Campus - 16.06.2023 - 13:42
Nicholas Hänny (oben im Bild) mag Bäume: Über zwei Millionen davon hat sein Mode-Startup Nikin bisher in der ganzen Welt gepflanzt – einen für jedes verkaufte Kleidungsstück. Aktuell umarmt er zudem auf einem schweizweit zu sehenden Werbeplakat innig einen Baum. Das Plakat ist als Meme gestaltet und porträtiert Hänny selbstironisch. Doch seine Liebe zur Natur ist echt, wie er betont. «Mein Mitgründer Robin Gnehm und ich waren beide langjährige Pfadfinder. Das hat unsere Beziehung zum Wald und zur Natur früh geprägt.» Und weil Hänny als HSG-Bachelorstudent einst einige hundert selbst gestaltete Turnbeutel verkauft hatte, war klar, dass Nikin mit Textil arbeiten wollte.
Nikin gründeten die beiden heute 31-Jährigen im Jahr 2016 mit gerade mal 5000 Franken Startkapital. «Damals wurde Nachhaltigkeit in der Modeindustrie eher belächelt. Viele haben mir zudem abgeraten und meinten, ich solle zuerst einen ‘richtigen’ Job suchen», erinnert sich Hänny, der 2018 an der HSG einen CEMS-Master in International Management abgeschlossen hat.
Mittlerweile hat das Startup rund 50 Mitarbeitende und durchbrach 2020 mit seinen nachhaltigen Kleidern und Accessoires erstmals die Grenze von 10 Millionen Franken Umsatz. Möglich machte den Aufstieg mit wenig Mitteleinsatz gezieltes Marketing auf Social Media. «So wurden wir bei den richtigen Personen sichtbar und durch die ersten Einnahmen konnten wir wieder neue Werbung finanzieren», sagt Hänny.
Externe Gelder – ein Darlehen der Aargauer Kantonalbank - nahm Nikin 2021 zum ersten Mal in Anspruch. Ende 2022 führte das Startup dann ein Crowdinvesting durch und hat heute insgesamt über 4000 Kleinaktionär:innen Mit diesem Vorgehen konnte Nikin das Kapital um fünf Millionen erhöhen.
Der Hintergrund der Aktion: Nikin möchte wachsen und neben den Kernmärkten Schweiz und Deutschland das restliche Europa erschliessen. «Natürlich wollen wir profitabel arbeiten, gleichzeitig sind wir nicht rein profitorientiert, sondern haben Nachhaltigkeit als Vision, die wir langfristig verfolgen wollen. Da passt diese Community, die uns trägt, besser zu uns als klassische Investor:innen», sagt Hänny.
Ein oft unkonventionelles Vorgehen prägt Nikins Geschichte. «Wir kamen als totale Neulinge in die Modeindustrie», sagt Hänny. Vieles hätten sie erst während der Arbeit gelernt – «und wir sahen rasch, dass es für echte Nachhaltigkeit in der Modeindustrie Anstrengungen auf diversen Ebenen braucht». Ab 2018 widmeten sich die Gründer darum Vollzeit ihrem Unternehmen.
Nikin pflanzt unter anderem eben Bäume, produziert fast ausschliesslich in Europa, lässt seine Baumwolle durch den Global Organic Textile Standard (GOTS) zertifizieren, spendet oder recycelt unverkaufte Kleider, verzichtet von Beginn an auf Plastik, ist vegan und experimentiert mit nachhaltigen Geweben. So setzt Nikin beispielsweise die nachhaltige Synthetikfaser Polylana als Alternative zu Acryl ein und hat kürzlich ein zu 100 Prozent kompostierbares T-Shirt aus dem Material NaNea des Schweizer Startups Ocean Safe lanciert.
Trotzdem sagt Hänny: «Es ist auch unter Mode-Startup-Gründer:innen umstritten, ob die Modeindustrie überhaupt wirklich nachhaltig sein kann. Wir wollen uns jedenfalls in diesem Bereich weiter verbessern.» Er erwarte in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen Durchbruch im Bereich der zirkulären Textilien – also Gewebe, die theoretisch unendlich wiederverwertet werden können. «Wenn diese in industrieller Grösse einsetzbar werden, wird das die Branche grundlegend verändern.»
Neben seiner Arbeit als Nikin-CEO coacht Hänny andere Startup-Gründer:innen – in jährlich rund 100 Gratiscalls à 15 Minuten. «Natürlich weiss ich auch nicht auf alle Fragen eine Antwort. Aber viele brauchen einfach einen Motivationskick oder schnell umsetzbare Tipps, um anzufangen.» Er spüre in der Schweiz eine grosse Zurückhaltung, eigene Ideen auszuprobieren und auch das Scheitern zu wagen. «Ich möchte mit meinem kleinen Beitrag versuchen, diese Kultur zu ändern.»
Ihn selbst habe unter anderem die Kultur an der HSG zum Gründen ermutigt. «Ich hatte schon im Bachelorstudium Mitstudierende, die kleine Geschäftsideen umsetzten. Das hat mich angespornt ebenfalls meine Vision zu verwirklichen.» An der HSG habe er diverse Kurse zu Unternehmertum absolviert, doch als prägend bezeichnet er auch das Umfeld: «Es gibt unglaublich viele studentische Vereine, dann beispielsweise die Gründer:innenkonferenz Start Summit und viele weitere Anlässe, an denen man sich mit erfahrenen Unternehmer:innen vernetzen kann.»
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