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Campus - 04.10.2023 - 08:52 

HSG-Absolvent lanciert App für ADHS-Betroffene

ADHS ist eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen, gleichzeitig sind Unterstützungs- und Therapieplätze für Betroffene knapp. HSG-Absolvent Diego Gladig und ETHZ-Absolvent Benno Staub haben die App Gossik lanciert, die diese Lücke füllen soll. 

Sie möchten Jugendlichen helfen, die unter der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden: HSG-Absolvent Diego Gladig (30, oben rechts im Bild) und ETHZ-Absolvent Benno Staub (29) haben dafür die App «Gossik» lanciert. Ihr gleichnamiges Startup gründeten die beiden St.Galler ursprünglich mit der Idee, einen digitalen Planungsassistenten für Menschen «mit vollen Tagen» zu entwickeln, wie Gossik CEO-Staub sagt. «Wir erhielten dann von vielen Nutzenden das Feedback, die App sei insbesondere perfekt für sie, weil sie ADHS hätten.» Nach Marktanalysen und Expertengesprächen entschieden sich die beiden St.Galler im Jahr 2022 ihre App vollständig auf 10- bis 20-jährige ADHS-Betroffene auszurichten. 

Angespannte Versorgungslage für Betroffene

Von ADHS sind je nach Quelle zwischen fünf bis zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen, sie ist damit eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. «Wir gehen von rund 100'000 Jugendlichen in der Schweiz aus», sagt Gladig. Das Problem sei, dass Betreuungs- und Coachingangebote für ADHS-Betroffene knapp seien. «Therapieangebote haben aktuell Wartefristen von sechs Monaten bis zu einem Jahr», so Gladig. Auch der Bundesrat schrieb im Mai 2023 in seiner Antwort auf einen Vorstoss aus dem Nationalrat: «Die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgungssituation für Kinder und Jugendliche ist in vielen Kantonen angespannt». 

Da ein Kind mit ADHS oft die ganze Familie stark beschäftigt, sei schnelle Hilfe für Betroffene entscheidend, sagt Gladig. «Wir können hier einspringen. Unsere App wird von einer wöchentlichen 20-minütigen Coachingsession ergänzt, die eine zertifizierte ADHS-Expertin durchführt. Weil die App automatisiert Unterstützung bietet und das wöchentliche Coaching digital stattfindet, sind wir zeitlich sehr effizient und können entsprechend viele Plätze anbieten.»

Heute nutzen rund 50 Jugendliche und teils deren Eltern die App. Neben Coaching und Planung durch die App liefert die ADHS-Expertin bei Bedarf Informationen und spezialisierte Kontaktadressen zum Thema ADHS. Gossik arbeitet zudem mit Stellen wie den kantonalen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten (KJPD) zusammen, die Anfragen von Familien an das Startup weiterleiten können. Darüber hinaus baut das Startup eine ADHS-Community auf: Es vernetzt Familien und Kinder in Diskussionsgruppen in sozialen Medien wie Facebook oder Discord. 

Nutzende «an die Hand nehmen»

«Anders als viele Produktivitätsapps, die von Nutzenden eigenständige Planung und Priorisierung erfordern, wollen wir die App-Nutzenden quasi an die Hand nehmen», sagt Staub. Das sei gerade bei ADHS-Betroffenen, die Mühe haben, sich zu konzentrieren oder zu motivieren, zentral. So erstellt die App etwa proaktiv eine Terminplanung, sie schlägt Aufgaben vor und unterstützt beim Setzen von Fristen. Zudem fragt die App nach dem Befinden der Nutzer und empfiehlt basierend darauf Aufgaben oder Motivationsvorschläge. «Die App ist eigentlich ein digitaler Coach, der die Jugendlichen während des Tages begleitet und ihnen auch Tipps gibt, wie sie ihre Aufgaben einteilen können», sagt Staub.

HSG als unternehmerischer Vernetzungsort

Gossik ist in der St.Galler Startup-Szene gross geworden: 2020 wurden sie mit einem Förderpaket der Startfeld-Initiative – an der auch die HSG beteiligt ist – ausgestattet. Aktuell gehört die Beteiligungsgesellschaft Fortyone, eine Ostschweizer Investorengruppe, die Beteiligungen an diversen Tech-Startups hält, zu den Geldgebern des Startups, das aktuell fünf Mitarbeitende hat. «Wir sehen das Potential, unser Angebot auf den gesamten DACH-Raum auszuweiten», sagt Gladig. Die Unterversorgung an therapeutischen Angeboten für Kinder und Jugendliche sei über die Schweiz hinaus ein Problem. 

Gossiks Arbeit findet schweizweit Beachtung: An den Anfang September 2023 verliehenen «Top 100 Swiss Startups Awards» schafften sie es auf den 90. Platz. Der Award wird von einer 100-köpfigen Jury aus Investor:innen und Startup-Expert:innen verliehen.

Gladig hat 2017 an der HSG einen VWL-Bachelor abgeschlossen. «Das Thema Startups war damals noch nicht so präsent. Dennoch konnte ich von meinem Netzwerk profitieren, das ich an der HSG aufgebaut habe – etwa bei der Vermittlung von Kontakten zu Investoren oder allgemeinen Fragen.» So half Gladig als IT-Verantwortlicher mit, das St.Gallen Symposium zu organisieren. «Dort lernte ich diverse Mitstudierende kennen, die später Startups gründeten.» 
 

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