Forschung - 08.10.2025 - 12:00
Die neue «St.Galler Jugendstudie» schafft die Datengrundlage für den unverzichtbaren Dialog zwischen den Generationen in der Schweiz. Denn im Vergleich zu älteren Generationen sind junge Menschen im Durchschnitt in nahezu allen Lebensbereichen weniger zufrieden, wie die Studie zeigt.
Gleichzeitig stehen grosse Herausforderungen an wie der Klimawandel, die Transformation durch künstliche Intelligenz oder das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt. Das führt zu nie dagewesenen Dynamiken, aber auch Spannungen. So sagt ein Unternehmer: «Ich stelle keine Menschen mehr unter 40 an. Da hast du nur Schwierigkeiten.»
Junge Menschen wissen, welchen Wert sie für die Arbeitswelt haben, und formulieren klare Erwartungen. Diese Dynamik erfordert ein neues Verständnis von Zusammenarbeit zwischen den Generationen. Doch nur wenn Erfahrungen, Erwartungen und Herausforderungen junger Menschen differenziert erfasst werden, lassen sich Handlungsmöglichkeiten und Lösungen für die Zukunft entwickeln. Genau hier setzt die «St.Galler Jugendstudie» an.
Viele junge Menschen erleben zurzeit psychische Belastungen nicht als Randerscheinung, sondern als prägendes Element ihres Alltags und ihres allgemeinen Lebensgefühls: Besonders Stress, Antriebslosigkeit und Selbstzweifel liegen in der Gen Z signifikant über den Werten älterer Altersgruppen. Zugleich wirken digitale Einflüsse, hohe Ansprüche an sich selbst und Erwartungsdruck aus dem privaten und beruflichen Umfeld als Stressoren, während positive Erlebnisse, gute Führung und soziale Einbettung als Resilienzfaktoren erkennbar sind.
Arbeit ist wichtig, doch Lust und Bindung sind gedämpft: Viele junge Menschen erleben eine Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität beim Sinn der Arbeit, bei Gehalt und Flexibilität. Sie berichten von geringerer emotionaler Verbundenheit zum Arbeitgeber, erhöhter Erschöpfung, häufig auftretender negativer Energie und vergleichsweise weniger positiven emotionalen Erlebnissen. Solche Erlebnisse sowie interessante Aufgaben, die Förderung individueller Fähigkeiten und inspirierende, gesunde Führung hingegen sind zentral für ihr Commitment.
Viele Jugendliche fühlen sich emotional von der Arbeit entkoppelt. Nur etwas mehr als die Hälfte der Gen Z berichtet regelmässig von positiven emotionalen Erlebnissen – etwa von Erfolgsmomenten, Spass bei der Arbeit, neuen sozialen Kontakten oder positivem Feedback. Gleichzeitig gibt ein Fünftel an, häufig negative Erfahrungen zu machen, wie respektloses Verhalten oder Konflikte.
Bei den Rahmenbedingungen gibt es Aspekte, die demotivierend wirken. Bei den wichtigsten Motivationsfaktoren wird bei einem Teil der Gen Z die Erwartung nicht erfüllt. So bei Gehalt, Homeoffice und Arbeitszeiten. Das ist insofern bemerkenswert, weil gerade diese Motivatoren stark auf Identifikation und Commitment mit der Arbeit wirken.
Implikationen für Jugend und Arbeitgeber:
Jugendliche sollten ihre eigenen Motivatoren kennen und passende Arbeitsumfelder suchen. Arbeitgeber können die emotionale Bindung durch positive emotionale Erlebnisse fördern. Für die Vorstellungen zu Homeoffice und Arbeitszeitgestaltung sollten, wo möglich, gemeinsam passende Lösungen entwickelt werden.
Private Einbettung ist mehrheitlich stabil, beruflicher Rückhalt oft schwach: Viele junge Menschen fühlen sich von Partnern, Freunden und Eltern getragen, aber deutlich weniger gut bei Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit aufgehoben. Gleichzeitig berichten rund ein Viertel über zu wenig Unterstützung, stärkerem Erwartungsdruck und intensiver Social-Media-Nutzung mit häufigen Vergleichen.
Implikationen für Jugend und Arbeitgeber:
Für die Jugend ergibt sich die Empfehlung, im Alltag soziale Netzwerke zu stärken und den Umgang mit digitalen sozialen Medien bewusst zu gestalten und zu regulieren.
Arbeitgeber hingegen sollten die soziale Einbettung am Arbeitsplatz fördern; durch Leadership, gemeinsame Projekte und soziale Aktivitäten sowie Möglichkeiten, sich bei wichtigen Aufgaben einzubringen.
Rund die Hälfte der Gen Z ist bereits im Traumjob oder auf gutem Weg dorthin, zeigt Interesse, Führungsverantwortung zu übernehmen, und eine ausgeprägte Technologiekompetenz, insbesondere im Umgang mit KI. Zugleich wünscht sich ein Viertel der jungen Führungskräfte, Verantwortung wieder abzugeben. Ihre Vorbilder finden sie primär im Elternhaus.
Implikationen für Jugend und Arbeitgeber:
Für die Jugend lässt sich ableiten, ihre berufliche Entwicklung bewusst zu gestalten und sich auf Führungsverantwortung gezielt vorzubereiten, etwa durch Mentoring oder den Austausch mit Vorbildern. Technologiekompetenz eröffnet daneben vielfältige Mitgestaltungsmöglichkeiten.
Von Seiten der Arbeitgeber empfiehlt es sich, diese besondere Kompetenz gezielt einzubinden, das Interesse an Herausforderungen und Führungsverantwortung aufzugreifen und die persönliche Entwicklung durch eine strukturierte Förderung zu unterstützen.
Die «St.Galler Jugendstudie 2025» ist die bislang umfassendste Untersuchung zur Lebens- und Arbeitsrealität junger Menschen in der Schweiz. Grundlage der Untersuchung ist eine breit angelegte, generationenübergreifende Erhebung, die rund 3000 Personen aus allen Sprachregionen der Schweiz im April und Mai 2025 einschliesst. Neben der Onlinebefragung gaben 20 junge Menschen auch in persönlichen Interviews Auskunft über ihr Befinden.
Zur Auswertung der Daten wurden deskriptive Häufigkeitsanalysen, Mittelwertanalysen und Signifikanztests eingesetzt. Ergänzend wurden Korrelationsanalysen vorgenommen, um wesentliche Zusammenhänge sichtbar zu machen.
Durchgeführt wurde die Studie vom Institut für Führung und Personalmanagement (IFPM-HSG) unter der Leitung von Prof. Dr. Heike Bruch, Marvin Neu und Manuela Egger.
Die Studie steht hier zum Download zur Verfügung:
ifpm.unisg.ch/forschung/st-galler-jugendstudie-2025
Professorin für Leadership / Direktorin des Instituts