Meinungen - 30.03.2020 - 00:00
30. März 2020. In der letzten Woche war Ihr E-Mail-Postfach wahrscheinlich randvoll mit Nachrichten von zahlreichen Unternehmen, die Sie darüber informieren wollten, wie sie mit dem Ausbruch von Covid-19, des Coronavirus, umgehen.
Die meisten dieser Nachrichten enthielten vermutlich die Worte: «Bleiben Sie zu Hause und bleiben Sie gesund». Nur die wenigsten Unternehmen dürften Ihnen allerdings mitgeteilt haben, welchen praktischen Beitrag sie zur Bewältigung der Krise leisten. Deshalb fragen Sie sich vielleicht, ob all diese Massnahmen nicht eher symbolischer Natur sind.
Unternehmen können jedoch gerade in Krisenzeiten ihre Zielsetzungen und bedeutendes soziales und ökologisches Engagement unter Beweis stellen. An dieser Stelle möchten wir Ihnen einige Anregungen dafür geben, wie Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten Hilfe leisten können. Das Motto lautet: Ruhe bewahren, die Arbeit fortsetzen, den Betrieb aufrechterhalten, für Liquidität sorgen, die Versorgung sicherstellen und gesund bleiben.
Abbildung 1: Wheel of Corporate Purpose during Times of Crises
Ruhe bewahren
Können Unternehmen Menschen dabei helfen, Ruhe zu bewahren, wenn eine Ausgangssperre verhängt wurde?
Können Unternehmen einen Beitrag leisten, um das Stressniveau niedrig zu halten? Können sie möglicherweise Unterhaltung anbieten? Oder Geschichten, die über die sozialen Medien verbreitet werden, auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen? Oder Menschen im Rahmen interaktiver Sitzungen zusammenbringen, damit sie Sport treiben, Dampf ablassen oder einfach tiefer durchatmen können?
Bislang wurde die Strategie «Ruhe bewahren» vor allem von jenen umgesetzt, die Hilfegruppen auf Facebook eingerichtet haben, von Kunstinstitutionen, die virtuelle Museumsführungen anbieten, oder durch Gag-Angebote wie etwa den kostenlosen Premiumzugang zur Pornoseite «Pornhub». Aber könnte beispielsweise Amazon Darbietungen von Künstlern streamen, die keine Bühne und keine Einkünfte mehr haben? Oder könnte ein Unternehmen, das im Bereich der psychischen Gesundheit tätig ist, dabei helfen, Kindern Halt zu geben, die aus dem Gleichgewicht geraten sind?
Die Arbeit fortsetzen
Können Unternehmen dafür sorgen, dass Home-Office reibungslos funktioniert und Heimunterricht tatsächlich stattfinden kann?
Sind Unternehmen bereit, Mitarbeitern den Zugang zu schnelleren Internetverbindungen, Programmen und Daten zu ermöglichen? Sind sie dafür gerüstet, Ihre Serviceangebote auszubauen? Arbeiten sie mit Wettbewerbern zusammen, um Kunden die besten Tools für «Home Office» und «Home Schooling» anbieten zu können?
Bislang bieten Unternehmen wie Zoom und Microsoft (MS-Teams) virtuelle Plattformen für Arbeitsbesprechungen, Universitätsvorlesungen und Grundschullehrer. Netflix hat Schritte unternommen, um durch eine (geringfügige) Verschlechterung der Bildqualität bei gestreamten Filmen und Serien mehr Bandbreite verfügbar zu machen. Aber es kann noch mehr getan werden, um dafür zu sorgen, dass aus der Kontaktvermeidung keine völlige Isolation wird.
Den Betrieb aufrechterhalten
Können Unternehmen diejenigen unterstützen, die an vorderster Front gegen das Virus kämpfen?
Erweitern Unternehmen ihre Öffnungszeiten, damit auch Ärzte und Pflegekräfte sich um ihre Familien kümmern können? Können sie einen Beitrag dazu leisten, sie sicher zur Arbeit und nach Hause zu bringen?
Einige Supermärkte wie zum Beispiel Tesco in Grossbritannien haben bereits nach kurzer Zeit spezielle Öffnungszeiten für Senioren und die Mitarbeiter der Hilfs- und Rettungsdienste eingeführt. Es kann jedoch noch mehr für ihre Sicherheit am Arbeitsplatz und auf dem Weg von und zur Arbeit getan werden.
Für Liquidität sorgen
Können Unternehmen Menschen dabei helfen, sich während der Krise finanziell über Wasser zu halten?
Sind Unternehmen bereit, die Kosten für ausgefallene Urlaubsreisen zu erstatten? Auf Säumniszuschläge zu verzichten? Überziehungskredite zu verlängern? Auf lebenswichtige Artikel Rabatte zu gewähren? Bieten Unternehmen finanzielle Unterstützung für Gassenküchen oder kostenlose finanzielle Beratungsstellen?
Einige Telekommunikationsanbieter und Banken leisten bereits Hilfe durch Rückzahlungen, es kann aber noch mehr getan werden. Finanzielle Unterstützung für NGOs und Hilfsorganisationen, die arme Menschen mit Lebensmitteln versorgen, gibt es bisher kaum. Supermärkte und Restaurantketten könnten Produkte, Arbeitskräfte und finanzielle Unterstützung zur Verfügung stellen, damit die Organisationen auf eine neue Nachfragewelle vorbereitet sind.
Die Versorgung sicherstellen
Können Unternehmen sicherstellen, dass alte und schutzbedürftige Menschen, die zu Hause isoliert sind, mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden?
Können Unternehmen Logistik zur Verfügung stellen, um Menschen Medikamente zu liefern, die ihre Wohnung nicht verlassen können, um sie selbst abzuholen? Können sie Transportmittel bereitstellen, damit gefährdete Personen lebenswichtige Orte sicher erreichen können? Können sie Technologie verfügbar machen, um die Starken und Mobilen mit den Isolierten zusammenzubringen?
Technologieunternehmen und App-Anbieter haben sich bislang Zeit gelassen damit, Hilfsbedürftige mit denen zusammenzubringen, die helfen können. In diesem Bereich könnten Anwendungen wie Dating-App mit einem Algorithmus oder einer Benutzeroberfläche von Nutzen sein, um diejenigen, die Hilfe anbieten, denen zuzuordnen, die Hilfe brauchen.
Gesund bleiben
Können Unternehmen lebenswichtige Produkte liefern, um die Ausbreitung von Covid-19 aufzuhalten bzw. zu verlangsamen?
Welchen Anteil ihrer Produktion können Unternehmen auf die Herstellung lebenswichtiger Artikel wie Seife, Schutzmasken und Beatmungsgeräte umstellen, die benötigt werden, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen? Sind Unternehmen bereit, ihre wichtigsten Geschäftsbereiche vorübergehend einzustellen?
Einige Unternehmen können auf diese Weise unmittelbar Hilfe leisten und es macht Mut, dass diejenigen, die im grossen Stil produzieren können, sich der Herausforderung stellen. Tesla liefert Schutzmasken und plant die Herstellung von Beatmungsgeräten. Ford ist ebenfalls mit von der Partie. LVMH produziert Handdesinfektionsmittel. Zara hat sich verpflichtet, Masken und OP-Bekleidung als Schutzausrüstung für Krankenhauspersonal zu fertigen.
Kurz gesagt, während die Welt echte Hilfe zur Bewältigung der derzeitigen Krise benötigt, beschränkt sich die Reaktion zu vieler Unternehmen auf den geschickten Einsatz ihrer Marken oder Logos.
Es ist an der Zeit, dass von Seiten der Unternehmen mehr kommt als nur Worte. Es ist an der Zeit, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen. Dies können sie erreichen, indem sie symbolische durch konkrete Massnahmen ersetzen und den von ihnen selbst formulierten Zielsetzungen gerecht werden.
Judith Walls ist Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Nachhaltigkeitsmanagement am Institut für Wirtschaft und Ökologie an der Universität St.Gallen in der Schweiz. Schwerpunkte ihrer Forschung sind Governance und Nachhaltigkeit. Sie ist derzeit Division Chair von ONE - Organizations & The Natural Environment an der Academy of Management.
Steve Walls ist strategischer Planer bei der ServicePlan Group. Sein Spezialgebiet ist Brand Reputation und die Übertragung von Brand Purpose in Brand Action. Er ist derzeit in Zürich tätig.
Dieser Beitrag wurde zuerst auf nbs.net publiziert.
Bild: Adobe Stock / Jeff McCollough
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