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Forschung - 03.10.2025 - 15:00 

Wie lernen wir mit KI erfolgreich? Tipps für die Praxis

Lernende nutzen immer häufiger Künstliche Intelligenz. Schliesslich ist es bequem, wenn diese alle Antworten liefert, die man sich sonst mühsam erarbeiten müsste. Nur: Viel lernt man so nicht. Forschende der Universität St.Gallen (HSG) und weiterer Hochschulen untersuchen darum, wie KI das Lernen unterstützen kann, statt es zu ersetzen.
Wie lernen wir mit KI erfolgreich? Tipps für die Praxis

Sogenannte «Conversational Agents», die auf Large Language Modells (LLM) basieren, zählen zu den häufigsten Anwendungen der Generativen Künstliche Intelligenz (KI): Kaum jemand, der heute nicht ChatGPT, Claude, Gemini oder ein anderes kommerzielles Produkt nutzt. Dasselbe gilt insbesondere auch für Schulen jeglicher Art. Falsch genutzt, nützen solche KI-Anwendungen aber wenig. Schlimmstenfalls halluzinieren sie, und liefern Antworten, die nicht der Realität entsprechen. Ein spannendes Anwendungsfeld sind darum «Pedagogical Conversational Agents» (PCA), welche als Lernbegleiter dienen. Open AI hat dieses Potenzial früh erkannt. Sie haben bereits 2022 den Machern der Lernplattform «Khan Academy» Zugriff zu ChatGPT gewährt, damit diese persönliche Tutoren für Lernende bauen konnten, wie Gründer Sal Khan bei seinem Besuch an der HSG 2023 erklärte.

Gemeinsames Verständnis fördert Lernerfolg

Wie aber müssen PCAs konzipiert sein, damit sie Lernende optimal unterstützen? Das hat ein interdisziplinäres Team der Universität Kassel und HSG untersucht. «Mich treibt die Frage an, wie wir Lernen mit skalierbaren und digitalen Lösungen aktiv gestalten können, anstatt nur zu beobachten, was Tools wie ChatGPT mit den Studierenden machen», so Andreas Janson, der als Postdoc am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG) forscht. «Bildungstechnologien müssen nicht bloss funktionieren – sie sollten so entworfen sein, dass sie motivieren, individuelle Bedürfnisse aufgreifen und echte Wirkung entfalten.» Deshalb haben er und seine Mitforschenden mittels einer Feldstudie mit 129 Studierenden die Interaktionen zwischen Bot und Lernenden gezielt untersucht und bewusst gestaltet. Ein Kontrollsystem lieferte Informationen klassisch, ohne besondere Rückfragen zum gemeinsamen Verständnis, während der experimentelle PCA die Studierenden regelmässig aufforderte, Unklarheiten zu benennen und aktiv nachzufragen. Beide Systeme verwendeten identische Lernmaterialien und Aufgaben. Die Forschenden konnten so aufzeigen, dass die Etablierung einer gemeinsamen Basis («Common Ground») zwischen Lernenden und PCA ein zentraler Erfolgsfaktor ist. Denn jene Studierenden, die mit dem PCA interagierten, erzielten im Wissenstest bessere Ergebnisse als die Kontrollgruppe. «KI-basierte Lernpartner können helfen, doch sie verstehen die Bedürfnisse der Lernenden nicht automatisch. Viele überfordern Lernende durch komplexe Interaktionen oder unterfordern sie, indem unreflektierte Lösungen bereitgestellt werden. Deshalb sollten KI-Lernbegleiter ein gemeinsames Verständnis mit den Lernenden aufbauen und durch motivierende Elemente den Lernprozess unterstützen», sagt Andreas Janson. An der Studie teilgenommen haben zwar nur Hochschulstudierende, doch die Erkenntnisse dürften sich auch auf andere Bildungsstufen übertragen lassen, ist er überzeugt: «Man kann einen PCA so konzipieren, dass er den Bedürfnissen und Rahmenbedingungen jeder beliebigen Lerngruppe gerecht wird.»

Gamification als Motivationsschub

Eine weitere, kürzlich im Journal «Computers & Education» publizierte Studie, an der Andreas Janson und Prof. Jan Marco Leimeister beteiligt waren, untersucht, wie sich Gamification-Elemente wie digitale Auszeichnungen, Punkte, Ranglisten etc. auf die Motivation von Lernenden auswirken. Das Forscherteam der Universitäten Kassel und Wuppertal sowie der TU Braunschweig versuchte gemeinsam mit den Forschenden der HSG zu ergründen, welche Gamification-Elemente bei KI-gestütztem Lernen motivierend wirken. Hierzu gestalteten die Forschenden in mehreren Zyklen prototypische Umsetzungen eines «gamifizierten» PCA, welcher in mehreren Studien evaluiert wurde. Die Forschenden konnten dabei vier erfolgreiche Gestaltungsprinzipien identifizieren («GNPL Framework»), die den Lernerfolg messbar steigern. Diese sind «Zielsetzung und Reflexion»; «Novize-Experte-Beziehung», wobei Novize (Lernende) und PCA (Experte) auf Augenhöhe kommunizieren sollten; «Leistungsbezogene Motivation» mit individuellen Feedbacks und Anreizen für das Erreichen von Lernzielen sowie «Erzählen einer Lernstory», also dass Aufgaben, Herausforderungen und Situationen durch den PCA zu einem kontinuierlichen, sinnhaften Narrativ zusammengefügt werden.

Ausschnitte aus den Dialogen mit dem gamifizierten Lern-Chatbot
Ausschnitte aus den Dialogen mit dem gamifizierten Lern-Chatbot: Die Abbildung zeigt exemplarisch, wie die vier Gestaltungsprinzipien umgesetzt wurden – von der gemeinsamen Zielsetzung über die Rolle des Chatbots als Lernpartner bis hin zu Feedback, Belohnungselementen und der Einbettung in eine fortlaufende Lernstory.

Aus seiner bisherigen Forschung leitet Andreas Janson drei Grundsätze für zukunftsfähiges KI-unterstütztes Lernen ab: «Erstens, müssen wir Lernende, Lehrende und digitale Lernpartner als Team verstehen und ganzheitliche Lernprozesse zur Ko-Kreation von Wissen entwickeln. Zweitens ist Motivation kein Luxus, sondern die Voraussetzung fürs Dranbleiben. Deshalb sollten Bildungseinrichtungen mit spielerischen Ansätzen experimentieren, um die Nutzung von Lernangeboten sicherzustellen. Drittens müssen Unterstützungsangebote dialogischer werden – egal ob mit Menschen oder KI.»

Der Schweizerischen Nationalfonds (SNF) hat die Forschung von Andreas Janson mit rund CHF 100'000 im Rahmen eines Spark-Grants gefördert. Zudem wurde ein Paper, dass er gemeinsam mit Forschenden der Universität Kassel verfasst hat, bei der letztjährigen International Conference on Information Systems (ICIS) von der Association for Information System (AIS) als «Best Education Paper 2024» ausgezeichnet (siehe Titelbild). 

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