Campus - 05.07.2023 - 10:06
«Studierende setzen Programme mit Künstlicher Intelligenz ohnehin ein. Wir wollen sie in der Nutzung schulen und ihnen die Chancen und Risiken aufzeigen», sagt Edona Elshan. Gemeinsam mit Philipp Ebel hat sie dieses Frühlingssemester an der HSG den Masterkurs «Gestaltung und Entwicklung von User Interfaces» durchgeführt. Darin entwickeln Studierende interaktive digitale Plattformen wie Webseiten oder Apps für Praxispartner aus dem Non-Profit-Bereich.
In dieser Gruppenarbeit setzen die Studierenden in der Forschungs- und Designphase auch ChatGPT ein. Die Nutzung der KI mussten sie in ihrer Arbeit laufend dokumentieren und reflektieren. Unter dem NPO waren etwa Powercoders, eine Programmierschule für Migrant:innen, Greenbuzz, eine Plattform, die Firmen und Nachhaltigkeitsepxert:innen verknüpft oder die App Swiss Climate Challenge, die Mobilitätsdaten aufzeichnet und deren CO2-Ausstoss ausweist. In der Forschungs- und Designphase der Swiss Climate Challenge App setzten die Studierenden erstmalig ChatGPT ein. Die Nutzung der KI mussten sie in ihrer Arbeit laufend dokumentieren und reflektieren.
Elshan und Ebel forschen an der HSG am Competence Center Cognitive Automation unter anderem zur Interaktion von KI und Menschen. «Auch darum hat es uns interessiert, wie ChatGPT quasi als Teammitglied in einer Gruppe von Studierenden funktioniert und welchen Einfluss die KI auf das Resultat der Arbeit hat», sagt Ebel.
Im Laufe des Semesters befragten die beiden HSG-Forscher die Studierenden drei Mal zu ihrem Lernfortschritt, der Gruppendynamik und der Angst vor KI. Sie analysierten auch stichprobenartig die Art und Häufigkeit der Anfragen, die die Studierenden an ChatGPT stellten.
Eine zentrale Erfahrung aus dem Kurs ist laut Elshan, dass sich die Leistung der Studierendenteams verbessert habe. «Dieses Jahr erarbeiteten die Studierenden sechs bis sieben Entwürfe eines Designs. Im Kurs in den Vorjahren waren es jeweils drei bis vier.» Die Studierenden führen im Kurs einen kompletten Entwicklungsprozess durch. «Zuerst erhoben sie Bedürfnisse von Praxispartnern und Nutzenden, entwickelten darauf basierend ein Ablaufdiagramm des Nutzungsprozesses, einen Entwurf einer Nutzeroberfläche und im Anschluss mehrere klickbare Prototypen.»
«Diese Entwürfe erhalten laufend Feedback und werden so schrittweise verbessert. Dank der grösseren Anzahl an Entwürfen ist das Endresultat tendenziell eine bessere interaktive Anwendung für die Nutzenden», sagt Ebel.
ChatGPT habe Routinearbeiten übernommen und den Studierenden so mehr Zeit für die kreative Designarbeit verschafft, sagen die HSG-Forschenden. So verfasste das Tool etwa Leitfäden für Interviews mit Nutzenden, wertete diese Gespräche sowie allgemeine Trends in der Designindustrie aus und empfahl den Studierenden auch geeignete Programme für die Designphase. Zudem generierte die KI Texte, die in die jeweiligen Entwürfe integriert wurden.
Der geübte Umgang mit AI-Tools sowie die Einordnung der produzierten Resultate sei eine Fähigkeit, die im Studium und in der Arbeitswelt immer wichtiger werde, sagen Ebel und Elshan. So war eine Erkenntnis auch, dass die Studierenden durch die häufige Nutzung die Grenzen von ChatGPT erkannten und dessen Resultate kritisch einzuordnen lernten.
Die beiden Dozierenden präsentierten ihre Erfahrungen am «Tag der Lehre 2023», der Ende Mai an der HSG stattfand. KI und ihre Bedeutung für die Lehre nahmen an diesem Tag, an dem sich HSG-interne und -externe Lehrpersonen austauschen, eine zentrale Rolle ein.
Das Team des «Teaching Innovation Lab» (TIL) der HSG stellte etwa vor, wie ChatGPT eingesetzt werden kann, um eine Geschichte zu entwickeln, die als roter Faden durch eine Lehrveranstaltung führt. Siegfried Handschuh, HSG-Professor für Data Science und Experte für Computerlinguistik, führte in technische Grundlagen und mögliche Zukunftsaussichten von sprachbasierten KI-Tools ein.
Es wurde auch über rechtliche Rahmenbedingungen diskutiert, wobei die HSG im Februar 2023 die Eigenständigkeitserklärung angepasst hat, die schriftlichen Arbeiten beiliegen muss. Gemäss der neuen Fassung muss der Einsatz von ChatGPT und anderen KI-Tools deutlich gekennzeichnet werden.
ChatGPT wirft für Universitäten und ihre Studierenden also auch rechtliche bis hin zu ethischen und praktischen Fragen auf. Eine persönliche Einsicht, die die beiden HSG-Dozierenden aus ihrem Kurs mitnehmen: «Die Form unserer Prüfungen wird sich verändern müssen, mündliche Prüfungen, Projektarbeiten und Präsentationen werden für uns ein stärkeres Gewicht bekommen», sagt Ebel.
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