Hintergrund - 04.09.2025 - 14:30
Seit 2004 hat sich die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen von 150 auf 47 Sekunden verringert. «Das zeigt: Wir werden überflutet mit Informationsangeboten. Das stellt auch uns Wissenschaftler:innen vor Herausforderungen», sagte Miriam Meckel. Die HSG-Professorin gilt als eine der profiliertesten KI-Expertinnen und war unter anderem Chefredakteurin der «WirtschaftsWoche».
An der ScienceComm 2025, dem Kongress der Schweizer Wissenschaftskommunikation, sprach Meckel zu rund 300 Kommunikationsfachleuten. Diese Rekordzahl an Teilnehmenden seit der Lancierung der ScienceComm im Jahr 2011 traf sich am 3. und 4. September im SQUARE der HSG.
Meckel stellte in ihrem Vortrag fünf Thesen zur Wissenschaftskommunikation vor. Sie plädierte dabei für Forschende, die sich stark als Kommunikatoren verstehen. «Wer forscht, muss dabei überlegen, wie er die Menschen erreicht. Viel Forschung wird durch öffentliche Mittel möglich gemacht und steht damit in der Verantwortung, Ergebnisse zu erklären.»
Die Wissenschaft habe zudem eine wichtige Rolle in der aktuellen «Krise der Wahrheit», in der wir uns als Gesellschaft befänden. «Wenn selbst hochrangige Politiker schamlos lügen und öffentlich die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft anzweifeln, setzt uns das unter Druck.»
Das einzige Mittel dagegen sei, die Arbeit von Forschenden möglichst breit und verständlich zu erklären. Und die Wissenschaft dürfe nicht davor zurückscheuen, Geschichten mit Wendepunkten und Brüchen über ihre Forschung zu erzählen. «Mit gutem Storytelling erreicht man die Menschen – das gilt hier genauso», sagte Meckel.
Werde gut über Wissenschaft kommuniziert, so könne dies einiges auslösen. Meckel brachte als Beispiel ein Projekt einer internationalen Forschergruppe vor. Dieser war es 2019 gelungen, erstmals im Weltall ein schwarzes Loch zu fotografieren. «Medien haben aus diesem Anlass breit über ein komplexes Thema wie Astrophysik berichtet – das hat Forschungsmittel freigesetzt und Nachwuchsforscher motiviert.»
Für KI-Expertin Meckel demokratisiert KI die Wissenschaftskommunikation. Sie verwies auf die renommierte Fachzeitschrift «Nature», die KI-generierte Zusammenfassungen von wissenschaftlichen Studien auf ihrer Webseite bereitstellt. «Gleichzeitig müssen wir uns im Klaren sein, dass unser kritisches Denken und die Kontrolle von KI-Outputs zentral bleiben.» Sie nutze immer drei bis vier KI-Tools parallel, aber rein als Sparringpartner – und sie vergleiche deren Ergebnisse, wobei sie laufend auf KI-Halluzinationen stosse.
Vor Meckel hatte auch Gilles Marchand, ehemaliger Generaldirektor der SRG und heute Direktor der «Initiative Média et Philanthropie» der Universität Genf, an der ScienceComm über die zunehmende politische Polarisierung gesprochen.
In fast allen Ländern Europas werde Desinformation von einer grossen Mehrheit der Bevölkerung als Problem wahrgenommen. Dies führe zu einem allgemeinen Verlust an Vertrauen in Nachrichten. «Mittlerweile gibt es europäische Länder, in denen eine Mehrheit der Bevölkerung Nachrichten aktiv meidet.»
Mögliche Massnahmen im Kampf gegen die Polarisierung sind laut Marchand etwa ein kulturübergreifender Austausch, Fakt Checking oder die Stärkung der Medienkompetenz.
HSG-Rektor Manuel Ammann hatte die Anwesenden zur ScienceComm begrüsst. «Die Wissenschaftskommunikation leistet einen unverzichtbaren Übersetzungsdienst zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit», sagte er. Für die HSG, die in der Kommunikation weder Labore noch Roboter zeigen könne, sei dies umso wichtiger.
«Wir müssen als Wirtschaftsuniversität der Gesellschaft erklären, dass ein vertieftes Verständnis von Wirtschaft und Recht wichtig ist, um unseren Wohlstand zu erhalten und gleichzeitig Ressourcen zu schonen», so Ammann. Der HSG sei es weiter wichtig, dass sich Wissen in Engagement verwandle. «Daher unterstützen wir unsere Studierenden dabei, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen.»
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