Forschung - 17.04.2024 - 14:00
Die ersten vollelektrischen Fahrzeuge wurden bereits in den 1880er Jahren entwickelt. Doch vor dem Markteintritt von Tesla waren vollelektrische Autos, sogenannte Battery Electric Vehicle (BEV), nie mehr als ein Nischenprodukt. Die Modelle vor etwa 2010 zeichneten sich meist durch ein schlechtes Design sowie eine begrenzte Reichweite und Geschwindigkeit aus. Teslas Modell S hat das komplett verändert. Eine Gruppe von Forschern der Universität St.Gallen (HSG), der ETH Zürich und der Stanford University hat die Faktoren hinter dem Erfolg von Tesla untersucht. Zu diesem Zweck führten sie eine umfangreiche Literaturrecherche sowie 54 halbstrukturierte Interviews mit Fachleuten aus 32 Organisationen durch. Die Studie wurde kürzlich im Journal of Product Innovation Management (Open Access) veröffentlicht.
Auf der Grundlage ihrer Untersuchungen haben Maximilian Palmié und seine Mitautoren drei wesentliche Erfolgsfaktoren ermittelt, die die ersten Modelle von Tesla für die Verbraucher so attraktiv machten: Erstens setzte Tesla auf diskontinuierliche technologische Lösungen, anstatt auf traditionelle Technologien. Während die meisten Autohersteller auf Hybridlösungen setzten, ging Tesla den Weg der Vollelektrifizierung. Zudem führten sie neue Funktionen ein wie einen grossen Touchscreen, einen Autopiloten oder drahtlose Software-Updates, die über das Thema Nachhaltigkeit hinausgingen und eine starke Zukunftsorientierung signalisierten. Zweitens optimierten sie ihre Produkte nach traditionellen Bewertungskriterien (z.B. Fahrleistung, Komfort, Platzangebot). In einem der Interviews fasste der Direktor eines Industrieverbandes dies so zusammen: «Jeder, der ein Elektrofahrzeug kauft, sagt mir in erster Linie, dass es Spass macht, damit herumzufahren. Ein Autokauf wird selten von der Vernunft getrieben.» Drittens hat Tesla ein Ökosystem ergänzender Produkte wie Supercharger geschaffen, was die Akzeptanz seiner Modelle und die Verbreitung von BEVs im Allgemeinen gefördert hat. Tesla hat auch Solarenergie mitvermarktet und damit sein Engagement für eine nachhaltige Zukunft demonstriert.
Wäre Nachhaltigkeit die erste Sorge von Elon Musk und seinen Führungskräften, sähen die Autos von Tesla sicher ganz anders aus. Zudem hätten sie nicht 500 oder mehr Pferdestärken. Tatsächlich fielen viele Designentscheidungen auf Kosten des ökologischen Fussabdrucks und zugunsten eines ansprechenden Fahrerlebnisses. Um möglichen Vorwürfen des «Greenwashing» zu begegnen, betonte Tesla die zukunftsweisenden Aspekte seiner Technologie sowie die langfristige Vision einer nachhaltigen Mobilität im Allgemeinen. Indem Tesla die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Zukunft lenkte, konnte das Unternehmen die Bedeutung gegenwärtiger Defizite herunterspielen. Selbst als Probleme auftraten, wie im Fall des Bremssystems des Model 3, gelang es Tesla, sein Narrativ zu pflegen. Während andere Hersteller gezwungen gewesen wären, eine aufwändige Rückrufaktion zu starten, konnte Tesla das Problem mit einem elektronischen Update beheben, das die Kunden selbst durchführen konnten, ohne eine Werkstatt aufzusuchen. Auf diese Weise verwandelte Tesla eine potenzielle Reputationskrise in eine Demonstration seiner Agilität und Kundenzentrierung. Schliesslich trug ein starkes Engagement mit zahlreichen Touchpoints dazu bei, die positive Wahrnehmung bei den Kundinnen und Kunden zu verstärken und einen Puffer gegen Kritik zu schaffen.
«Es ist schwierig, den Ansatz von Tesla ethisch zu beurteilen», sagt der Hauptautor Maximilian Palmié. «Die Fahrzeuge von Tesla waren viel umweltschädlicher als frühere Elektroautos. Sie sind vielleicht nicht einmal umweltfreundlicher als heutige Verbrennungsmotoren. Sollte man Tesla deshalb Greenwashing vorwerfen? Nicht unbedingt. Kaum jemand bestreitet, dass Elektrofahrzeuge ein entscheidender Baustein für eine nachhaltigere Mobilität sind, und die Methoden von Tesla haben eine neue Nachfrage danach erzeugt.» Im Grunde genommen dient Teslas Weg als überzeugende Fallstudie. Sie zeigt, wie innovatives Produktdesign, eingebettet in ein komplementäres Ökosystem und gekoppelt mit strategischem Reputationsmanagement, Marktskepsis überwinden und die breite Akzeptanz neuer Technologien fördern kann. Es bleibt jedoch unklar, ob andere Unternehmen diese Strategie ebenso erfolgreich anwenden können, wenn sie keinen extrovertierten CEO wie Elon Musk haben, der ein Millionenpublikum erreicht, darunter viele, die ihn für einen grossen Visionär oder gar ein Genie halten. Auch bleibt abzuwarten, wie sich die aktuellen wirtschaftlichen Probleme von Tesla auf das Unternehmen und die E-Mobilität insgesamt auswirken werden.
Bild: Unsplash / Jonas Leupe
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