Forschung - 15.03.2024 - 11:00
«Der Samen des späteren wirtschaftlichen Erfolges im Erwachsenenalter wird häufig schon sehr früh in der Kindheit im familiären Umfeld gelegt», sagt Dr. Mateja Andric vom Schweizerischen Institut für KMU und Unternehmertum an der HSG (KMU-HSG). «Es ist beispielsweise bekannt, dass Kinder von Unternehmer:innen später selbst auch häufiger eine unternehmerische Laufbahn einschlagen und dass sich der elterliche Erziehungsstil auf den späteren Erfolg der Kinder als Firmengründer:inen auswirkt.» Doch welchen Einfluss elterliche Scheidungen auf die unternehmerische Karriere der Sprösslinge haben, darüber wusste man bislang noch wenig. Es blieb zu dieser Frage eher bei intuitiven Schlüssen, welche die negativen Konsequenzen von Scheidungen betonten oder aber das Gegenteil behaupteten, wie etwa in einem Forbes-Artikel, in welchem der Unternehmenserfolg von Elon Musk auf die Scheidung seiner Eltern zurückgeführt wurde.
Andric hat deshalb zusammen mit Prof. Dr. Isabella Hatak und Prof. Dr. Thomas Zellweger vom KMU-HSG sowie Prof. Dr. Josh Hsueh von der Jönköping International Business School Daten aus einer nationalen Längsschnittstudie in den USA auf diese Frage hin untersucht. Dabei konnten sie den Werdegang von 1735 Selbständigen nachvollziehen und auswerten. Die Forschenden fanden dabei heraus, dass die Scheidung der Eltern in der Kindheit langfristige Effekte auf den unternehmerischen Erfolg im Erwachsenenalter hat. Während bei einigen Kindern die negativen Konsequenzen überwiegten, konnten andere jedoch gar gestärkt aus dieser Erfahrung hervorgehen. «Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kinder, die eine elterliche Scheidung erleben, im Durchschnitt eine gesteigerte Überzeugung, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können, entwickeln», sagt Prof. Dr. Isabella Hatak. «Die elterliche Scheidung scheint die Unabhängigkeit und Reife der Kinder zu fördern, wodurch ihnen ihre gesteigerte Selbstwirksamkeit später in ihrer unternehmerischen Karriere zugutekommt.» Hatten die Autoren des Forbes-Artikels zu den Gründen von Elon Musks unternehmerischem Erfolg also recht? Nicht unbedingt, denn laut der Studie zeigen sich neben den positiven Effekten eben auch negative Konsequenzen von Scheidungen, und dies überraschenderweise vor allem bei Kindern mit privilegierten Familienhintergründen.
Kinder aus Elternhäusern mit höherem Bildungsstand verlieren durch eine Scheidung an wichtigen Ressourcen, welche sie auf ihrem wirtschaftlichen Werdegang hätten unterstützen können. So kann der finanzielle Wohlstand, den sich das elterliche Paar zuvor gemeinsam leisten konnte, nach der Scheidung durch den sorgeberechtigten Elternteil oft nicht mehr in gleichem Masse aufrechterhalten werden. In solchen Fällen stehen dann weniger finanzielle Mittel für bildungsfördernde Aktivitäten wie Nachhilfe und Hobbies zur Verfügung. Auch die elterliche Unterstützung und Aufsicht des Kindes beim Lernen kann erschwert werden, wenn das sorgeberechtigte Elternteil infolge der Scheidung das Arbeitspensum erhöhen muss. «Eine elterliche Scheidung kann dazu führen, dass diese Kinder ihre Privilegien verlieren und sie somit in die gleiche eingeschränkte Situation bringen, wie es weniger privilegierte Kinder oft auch ohne elterliche Scheidung erleben», sagt Mateja Andric. Auf die Frage, ob sich eine Scheidung nun eher positiv oder negativ auf die unternehmerische Karriere des Kindes auswirkt, kommen die Forschenden zusammenfassend zum Schluss: Es hängt davon ab, wie gebildet die Eltern sind. Während Nachteile für Personen mit hochgebildeten Eltern überwiegen, dominieren bei Personen mit weniger gebildeten Eltern eher die Vorteile.
«Unsere Studie legt allgemein nahe, dass der Erfolg im Unternehmertum eine Frage privilegierter Ausstattungen ist, da Kinder mit hochgebildeten Eltern tendenziell bessere Chancen haben, später im Unternehmertum erfolgreich zu sein», sagt Prof. Dr. Thomas Zellweger. Staatliche Programme, die darauf abzielen, das Unternhmer:innen zu fördern, sollten daher Personen aus benachteiligten Familienhintergründen unterstützen, unabhängig davon, ob die Nachteile durch eine elterliche Scheidung verursacht wurden oder bereits zuvor bestanden haben. Und die Eltern, wie sollten sie sich bei einer Scheidung verhalten, um den unternehmerischen Erfolg ihres Kindes möglichst nicht zu gefährden? Dazu Mateja Andric: «Sie sollten proaktiv in die Bildung des Kindes investieren, während sie gleichzeitig darauf achten, es nach der Scheidung nicht zu stark zu behüten. Dies ermöglicht es dem Kind, die herausfordernde Zeit nach der Scheidung als Chance zu nutzen, um grössere Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu entwickeln, was seine Chancen auf späteren Erfolg im Unternehmertum erhöht.»
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