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Forschung - 26.03.2024 - 09:24 

HSG-Forscher verfolgen die Vision von nachhaltiger Mobilität

Mobilität soll nachhaltig sein, ohne dass sie dafür eingeschränkt werden muss: An dieser Vision arbeiten Forschende im HSG-Institut für Mobilität. Sie forschen dabei interdisziplinär und setzten mit Verkehrsbetrieben, Unternehmen und Städten konkrete Projekte um.
Die Forscher Philip Scharfenberger und Andreas Herrmann vom Institut für Mobilität an der Universität St.Gallen

 

Als die Stadt Paris Anfang Februar 2024 bekanntgab, die Parkgebühren für SUVs zu verdreifachen, sagte der HSG-Mobilitätsexperte Andreas Herrmann (im Bild oben rechts) zu Radio SRF: «Paris will zur Modellstadt für die Mobilität der Zukunft werden.» Herrmann hat seinen Fokus als Forscher seit einigen Jahren voll auf diese neue Mobilität ausgerichtet. Als Marketingexperte hatte er zuvor diverse Projekte mit Autoherstellern umgesetzt. «Ich habe dabei mit der Zeit erkannt, dass unsere heutige Art der Mobilität – vor allem jene mit dem Auto – weiterentwickelt werden muss.» Er zitiert eine Statistik: Heute sitzen im Pendelverkehr im Schnitt 1,1 Personen in einem Auto. «Stellen Sie sich vor, wenn man diese Auslastung verdoppeln könnte – welchen Raum das in den Städten freispielen würde!», sagt er mit leuchtenden Augen. Ihn treibe an, wie Mobilität nachhaltig werden kann, ohne dass man sie dafür einschränken muss. 

Ökologische und soziale Aspekte im Blick

Mobilität hat eine technische Seite, gleichzeitig ermöglicht sie Wohlstand, Beziehungen und Freiheit. «Wir forschen in einem Spannungsfeld, in dem beispielsweise Velofans und Autoliebhaber miteinander streiten», sagt Herrmann. Was es aber brauche, sei ein ganzheitliches Denken, das alle Verkehrsträger einbezieht. Um dieses Denken und den Austausch mit der Praxis zu fördern, gründete Herrmann 2021 mit HSG-Marketingprofessor Torsten Tomczak und HSG-Dozent Philipp Scharfenberger  (im Bild oben links) das Institut für Mobilität (HSG-IMO).  

Scharfenberger, Vize-Direktor des IMO-HSG, erzählt im Gespräch, er sei über das Wochenende von St.Gallen nach Vaduz gewandert. Rund 50 Kilometer sind das, vorbei am Alpstein und durch das St.Galler Rheintal. Scharfenberger sagt dazu lachend: «Das Gehen ist definitiv eine meiner favorisierten Mobilitätsformen». Die Institutsgründung habe es ihm und dem Team ermöglicht, «sich noch stärker in wichtige aktuelle gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen einzubringen.» 

Veloverkehr und Mikromobilität in St.Gallen verbessern

Das IMO-Team setzt dafür auf internationale und regionale Themen: Im Projekt «Multimodal vernetzt» erprobt es, wie in der Region St.Gallen der öffentliche Verkehr und Mikromobilität (E-Scooters und E-Bikes im Sharingmodell) besser vernetzt werden können. Neben den SBB und Ostwind sind die Stadt St.Gallen und das Agglomerationsprogramm St.Gallen-Bodensee sowie der Scooter- und Bikevermieter TIER beteiligt. Konkret sollen in der Region St.Gallen zusätzliche Hubs für TIER-Scooter und -Bikes eingerichtet werden. Nutzende sollen zudem spezielle Angebote für eine kombinierte Verwendung von ÖV und TIER buchen können. «Wir werden im Herbst 2024 auswerten, wie sich diese Angebote auf die Nutzerzahlen auswirken», sagt Matthias Brüning, der das Projekt als Doktorand begleitet. Dass er für seine Doktorarbeit mit Praxispartnern zusammenarbeiten kann und danach konkrete Resultate sichtbar sein werden, sei für ihn ein wichtiger Grund gewesen, sich für ein Doktorat am IMO-HSG zu entscheiden. 

Auch Doktorandin Luisa Stöhr sagt: «Wir bauen uns während der Dissertation ein Netzwerk inner- und ausserhalb der Universität auf und machen wertvolle Erfahrungen im Management von Projekten.» Sie forscht im Rahmen des vom IMO-HSG initiierten «Future Mobility Lab». In diesem setzen Unternehmen wie VW, die SBB, die Deutsche Bahn, Amag oder der Carsharing-Anbieter Mobility gemeinsam mit dem IMO-HSG Studien um. 2023 begleiteten sie gemeinsam 20 Haushalte über vier Monate bei der Umstellung auf ein nachhaltigeres Verkehrsverhalten. 2024 werden Unternehmen aus diversen Branchen begleitet, die die Mobilität der Mitarbeitenden nachhaltiger gestalten wollen. Doktorandin Tamara Wisser forscht am IMO-HSG darüber, wie Modellregionen gestaltet werden können, um darin erfolgreich Mobilitätsinnovationen zu erproben und entwickeln. Solche Regionen zeichnen sich durch eine enge Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure und durch das Streben nach gesellschaftlichen (statt rein technischen) Zielen aus.

2024 soll die Arbeit des IMO-HSG in der Stadt St.Gallen auch konkret sichtbar werden: Gemeinsam mit der Stadtverwaltung analysieren die HSG-Forschenden die Veloinfrastruktur in St.Gallen und erarbeiten diverse Massnahmen zu deren Verbesserung.

30'000 autonome Fahrzeuge als «Gamechanger»

Das IMO-HSG arbeitet für seine diversen Projekte mit Bahngesellschaften, Verkehrsbetrieben, mit Autoherstellern, mit Städten, Sozialverbänden und Universitäten weltweit zusammen. «Diese Vielfalt der Perspektiven auf Mobilität macht unsere Arbeit so interessant», sagt Scharfenberger. Die HSG-Institutsform als interdisziplinäres und unternehmerisches Gebilde mache es möglich, Ideen mit verschiedensten Praxispartnern wirkungsvoll umzusetzen. 

«Gäbe es die Institute nicht, so wäre die HSG nur eine von vielen kleinen Universitäten», sagt auch Mobilitätsforscher und HSG-Professor Herrmann. Institute wie das IMO-HSG tragen mit Weiterbildungsangeboten sowie Beratung und Forschung für Externe stark dazu bei, dass die HSG zu rund 50 Prozent eigenfinanziert ist. «Als Forschende in Instituten motiviert uns das auch, unsere Forschung an praktischen Fragen auszurichten und gesellschaftlich relevante Themen zu bearbeiten», sagt Herrmann. «Viele Forschende entscheiden sich auch wegen der Freiheit in der Themensetzung, die die Institute ermöglichen, an die HSG zu kommen.»

Man spürt – Mobilität hat auch für die Forschenden eine emotionale Bedeutung. Welche Entwicklungen finden sie derzeit besonders aufregend? Ihn fasziniert vor allem die Verbindung von IT und Mobilität, sagt Scharfenberger. «Ich denke, leistungsstarke Apps, die relevante Verkehrsmittel auf eine anwenderfreundliche und vielseitige Weise miteinander verbinden – das ist ein wichtiges Entwicklungsfeld und da ist noch viel Raum für Innovationen». Herrmann ergänzt: «Oslo hat angekündigt, dass bis 2030 eine Flotte von 30'000 selbstfahrenden Fahrzeugen in der Innenstadt unterwegs sein wird. Diese sollen private Autos weitgehend ersetzen – das wäre ein echter Gamechanger.»

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