Forschung - 13.08.2025 - 09:00
Immer mehr Schweizer Unternehmen experimentieren mit KI-Anwendungen, etwa in der Kundenkommunikation oder zur Effizienzsteigerung interner Prozesse. 40 % der Firmen erst seit dem Jahr 2024. Laut dem «AI Marketing Executive Pulse 2025» bleibt der Einsatz jedoch oft oberflächlich und operativ. Strategische Potenziale von KI werden selten ausgeschöpft – dabei liegen genau dort zentrale Chancen für nachhaltige Wirkung in Unternehmen.
Die von Felix Schakols, Prof. Dr. Reto Hofstetter und Prof. Dr. Ivo Blohm durchgeführte Studie basiert auf einer Befragung von 325 Schweizer Führungskräften mit Verantwortung im Marketingmanagement und wurde in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut YouGov zwischen Januar und März 2025 erhoben.
Die Detailauswertung der Befragung eröffnet folgende Einsichten:
1. Solides Basiswissen, ein Drittel der Führungskräfte fühlt sich überfordert
Führungskräfte in der Schweiz verfügen über ein solides Verständnis von KI – im Schnitt 4,5 von 6 Punkten auf der AI Literacy Skala. Führungskräfte, deren Unternehmen bereits KI einsetzen, verfügen über signifikant mehr Wissen als jene, die bislang keine KI verwenden. Ein Drittel (32 %) der befragten Führungskräfte fühlt sich im Umgang mit KI überfordert. Dabei spielt vor allem die grosse Vielfalt der angebotenen KI-Lösungen eine grosse Rolle. Gut ein Drittel (38 %) sieht in KI eine Bedrohung für Gesellschaft oder Wirtschaft. Bemerkenswert ist jedoch die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung der Befragten: Viele Führungskräfte beurteilen ihr eigenes KI-Know-how als eher schwach – dabei schneiden sie selbst in objektiven KI-Wissenstests (AI Literacy Skala) deutlich besser ab.
2. Hohe KI-Nutzung, aber wenig eigene Modelle
Drei Viertel (75 %) der Unternehmen setzen KI bereits ein – zumeist über Standard-Tools wie ChatGPT oder Copilot. Interessanterweise nutzen trotz Medienhype um DeepSeek nur 1 % der Befragten das chinesische KI-Modell. Ausserdem nutzt nur etwa ein Viertel (27 %) der Unternehmen eigene Modelle oder Technologien wie «Finetuning» und «Customizing» von bestehenden Modellen. Vor allem grössere Unternehmen mit über 50 Mitarbeitenden setzen häufiger auf eigene Lösungen. Strategische KI-Anwendungen (z.B. in Markenstrategie) sind deutlich weniger akzeptiert als operative Anwendungsfelder wie Werbung, Content oder Kundenansprache.
3. Kleine Budgets mit grossem Wachstum
Über 70 % der Unternehmen investieren derzeit weniger als CHF 100'000 pro Jahr in KI. Die Investitionsbereitschaft steigt jedoch: Im Schnitt planen Führungskräfte ihre Budgets für KI-Lösungen in den nächsten 2 bis 5 Jahren, um durchschnittlich 67 % zu erhöhen. Besonders Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden investieren heute schon deutlich häufiger grössere Beträge. Hier zeigt sich, dass mit wachsender Unternehmensgrösse nicht nur die Budgets steigen, sondern auch der Stellenwert von KI.
4. Individuelle Nutzung vor allem bei Texten
Der tägliche Einsatz von KI bleibt bislang die Ausnahme: Nur 12 % der Führungskräfte nutzen KI-Tools täglich, ein Drittel (33 %) seltener als einmal pro Woche. Über 90 % der Manager nutzen KI für Textgenerierung – 40 % für Bilder und ca. 10 % für Audio und Video.
5. Datenschutz im Fokus – und trotzdem werden sensible Daten geteilt
Datenschutz gilt für Schweizer Führungskräfte als das zentrale Risiko beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz – und trotzdem teilen 56 % der befragten Manager unternehmensinterne Daten mit KI-Tools. Selbst unter jenen, die ausschliesslich standardisierte Modelle wie ChatGPT nutzen, tut dies fast jede/r Zweite (42 %).
Der «AI Marketing Executive Pulse 2025» zeigt: Für einen wirkungsvollen Einsatz von KI braucht es mehr als nur den Zugriff auf standardisierte Tools. Unternehmen sollten nun gezielt die Weichen stellen, um KI strategisch zu verankern und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Studienautoren empfehlen drei zentrale Massnahmen:
1. Über Standardtools hinausdenken
Der verbreitete Einsatz von Lösungen wie ChatGPT oder Copilot ist ein guter Einstieg, greift aber oft zu kurz. Eigene Modelle oder spezialisierte Plattformen bieten mehr Kontrolle, höhere Relevanz und langfristige Differenzierungsmöglichkeiten. Unternehmen sollten gezielt analysieren, wo sich die Investition in individuelle KI-Lösungen lohnt. Die neueste Forschung zeigt, dass KI ein grosses Potenzial in strategischen Entscheidungsprozessen bietet, wie z.B. bei der Positionierung des Unternehmens im Markt. Die präzise Unterstützung, welche KI hier bieten kann, ist bei Unternehmen bislang noch wenig bekannt.
2. KI als Werkzeug verstehen – nicht als Bedrohung
Die öffentliche Diskussion über KI ist oft von Sorgen über Arbeitsplatzverluste geprägt. Die Studie zeichnet jedoch ein differenzierteres Bild: Für Schweizer Führungskräfte stehen Produktivitätssteigerung, Effizienz und höhere Qualität klar im Vordergrund, nicht Kostensenkungen etwa durch Personalabbau. Ebenso nimmt die Mehrheit der Schweizer Führungskräfte KI nicht als Bedrohung wahr. Stattdessen wird KI vor allem als Ergänzung verstanden – ein weiteres, wirkungsvolles Werkzeug im Arbeitsalltag, das Teams unterstützt, statt sie zu ersetzen.
3. Mitarbeitende gezielt befähigen
Trotz guter Grundlagen bei vielen Führungskräften besteht breiter Schulungsbedarf. Mitarbeitende sollten ein fundiertes Verständnis der Funktionsweise von KI entwickeln, lernen, wie man sicher und verantwortungsvoll mit sensiblen Daten umgeht, und die Fähigkeit erwerben, relevante Tools wirksam in den eigenen Arbeitsalltag zu integrieren.
Der «AI Marketing Executive Pulse 2025» des Instituts für Marketing und Customer Insight (IMC-HSG) bietet aktuelle Einblicke in die Schweizer KI-Landschaft. Ein One-Pager steht auf der Webseite kostenlos zum Download zur Verfügung und fasst die zentralen Erkenntnisse zusammen zu Kompetenzen, Nutzungsmustern und Herausforderungen rund um KI im Managementalltag.
Bilder: Adobe Stock (miss irine) | IMC-HSG