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Leute - 21.03.2024 - 15:00 

Biss für Biss den Fleischkonsum verändern: Pascal Bieri von Planted wird HSG-Gründer des Jahres 2024

Der Unternehmer Pascal Bieri wurde am diesjährigen Gründergipfel START Summit mit seiner Firma Planted zum «HSG-Gründer des Jahres 2024» gekürt. Mit seinem Team will er die Art und Weise, wie Fleisch produziert, wahrgenommen und konsumiert wird, grundlegend verändern und einen Wechsel vom Verzehr tierischer zu dem pflanzlicher Proteine anregen.

Pascal Bieri ist einer von vier Gründern von Planted und Mitglied der Geschäftsleitung. Er ist in Sursee aufgewachsen, hat an der Universität St.Gallen Betriebswirtschaft studiert und einen M.A. in Business Innovation erworben. Nach fünf Jahren bei der Migros-Industrie in verschiedenen Positionen, darunter drei Jahren in den USA, gründete er im Jahr 2019 zusammen mit drei Mitgründern das ETH Foodtech Spin-off Planted. Planted ist mittlerweile das am schnellsten wachsende Startup-Unternehmen im Bereich der alternativen Proteine in Europa. Pascal Bieri ist für die Bereiche Sales sowie International Business Development zuständig. Die Firma hat bereits über 115 Millionen CHF von Investor:innen eingesammelt. Was beschäftigt ihn derzeit? Wir haben am START Summit in St.Gallen mit Pascal Bieri gesprochen.

Pascal, du wurdest heute mit deinem Unternehmen Planted als HSG-Gründer des Jahres 2024 ausgezeichnet, herzlichen Glückwunsch! Auch Torhüter Yann Sommer ist als Investor von Eurer Mission, die Fleischindustrie zu verändern, überzeugt. Was bedeutet Dir das Unternehmen Planted?  

Die unternehmerische Freiheit, etwas zu verändern ohne Zwang, bedeutet mir als Mensch und Gründer sehr viel. Als Flexitarier und Unternehmer ist es mir wichtig, niemanden dazu zu zwingen, seine Essgewohnheiten zu verändern, aber eine vollwertige, ja bessere, Option auf Pflanzenbasis zu bieten. Wenn ich zurückblicke, habe ich den Eindruck, dass vor der Firmengründung unfassbar viel Raum in meinem Leben war – der ist jetzt besetzt, aber sehr positiv, von dieser Mission, dem Team und unseren Partnern, die mich täglich antreiben. Mit der Zeit verschmelzen Business und Leben, denke ich. Du gründest und das, was Du gründest, prägt Dich als Person. Mich macht es froh, zu wissen: Ich kann effektiv dazu beitragen, dass weniger Tiere auf dem Teller landen. Und dass dieses Essen schlussendlich besser ist, und viel Spass macht, beim Kauf, der Zubereitung und beim Verzehr.

Planted produziert in der Fabrik in Kemptthal pro Stunde über eine Tonne pflanzliches Fleisch. Mehr als ein Drittel des Budgets fliesst in Forschung und Entwicklung. Welches sind derzeit die grössten Herausforderungen für ein Unternehmen im Foodtech-Bereich? 

Die Skalierung der neuen Fermentationsplattform. Sprich: Wie können wir die Produktion beschleunigen, ohne dabei Qualität einzubüssen? Wie können wir irgendwann doppelt so viel unseres pflanzlichen Fleisches in einem Tag herstellen? Welche Anpassungen muss man vornehmen, damit die Fertigung auch in einem so hohen Takt optimal läuft? Und wie bringen wir diese Produkte optimal mit Partnern auf die Teller unserer Konsumierenden. Das sind Fragen, die uns aktuell beschäftigen. Die Fermentationsmethode spielt hier eine grosse Rolle, das ist ein Herzstück des Betriebs. Unser neu lanciertes Steak beispielsweise hat ein Team von 65 Fachleuten über eine lange Zeit hinweg getestet und entwickelt.

Ein Blick zurück: Die Finanzierung ist für viele Startups eine grosse Herausforderung. Wie habt ihr als Team die Hindernisse gemeistert und in Krisen Zweifel überwunden?

Wir wussten, dass wir in diesem riesigen Proteinmarkt Produkte herstellen müssen, die reissenden Absatz finden. Zugleich sind wir, was den Businesscase angeht, recht ergebnisoffen in die Gründungsphase gestartet. Wir wollten einfach richtig gute Produkte machen. Wir sind dabei oft hart am Wind gesegelt, was den Cashflow betraf – manche Investition kam genau zur richtigen Zeit, sonst wären wir vielleicht auch gescheitert. Ich war aber immer überzeugt davon, dass unsere Vision, Pflanzen statt Tiere zu verzehren, sinnvoll war – und werde daher nicht müde, sie zu vertreten.

Du hast Innovationsmanagement in St.Gallen studiert. Hat Dich das Thema Ernährung auch schon während des Studiums an der HSG beschäftigt?

Nein, ehrlich gesagt war ich damals noch nicht sonderlich ernährungsinteressiert. Ich bin erst so richtig bei der Arbeit für die Migros in den USA für Ernährung sensibilisiert worden. Ein Schlüsselerlebnis war die Lektüre eines Hefts, in dem Zukunftsforscher:innen erzählten, wie die Welt in 100 Jahren aussehen könnte. Eine Idee lautete: Wir können uns nicht mehr vorstellen, wie wir zu unserer Zeit Tiere grossziehen, nur um sie nachher zu schlachten und zu verzehren – für strukturierte Proteine. Wir achten sie zu sehr als Lebewesen und brauchen diesen ineffizienten Prozess der Massentierhaltung nicht mehr. Ich musste an den gemeinsamen Grossvater meines Cousins und Co-Founders Lukas Böni denken, der am Sempacher See ganz traditionell als Bauer eine Landwirtschaft betrieb. Er hatte ja noch erlebt, wie man von Pferden auf Autos umstieg – und in seiner Jugend schien diese Mobilitätsform vielleicht noch nicht vorstellbar für die Masse der Verkehrsteilnehmer. Weshalb also sollte die Idee des Zukunftsforschers nur eine Utopie sein? Das war die Initialzündung für mich, in den Proteinmarkt einzusteigen mit neuen, auf natürlichen Zutaten basierenden Produkten.

Inwiefern hat das Studium an der HSG dazu beigetragen, dass du heute dort stehst, wo du gerade bist? 

In St.Gallen habe ich so viele Leute auf dem Campus getroffen, die mir Mut gemacht haben, Dinge zu verändern und einfach auch mal auszuprobieren. Der «unternehmerische Spirit» und die Lust der Studierenden, etwas bewegen zu wollen, hat mich auch begeistert. START Summit ist ja ein gutes Beispiel für dieses Engagement. Als Student habe ich auch die fachliche Breite und den internationalen Austausch an den Unis von Québec und Buenos Aires geschätzt. Und dass man nicht nur stur BWL lernt, sondern sich in vielen Vereinen einbringen oder Kurse in Literatur und Philosophie besuchen kann. An die HSG bin ich unter anderem auf Empfehlung von Marcel Erni, einer der Gründer der Partnersgroup, gegangen, was ich nie bereut habe.

Welcher Rat war für Dich wertvoll bei der Gründung? Und was empfiehlst Du jungen Talenten, wenn Du selbst um Rat gefragt wirst?

Dem Kunden zuhören, denn wir können unsere Produkte nur durch tiefes Verständnis der Konsument:innen kreieren, respektive verbessern. Produktrennovationen bei Planted finden dadurch immer wieder statt; unser Planted-Schnitzel beispielsweise ist schon bei Verbesserungsrunde drei. Abgesehen davon hat es mir immer geholfen, eine These in den Raum zu stellen, und diese dann in der Praxis zu testen. Unternehmerisch evidenzbasiert zu arbeiten, wenn man so will – das liegt mir persönlich auch mehr, als mich jahrelang über Studien zu beugen und Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, ob ein Produkt Erfolg haben könnte, oder nicht. Lieber am Markt ausprobieren, Feedback implementieren, Produkt oder Proposition anpassen, weitermachen.

Welche Pläne hast Du für Planted?

Tiere auf unseren Tellern durch Pflanzen zu ersetzen. Wir wollen wachsen und durch tolle Produkte immer mehr Leute erreichen, ihnen bessere Alternativen zu tierischem Fleisch bieten. Das geniale ist doch, dass wir mit sinnvollen und ganzheitlich guten Produkten, die unseren Konsument:innen grosse Freude bereiten und ökologisch, ethisch sowie wirtschaftlich Sinn machen, ohne Zwang anzuwenden, unseren Planeten schonen – Biss für Biss. 

Könntest Du Dir auch ein Joint Venture mit dem Biopionier Raffael Wohlgensinger vorstellen? Er wurde mit seinem Startup Formo zum HSG-Gründer des Jahres 2022 gekürt. Seine Firma stellt Milchprodukte ohne Milch von Kühen, Schafen und Ziegen mithilfe von Mikroorganismen her. Können wir irgendwann St.Galler Bratwurst von Planted und Cordon Bleu von Formo & Planted essen?

Ein St.Galler Cordon Bleu, das wäre was – ich bin immer bereit für neue kulinarische Wege! Ich denke generell, dass verschiedene biotechnologische Produktionsverfahren – zum Teil neu kombiniert oder neu gedacht – uns in Zukunft bessere, nachhaltigere, preislich interessantere und schmackhaftere Produkte bieten werden. 

Planted wurde 2019 gegründet, nachdem Pascal Bieri 2017 in den USA arbeitete und auf verschiedene Fleischersatzprodukte aufmerksam wurde, sich aber an den vielen Zusatzstoffen störte. Er holte seinen Cousin Lukas Böni mit ins Boot, der gerade dabei war, seinen Doktor in Lebensmittelverfahrenstechnik zu absolvieren. Über einen Professor der ETH Zürich kamen die beiden mit dem ETH-Doktoranden Eric Stirnemann zusammen, der sich besonders gut mit dem Nassextrusionsverfahren auskannte. Komplettiert wurde das Team durch Christoph Jenny, einen Finanzexperten, der zu diesem Zeitpunkt bereits viel Erfahrung in der Gastronomie gesammelt hatte. Judith Wemmer trat dem Executive Board von Planted als Spätgründerin 2020 bei. Die Produkte von Planted sollen vom Geschmack über die Textur bis hin zum Proteingehalt so nah wie möglich am tierischen Original sein. «Wenn wir pflanzlich essen, dann wollen wir auch so essen, wie wir es kulturell gewohnt sind und wie es uns schmeckt – eben ganz ohne Verzicht und mit viel Spass», sagte Bieri in einem Gespräch mit der NZZ.

Last, but not least: Der «Top 100 Swiss Startup Award 2023» hat am 6. September 2023 mehrere Gründungen von HSG-Alumni ausgezeichnet. Die Foodtech-Firma Planted sowie die Fintech-Firma Yokoy belegen auf der Liste die Plätze 2 und 3. Melanie Gabriel von Yokoy wurde am START Summit 2023 zur «HSG-Gründerin des Jahres 2023» gewählt. Beide Startups tragen das offizielle HSG-Spin-Off-Label, das mittlerweile an 174 Startups verliehen wurde.

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