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Campus - 19.07.2023 - 08:26 

HSG Spin-off Decentriq: «Wir sind die Schweiz der Daten»

Das HSG Spin-off Decentriq macht es möglich, dass Organisationen sensible Daten etwa im Bereich Cybersecurity oder Gesundheit verschlüsselt kombinieren können. Das eröffnet neue Analysen und Erkenntnisse. Mittlerweile setzen etwa die Schweizerische Nationalbank, Roche oder der Medienkonzern TX Group auf die Decentriq Plattform.

«Ich sage potenziellen Kunden und Investoren gerne: Wir sind die Schweiz der Daten. Ein neutraler Ort, an dem sensible Daten in einem sicheren Rahmen  verschlüsselt kombiniert und analysiert werden können», sagt Maximilian Groth, CEO des HSG Spin-Offs Decentriq. Der 37-Jährige gründete das Startup 2019 mit dem ETH-Absolventen Stefan Deml (im Hauptbild oben links, Groth rechts). Decentriqs Datenkollaborationsplattform stellt sogenannte «Data Clean Rooms» zur Verfügung. Darin können Organisationen verschlüsselte Datensätze hochladen und dabei genau definieren, wie die Daten nutzbar sein sollen und welche Analyseergebnisse geteilt werden dürfen. Dabei bleiben die Datensätze während des gesamten Vorgangs verschlüsselt und für alle anderen Teilnehmer einschliesslich Decentriq unsichtbar. Folglich bleibt die vollen Kontrollen beim jeweiligen Datenbesitzer. 

«Wollten Organisationen bisher Daten für gemeinsame Projekte kombinieren, so waren oft die Einhaltung des Datenschutzes, rechtliche Hürden oder fehlendes gegenseitiges Vertrauen das Problem», sagt Groth. Es sei zwar partiell möglich gewesen, komplett anonymisierte Daten zu kombinieren, «dabei wird der Aussagewert der Daten aber stark geschwächt», sagt Groth. 

Die sichere Nutzung verschlüsselter Datensätze mache neue Datenkombinationen und damit neue Fragestellungen möglich. Hinzu kommt, dass die Fortschritte der letzten Jahre im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) die Analyse sehr grosser und komplexer Datensätze vereinfachen. 

Banken tauschen sich zu Phishing-Attacken aus

Auch der Bund setzt für die Stärkung der Cybersecurity auf Decentriq-. In einem vom Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) geleiteten Projekt kombinierten die Schweizerische Nationalbank, die Zürcher Kantonalbank sowie der Börsendienstleister SIX hochsensible Daten zu Phishing-Attacken miteinander – also zu Cyberangriffen über E-Mails. 

So konnten die drei Finanzinstitute Bedrohungen über die Grenzen ihrer jeweiligen Organisationen hinweg erkennen und ihre Abwehrstrategien vergleichen. «Das erfolgreiche Pilotprojekt hat gezeigt, dass durch die neutrale und geschützte Instanz der ‘Data Clean Rooms’ nützliche Erkenntnisse über Cyberbedrohungen gewonnen werden können, ohne dass sensible Daten zwischen Organisationen ausgetauscht werden müssen», schrieb der Bund dazu diesen Frühling in einer Medienmitteilung. 

Sicher auf Patientendaten zugreifen

Auch im Gesundheitswesen kommt die Decentriq Plattform zum Einsatz, wie etwa beim Pharmaunternehmen Roche. Dieses ist für die Testung neuer Biomarker (also messbare Parameter, die eine Aussage z.B. über den Gesundheitszustand einer Person machen) auf Daten von externen Gesundheitsdienstleistern wie Kliniken und Spitälern angewiesen. Bislang konnte Roche diese extern gesammelten Daten wegen des Datenschutzes oft nur sehr umständlich auswerten. Es musste diese Aufgabe den Gesundheitsdienstleistern überlassen, die dafür oft zu wenige Ressourcen haben. Über einen Data Clean Room kann Roche nun auf Basis dieser Daten wichtige Forschung betreiben, während die Identität der Patient:innen nicht offengelegt wird. 

Diesen Mai hat Decentriq zudem eine Innosuisse-Förderung von 2,2 Millionen Franken erhalten. Damit soll eine Plattform entwickelt werden, die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen mit sensiblen Patientendaten erleichtern soll. Hintergrund sind die Anforderungen der EU, die ab 2025 verstärkt sogenannte Real World Evidence (RWE)-Daten bei der Zulassung von Arzneimitteln einbeziehen will. Dafür müssen Gesundheitsdienstleister, Pharmaunternehmen und Forschende verstärkt miteinander kooperieren und sensible Daten gemeinsam analysieren. 

HSG als Referenz bei Investoren

Ein Schwerpunkt von Decentriq ist auch Online-Werbung. «Hier steht mit der nun auch von Google angekündigten Abschaffung von Third Party Cookies im Laufe von 2024 ein grosser Einschnitt an, der uns eine Chance bietet», sagt Groth. 

Third Party Cookies sind Tracking-Programme, mit denen Webseitenbesucher markiert und ihr Verhalten gespeichert wird. Das gibt Werbetreibenden, die diese Cookies einsetzen, Informationen, wem welche Werbung angezeigt werden soll. «Online-Werbung bedeutet damit heute eine grossangelegte Sammlung von Personendaten, was aus Sicht der Privatsphäre heikel ist», sagt Groth. Künftig müssten Webseitenbetreiber und Werbetreibende ihre Daten kombinieren können, um in einer cookie-freien Webwelt gezielt Werbung schalten zu können. Decentriq hat dafür sogenannte «Media Clean Rooms» entwickelt. Darauf setzt etwa das Werbeunternehmen Goldbach, das zum Schweizer Medienkonzern TX Group gehört. 

Groth hat an der HSG studiert und mit dem Master in Accounting and Finance abgeschlossen. «Die Grundausbildung im Bachelor war sehr breit. So weiss ich heute in vielen Businessbereichen zumindest ansatzweise Bescheid, was für mich als CEO wichtig ist.» Die HSG sei für ihn persönlich im Gespräch mit möglichen Investor:innen zudem regelmässig eine gute Referenz, sagt Groth, der zudem Gründer des «HSG Alumni Tech Club» ist. Dieser vernetzt HSG-Alumni, die im Technologiebereich arbeiten. 

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