikern und Wirtschaftsführern. Dies war Teil der zweiten St.Gallen Strategy Days: Durch diese Simulation – auch als Serious Gaming bekannt – lernen die Studierenden, strategisch zu denken, effektiv zu kommunizieren und auch unter Druck Entscheidungen zu treffen.

Trump steht auf, winkt in den Raum, und sagt: «Wir werden in diesen zwei Tagen sicher viel Spass miteinandern haben.» Selenskyj sagt kurz und trocken: «Wir müssen gewinnen.» Und Sam Altman, CEO von ChatGPT-Entwickler OpenAI, lehnt sich zurück und beobachtet - er plant laut Gerüchten den Launch eines  revolutionären KI-Tools...

So sah der Einstieg in die zweiten St.Gallen Strategy Days vom 22. und 23. Mai im SQUARE der HSG aus - eine Simulation des globalen Politik- und Wirtschaftsgeschehens. Während zwei Tagen nahmen rund 70 HSG-Studierende und externe Berufsleute die Rollen von Politiker:innen, Wirtschaftsführer:innen sowie Vertreter:innen von internationalen Organisationen ein. Beim Auftakt stellten sich einige der Teilnehmenden in ihrer Rolle kurz den anderen vor.

Im Zentrum der Simulation stand das heutige Europa, «ein Kontinent zwischen Verbündeten, Algorithmen und Autonomie», wie es im Beschrieb hiess. Zu den Herausforderungen gehören wie auch in der echten Politik der Ukrainekrieg, die Krise im Nahen Osten, global umstrittene Gebiete wie Grönland, Taiwan oder Kaschmir, Energiesicherheit sowie die neue Rolle der USA - alles überschattet von der KI-Revolution. Ausgangspunkt war der NATO-Gipfel von Ende Juni 2025, der dann auch real in Den Haag stattfinden wird.

Simulationen sind starke Lernerlebnisse

Während der Simulation lief die Zeit beschleunigt ab; eine Stunde realer Zeit entsprach einem Monat. Der Holländer Diederik Stolk überwachte mit seinem Team, dass Handlungen und Entscheidungen der Spieler:innen realistisch blieben. Er hat solche «serious games», wie man die Simulationen auch nennt, schon mit NATO-Militärs und europäischen Regierungsvertreter:innen durchgeführt.

Das zeigt: Bei serious gaming geht es nicht nur ums Spielen, sondern um «wirkungsvolle Lernerlerbnisse», wie Stolk sagt. «Die Teilnehmenden können hier soft skills entwickeln wie etwa Kommunikation, Leadership, Zusammenarbeit in diversen Gruppen sowie die laufende Anpassung von Denkmustern und Strategien.» Und sie könnten in einem geschützten Rahmen ausprobieren und Fehler machen. Bei seiner Einführung ins Spiel hatte Stolk Platon zitiert, gemäss dem man in einer Stunde Spiel mehr über einen Menschen lerne als in einem Jahr voller Gespräche.

Teilnehmende während des Spiels.

Lucia Görke und Diderik Stolk bei der Eröffnung der St.Gallen Strategy Days 2025.

Christoph Roduner, Brigadier der Schweizer Armee, sprach zu den Teilnehmenden.

Zur Simulation gehörte auch eine grosse Karte der Ukraine, die Entwicklungen laufend abbildete.

Roger de Weck, Autor und ehemals SRG-Direktor, sprach zu den Teilnehmenden über die Bedeutung von freien Medien.

Die HSG-Lerbeauftrage Lucia Görke war im OK der Strategy Days. Sie setzt seit 2020 auf die innovative Lehrmethode.

«Simulationen sind ein starkes Lehrformat, um Führungs- und Entscheidungsverhalten unter Druck zu trainieren.»
Lucia Görke, HSG-Lehrbeauftrage zu Führung in Krisenzeiten

SQUARE plant serious games auch für Externe

Bereits bei den ersten Strategy Days 2023 hatte das SQUARE-Team mit Stolk zusammengearbeitet. «Wir haben schon nach der ersten Ausgabe von Teilnehmenden viel positives Feedback erhalten», sagt Sandro Rüegg. Er leitet im SQUARE-Team unter anderem die Aussenbeziehungen sowie das Fundraising - bis heute wird ein grosser Teil des intendantischen Programm des Gebäudes dank externen Gönner:innen, darunter viele HSG-Alumni, ermöglicht.

Die Strategy Days sollen künftig jährlich im SQUARE stattfinden. «Wir können uns auch vorstellen, solche Simulationen im kleineren Rahmen zu veranstalten und diese für HSG-Externe zu öffnen», so Rüegg. Auch erfahrene Führungskräfte könnten von serious gamign profitieren.

Ein erster Export des Formats hat schon stattgefunden: Anfang Mai reisten SQUARE- und HSG-Vertreter:innen mit Stolk nach Sidney. Dort unterstützen sie den Australian Council on Foreign Affairs bei einem eintägigen serious game für Forschende, Politiker:innen und junge Berufstätige. Auch hier plant SQUARE, das Format international für Interessierte zu öffnen. «Wir haben zudem bereits nach der Ausgabe 2023 ein serious gaming-Handbuch für HSG-Dozierende veröffentlicht und sie in einem Workshop mit der Lehrmethode vertraut gemacht», sagt Rüegg. 

Cyberattacken, Zollverhandlungen und Sabotage

Tatsächlich brachten die zwei Tage überraschende Entwicklungen mit sich: So gab es am zweiten Tag eine simulierte Cyber-Attacke, wobei Simon Mayer von der School of Computer Science der HSG kurz zu den Teilnehmenden über Cybersicherheit sprach. Zudem war die Schweiz von Saboteuren angegriffen worden, wobei unter anderem der Gotthardtunnel blockiert und die Stromversorgung gekappt wurde. Auf dem globalen Markt hatte Open AI mit Starlink von Elon Musik fusioniert. Und die Schweiz hatte es geschafft, in den Verhandlungen mit den USA vorteilhafte Zollbedingungen zu erhalten - das alles sind nur Ausschnitte aus einem äusserst komplexen Spielverlauf, in dem es auch internationale Konferenzen, offizielle Staatsgespräche sowie viel inoffizielle Kommunikation auf den SQUARE-Gängen gab.

Am Ende jedes Tages gab es jeweils ein Debriefing mit allen Teilnehmenden. «Sie schlüpfen dabei einerseits bewusst aus ihrer Rolle. Das ist wichtig, um abzuschalten. Andererseits dient das Debriefing auch dazu, zu reflektieren, was man gemacht und gelernt hat», sagt Lucia Görke, die im OK-Team der Strategy Days war. Sie ist HSG-Lehrbeauftragte und Head of People Analytics bei der Swisscom. Serious gaming setzt sie in ihrem HSG-Kurs zu Führung in Krisenzeiten seit 2020 ein. «Simulationen sind ein starkes Lehrformat, um Führungs- und Entscheidungsverhalten unter Druck zu trainieren», sagt sie.

Diverse Trainings erhielten die HSG-Studierenden auch während der Simulation: Es gab einerseits Keynotes von Expert:innen aus Diplomatie, Medien, Militär und Geheimdienst, Unternehmenswelt und Verhandlungstaktik. Andererseits gab es täglich Workshops mit diesen und weiteren Expert:innen, in denen die Studierenden in kleiner Runde Fragen stellen konnten. «In diesen zwei Tagen werdet ihr sehr viel über Diplomatie, Führung und Verhandlungen lernen», hatte Stolk bei der Eröffnung gesagt. «Und ihr werdet wissen, ob ihr für eine Karriere in der internationalen Staats- und Unternehmensdiplomatie geeignet seid.»

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