Campus - 27.03.2025 - 13:30
Los Angeles brennt, Gletscher schmelzen, Seen trocknen aus. Die Hiobsbotschaften reissen nicht ab. Das Thema Klimawandel ist omnipräsent in den Nachrichten. Und doch bleibt es für viele Menschen eigentümlich abstrakt. So als fände der Klimawandel immer nur woanders statt, während es hier einfach angenehm wärmer werde. Kunst ist in dieser Situation eine Möglichkeit, Bilder zu schaffen, die bleiben und zum Nachdenken anregen. Deshalb erweitert die HSG ihre Kunstsammlung. Die Initiative geht auf Studierende zurück. Finanziert wurden die neuen Arbeiten von zugewandten Stiftungen. Im Rahmen der Kampagne «Gemeinsam wirkt – St.Gallen wird klimaneutral» unterstützte die Stadt St.Gallen die Vernissage.
Im Haus Washington wurden sieben der zehn bereits finanzierten Klima-Kunstfotografien aus der Schweiz und aus dem Ausland eingeweiht, die zu den vier Themen «Tiere», «Wald», «Wasser» und «Gletscher» jeweils als Tandems präsentiert werden. Im Gebäude der Rosenbergstrasse 30 wurde ein weiteres Kunstwerk aus Appenzell eingeweiht.
Die Einweihung dieser Werke unterscheide sich von der bisherigen «Kunst am Bau»-Tradition an der Universität St.Gallen, betonte HSG-Rektor Manuel Ammann in seiner Ansprache. Die Ausstellung verdanke sich Impulsen von Studierenden, die im Master-Zertifikatsprogramm «Managing Climate Solutions» unter der Leitung von HSG-Professor Rolf Wüstenhagen den Einfluss von Kunstwerken auf Umweltlösungen untersucht haben. Yvette Sánchez habe die Ideen in die Kunstkommission der HSG getragen, wo die Umsetzung weiterverfolgt wurde, erklärte der Rektor. Die Initiative habe diese Dauerausstellung von Klimakunst ermöglicht, die nun öffentlich zugänglich ist.
Die Werke im «Haus Washington» an der Rosenbergstrasse 20-22 gehören zur gleichen Kunstgattung: der Fotografie – in erweitertem Sinn auch Werke mit fotografischer Wirkung, darunter kunstvolle Papierscherenschnitte. Im Erdgeschoss des Gebäudes beginnt die Kunstausstellung mit dem Thema «Tiere».
Erdgeschoss: Tiere und menschlicher Einfluss
Am Eingang hat der Künstler Francisco Sierra (*1977, Mexico) seine auf Holz gemalten Ölminiaturen von «Betta splendens» («Siamesische Kampffische») installiert. Die in fotorealistischer Manier (ohne Schablonen) auf Holzstücke gemalten, überzüchteten Zierfische wurden auf konkave Nischen an die Wand montiert.
Direkt neben die Fischminiaturen werden bald die Zeichnungen von Insekten und Fischen der Zürcher Künstlerin Cornelia Hesse-Honegger (*1944) platziert. Seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl reist sie in radioaktiv belastete Gebiete. Bei genauer Betrachtung der Aquarelle offenbaren sich die Deformationen und Schäden, welche die mutierten Lebewesen in den kontaminierten Regionen erlitten haben.
Erdgeschoss und erster Stock: Waldkunstfotografie
In einer grossen Nische neben dem Hintereingang des Gebäudes und direkt darüber im ersten Stock, findet man Waldkunstfotografien der Schweizer Kunstschaffenden Monica Ursina Jäger (*1974) und Olaf Breuning (*1970), die beide international tätig sind – Breuning seit über zwei Jahrzehnten in New York und Jäger in Zürich und London (aufgewachsen in St.Gallen).
Breunings «Complaining Forest» verwandelt Holzstücke in Sprechblasen, die den Wald selbst zu Wort kommen lassen – ein stiller Protest gegen Umweltzerstörung. Jägers «Topographies» präsentiert Singapurs «grüne Lunge» und dichte Hochhäuser des sozialen Wohnungsbaus filigran in Collagen – unklar bleibt, wer wen vereinnahmt: die Stadt die Natur oder umgekehrt.
Erster Stock: Gletscher und Klimawandel
Im ersten Stock des Haus Washington sind Werke von zwei Schweizer Künstlerinnen zum Thema «Gletscher» zu sehen: Laurence Piaget-Dubuis (*1971) aus dem Wallis und Daniela Keiser (*1963) aus Zürich.
Keisers Werk «The Tongue in Translation» zeigt zwei Gletscherzungen in Blautönen durch aufwendige Cyanotypie-Technik. Ökokünstlerin Piaget-Dubuis präsentiert ihre Fotografie des mit weissem Tuch geschützten Rhône-Gletschers, zweigeteilt durch die Leiter und das Licht.
Viertes Stockwerk: Wasser und Klimalösungen
Bisher ein Werk widmet sich dem Thema «Wasserknappheit». Die in Los Angeles lebende kanadische Künstlerin Francesca Gabbiani (*1965, Montreal) arbeitet mit Gouache, einer deckenden Wasserfarbe als Hintergrund, auf den sie aufwendig geschnittene Farbpapiere appliziert. Ihre beiden Werke thematisieren die Waldbrände ihrer Wohngegend: «2018 Trancas Canyon» zeigt eine verwüstete Landschaft in Malibu, die brennenden Palmen betitelt sie mit «Dear Yvette», weil dieser Name mit der Eibe in Verbindung gebracht wurde – einem Baum, der seit Jahrhunderten als Symbol für Widerstandskraft und Unvergänglichkeit steht.
Folgende Werke zweier italienischer Künstler wurden ebenfalls genannt, sind jedoch noch nicht ausgestellt: Armin Linke (*1966) sollte ursprünglich mit einer Fotografie des ausgetrockneten Aralsees vertreten sein, wechselte aber dann zu einer Fotografie, die mit einer ökologischen Reis-Saatgutbank in Bangladesch eine eigentliche «Klimalösung» präsentiert.
Dazu gesellen sich drei Fotografien des preisgekrönten (u.a. World Press Photo 2023) Fotografen Simone Tramonte (*1976). Seine Serie «Net Zero Transition» thematisiert den Kontrast zwischen einer in die Landschaft natürlich eingebetteten Photovoltaikanlage und künstlich beleuchteten Gewächshäusern.
Rosenbergstrasse 30: Kreislaufwirtschaft
Nach der Besichtigung aller Werke im Haus Washington begaben sich die Gäste zur Rosenbergstrasse 30. Dort hat der regionale Nachwuchskünstler Florian Schoch sein Relief «Final Sprint» (2020) installiert. Der Titel «Endspurt» kann als Chiffre für viele Studierende gelesen werden, die sich auf den Abschluss ihres Studiums zubewegen. Die Arbeit ist aus Recycling-Material von einer Baustelle und einem Kletterband entstanden.
Zum Abschluss der «Climate Art Vernissage» setzten die Studierenden ein weiteres starkes Zeichen: Mit einer Lichtprojektion auf den Glaskubus am Hauptbahnhof St.Gallen machten sie die Entwicklung globaler Erwärmung sichtbar. Die Projektion zeigte die sogenannten Klimastreifen – eine visuelle Darstellung der Temperaturveränderungen über die Jahrzehnte seit 1864. Jede Linie steht für ein Jahr – von kühlem Blau für vergangene, mildere Jahre bis hin zu leuchtendem Rot für die zunehmend wärmeren Zeiten der Gegenwart. Und mittendrin die binäre Uhr – ihr Ticken macht das Fortschreiten des Wandels unübersehbar.
Das Master-Zertifikatsprogramm «Managing Climate Solutions (MaCS-HSG)» der Universität St.Gallen vereint Wissenschaft, Praxis und Kreativität, um innovative Klimaschutzlösungen zu entwickeln. In interdisziplinären Projekten setzen sich Studierende mit realen Herausforderungen auseinander – von politischen Strategien bis hin zu künstlerischen Impulsen. An der aktuellen Dauerausstellung der Kunstwerke haben sie nicht nur mitgearbeitet, sondern mit der Lichtprojektion auch den Klimadiskurs aktiv mitgestaltet – und ihn aus der Theorie in den öffentlichen Raum getragen.
Bilder: Florian Pecher | MaCS-HSG