Campus - 04.01.2023 - 13:56
Schon wieder am Husten? Kann ich ins Büro gehen oder bin ich ansteckend? Oder soll ich sogar zum Arzt? Bei der Beantwortung solcher Fragen kann die künstliche Intelligenz von Resmonics, ein Spin-off der HSG sowie der ETH Zürich, helfen. «Wer erhöhte Temperatur hat, greift zum Thermometer, das es in jedem Haushalt gibt. Ein solches Messinstrument wollen wir für Atemwegsekrankungen zur Verfügung stellen», sagt Peter Tinschert. Der 33-Jährige ist Co-Gründer von Resmonics. Das Startup hat in jahrelanger Arbeit eine künstliche Intelligenz entwickelt, die nächtliche Hustengeräusche analysiert. Diese Software heisst ResGuard Med und ist beispielsweise über die kostenlose App «myCough» zugänglich. Daneben arbeiten auch Pharmaunternehmen, Universitätsspitäler sowie Krankenversicherer mit dem Resmonics-Tool und binden dieses in ihre eigenen Applikationen ein.
Neben einem Tool zur Einschätzung von Erkältungen, ist ResGuard Med vor allem eine Unterstützung für Menschen, die an Asthma oder der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leiden. «Bei diesen Krankheiten kann sich der Verlauf sehr plötzlich verschlechtern. Eine regelmässige Überwachung ist darum wichtig, bisherige Messinstrumente waren für die Patienten aber unpraktisch. Das wollen wir ändern», sagt Tinschert. ResGuard Med läuft auf Smartphones oder Tablets, diese legen Patient:innen während der Nacht neben ihr Bett. Mit dem Standardmikrofon der Geräte zeichnet die Software Hustengeräusche auf. Gibt es Auffälligkeiten, die eine ärztliche Untersuchung nötig machen könnten, ist dies in der Auswertung für die Patienten sichtbar.
Hinter der KI steckt jahrelange Entwicklungsarbeit: Tinschert doktorierte von 2016 bis 2020 am HSG-Institut für Technologiemanagement (HSG-ITEM), das am Centre for Digital Health Interventions (CDHI) beteiligt ist. Das CDHI ist eine gemeinsame Initiative der HSG, der ETH Zürich sowie der Universität Zürich.
Bereits während seines Doktorates begann Tinschert, an einer künstlichen Intelligenz zu arbeiten, die Hustengeräusche untersuchen kann. «In einem ersten Schritt sammelte ich 2016 gemeinsam mit Doktorierenden der ETH Zürich in einer Studie mit rund 90 Asthmapatienten Daten», sagt Tinschert. Dabei wurden Hustengeräusche der Patienten während der Nacht aufgenommen und unter Mithilfe von studentischen Mitarbeitenden der HSG kodiert. Die Software basiert auf den Daten von zwei medizinischen Studien und ist heute als Medizinprodukt in der Schweiz und der Europäischen Union zugelassen. «Die aufwändige Entwicklung der Software sowie der medizinische Zertifizierungsprozess waren der Grund dafür, dass von der Geschäftsidee bis zum Markteintritt Ende 2021 fünf Jahre vergingen», sagt Tinschert.
Auch Elgar Fleisch, Lehrstuhlinhaber am HSG-ITEM sowie am Department of Management, Technology and Economy an der ETHZ, spricht in Bezug auf die Entwicklung von Res-Guard Med von «zahlreichen Ups und Downs wie in der Forschung üblich». Das Team von drei Doktoranden – darunter Tinschert – habe an der HSG und der ETH und in Zusammenarbeit mit Martin Brutsche, Pneumologe am Kantonsspital St.Gallen, jahrelang an der Technik und der medizinischen Validität gefeilt. «Dass die Ergebnisse dieser Forschung nun zum Wohle vieler in die Welt getragen werden, freut mich riesig», sagt Fleisch.
Heute zählt Resmonics fünf Mitarbeitende, die unter anderem die KI laufend weiterentwickeln. Zu den Investoren zählen bislang die Krankenkasse CSS und die Startup-Förderinitiative Venturekick, aktuell durchläuft Resmonics zudem eine Finanzierungsrunde. Tinschert, der ursprünglich Psychologie mit einem Fokus auf angewandter Statistik studiert hat, musste in der Transformation vom Forscher zum Gründer «das Mindset ändern», wie er sagt. Seine Zeit an der HSG sei dafür hilfreich gewesen: Tinschert absolvierte während des Doktorats Kurse zu technologiebasiertem Unternehmertum. Zudem wurde Resmonics im «HSG Entrepreneurial Talents»-Programm gefördert. In diesem erhalten Gründer:innen Coaching, Vermittlung zu Netzwerken sowie finanzielle Unterstützung.
Resmonics konnte ihr Produkt auch bei der Pandemiebekämpfung erproben: Im Sommer 2020 wurde die KI in einer Studie im Kantonsspital St.Gallen angewandt: Sie machte anhand der Hustengeräusche Voraussagen zum möglichen Verlauf einer Covid-Erkrankung bei bereits hospitalisierten Patient:innen. Die Studie wird aktuell für eine Publikation im European Respiratory Journal evaluiert.
Noch wird ResGuard Med erst in wenigen Ländern in Europa kommerziell vertrieben. Grundsätzlich habe die Technologie auch das Potential, die medizinische Versorgung in Schwellenländern zu verbessern, sagt Tinschert. «Nutzende brauchen für die Messungen nur ein Smartphone. Das ist in Gebieten, in denen die Infrastruktur im Gesundheitswesen schwach ist, hilfreich, da die Menschen so eigenständig und frühzeitig eine medizinische Einschätzung bekommen können.»
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