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Leute - 07.07.2023 - 14:30 

6 Fragen an die St.Galler «Architektin der neuen Arbeitswelt» Prof. Dr. Heike Bruch

Seit mehr als einer Dekade prägt die St.Galler Leadership-Professorin Heike Bruch die Entwicklung im Personalmanagement und gehört damit zu den prägenden Gestalter:innen der Arbeitswelt. Wie denkt die jüngst ausgezeichnete Forscherin über unsere Art, zu arbeiten und zu führen?
Die Redaktion des Personalmagazins hat die 40 führenden Köpfe im Personalmanagement in Deutschland gekürt. In diesem Jahr wurde erstmals die Sonderkategorie «Big Five» geschaffen.

Die Redaktion des Personalmagazins hat die 40 führenden Köpfe im Personalmanagement in Deutschland gekürt. Ausgezeichnet wurden Führungspersönlichkeiten aus Management, Wissenschaft und Beratung, die wegweisende Impulse zur Gestaltung einer modernen Arbeitswelt geben. In diesem Jahr wurde erstmals die Sonderkategorie «Big Five» geschaffen. Damit zeichnet die Redaktion des Personalmagazins all jene aus, die es fünfmal oder öfter auf die prestigeträchtige Liste der «40 führenden HR-Köpfe» geschafft haben. Die Auszeichnung wurde Prof. Dr. Heike Bruch verliehen. Sie ist Professorin für Leadership an der Universität St.Gallen und leitet das Institut für Führung und Personalmanagement (IFPM-HSG). Darüber hinaus wurde in der Kategorie «Wissenschaft» HSG-Professorin Antoinette Weibel gewürdigt. Sie ist Direktorin am Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten (FAA-HSG), forscht zu Vertrauen und dem Einsatz neuer Technologien in Organisationen.  

«Wir zeichnen Persönlichkeiten aus, die wirklich Einfluss haben und etwas bewegen können, sowohl in Unternehmen als auch in der HR-Community und der Gesellschaft», sagt Reiner Straub, Herausgeber des Personalmagazins, anlässlich der Bekanntgabe der Auszeichnung im Juli 2023. Er betont: «Die 40 HR-Köpfe sind die Architekt:innen der neuen Arbeitswelt.» 

Wie sieht der Bauplan für New Work aus? Welche Trends lassen sich beim Blick in Vergangenheit und Zukunft identifizieren? Wir haben Heike Bruch gefragt.

Frau Bruch, Sie gelten als eine der einflussreichsten Expertinnen für Leadership und neue Arbeitswelten. Wie arbeiten Sie selbst gern? Was beflügelt Sie? Und was blockiert Sie im Arbeitsalltag?

Ich arbeite gerne selbst mit Energie und Fokus. Ich bin mit Herzblut und Begeisterung dabei und konzentriere mich auf die Dinge, bei denen ich Sinn empfinde und etwas im Guten verändern kann. Unser Motto an der HSG «From Insight to Impact» leitet mich sehr. Was mich blockiert und ich vermeide, sind negative Menschen, Bürokratie und starre Strukturen.

Wenn Sie auf den Beginn Ihrer Forschungsarbeit zurückblicken: Welche grossen Veränderungen haben sich abgezeichnet in der Arbeitswelt? Mit welchen Folgen für Unternehmen und Gesellschaft?
Vor allem gibt es den Shift in Richtung New Work und Empowerment. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und -orte, sowie ein Umdenken im Hierarchieverständnis haben die Arbeitswelt schon jetzt grundlegend verändert. Mehr Umbrüche werden durch KI, Arbeitskräftemangel und Nachhaltigkeit folgen. New Work heisst: Mehr Freiheit, Flexibilität und generell mehr Wahlmöglichkeiten von Mitarbeitenden. Auch Sinnerfüllung. 
Gleichzeitig bringt dies auch neue Herausforderungen mit sich: Das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und eine ständige Erreichbarkeit bergen die Gefahr der emotionalen Erschöpfung. Virtuelle Zusammenarbeit führt in vielen Fällen zu Isolation und Verlust von Teamzusammenhalt. Mit Blick auf meine Forschung merke ich bei diesen Veränderungen, dass die Themen wie Energie, die Beschleunigungsfalle und Leadership genau in diesen Zeiten wichtiger sind denn je.   

Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf die Arbeitswelt – und die Art, wie Teams und Manager:innen nun zusammenarbeiten?
Die Pandemie war der Katalysator einer grossen Veränderung, die wir «New Work Transformation» nennen. Schlagartig und für relativ viele Unternehmen vollends unvorbereitet, war eine neue Arbeitsweise plötzlich da. Für viele lief es überraschend gut. Zunächst. Das änderte sich, als die Zeit des «Zwangs-Homeoffice» zu Ende ging und plötzlich wieder gestaltet werden konnte. Gerade jetzt erleben wir eine Menge Frust und hitzige bis aggressive Diskussionen um das Thema New Work. Einige Unternehmen haben die Pandemie als Chance begriffen, wirkliche eine neue, hybride Arbeitskultur entwickelt und sich sehr modern aufgestellt. Das sind etwa sieben Prozent der Unternehmen. Die Mehrheit allerdings bisher nicht. Denn die Pandemie hat viele zu New Work gezwungen; sie haben die technisch- strukturellen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, aber mehr aus der Not heraus, um das Business am Laufen zu halten. Was jetzt jedoch ansteht, damit New Work funktioniert, ist die Kultur und die Führung entsprechend zu entwickeln. Ohne eine «New Culture», geprägt von moderner Führung, Vertrauen, Vorbildverhalten des Top Management und Selbstführungskompetenz, führt New Work direkt in die Beschleunigungsfalle – d.h. zu Überhitzung, Erschöpfung und mehr Konflikten. Es sind derzeit 39% der Unternehmen, die zu den sogenannten «Modern Überforderten» gehören. Die Uhr zurückdrehen ist jedoch keine Option.   

Sie beschäftigen sich mit Leadership, Organisationaler Energie, gesunder Hochleistung, neuen Arbeitsformen, Arbeitgeberattraktivität und Demografiemanagement in Unternehmen. Welches dieser Gebiete fordert Sie aktuell am meisten heraus? Und warum?
Das ist eine schwierige Frage, denn derzeit rücken in der Praxis verschiedene Themen akut in den Fokus. Diese Themen waren schon immer wichtig, aber jetzt werden sie existenziell. Und dabei spreche ich nicht nur von Unternehmen, sondern auch von wesentlichen, stabilisierenden Sektoren wie dem Gesundheitssektor, Schulen und Kirchen und den gesellschaftlichen Wirkungen, die daran hängen. Wir setzen daher mit unserer Forschung und praktischen Arbeit an mehreren Themen gleichzeitig an. «re-energize» lautet das Motto, das uns dabei leitet. Es gilt einerseits, die Energie in Unternehmen besser zu mobilisieren, Speed, Agilität und Innovation zu fördern. Gleichzeitig sind viele Menschen, Teams und ganze Unternehmen müde. Hier sind einige unserer Ansatzpunkte: Erschöpfte Führungskräfte unterstützen, dem Arbeitskräftemangel wirksam entgegenwirken und die psychische Gesundheit vor allem der Generation Z fördern. Besonders relevant ist für uns dabei, dass es gelingt, Organisationen nachhaltig zu entwickeln – gesund, mit Blick auf die nächste Generation und ökologisch nachhaltig. Dies erfordert eine Kulturtransformation in Richtung gesunder Hochleistung. 

Mit Blick auf das «zunehmende Unwohlsein» in Firmen, wie Sie es unter Manager:innen und Mitarbeitenden beobachten: Wie gelingt gesunde Hochleistung?
Hoch interessant finde ich genau zu dieser Frage unsere neusten Erkenntnisse, die wir erst teilweise publiziert haben: Viele Unternehmen stehen enorm unter Druck – mehr Speed, Effizienz, Innovation, Dauertransformation etc. Viele begegnen dem Druck, indem sie in bestehenden Systemen den Druck weitergeben, Intensität und Schlagzahl erhöhen. Dies nennen wir «Unternehmen am Limit». Andere ändern das System – wir nennen diese «Gesunde Hochleistungsunternehmen». Sie unterscheiden sich fundamental von den anderen, bezogen auf ihren Umgang mit Energie (Stärkung von produktiver und angenehmer Energie versus verbreitete resignative Trägheit und Beschleunigungsfalle), eine moderne Führung (eine inspirierend-multimodale versus autoritäre oder Laissez-Faire Führung) und ein zukunftsorientiertes People Management (entwicklungsförderlich und emotionalisierend versus leistungszentriert). Interessanterweise sind gesunde Hochleistungsunternehmen nicht nur viel attraktiver für Mitarbeitende, sondern auch wirtschaftlich deutlich erfolgreicher – auf Kurs mit einer gesunden Kultur. 

In St.Gallen beginnen heute die Schulsommerferien – wenn Sie morgen auf Workation umstellen könnten: Von wo und wie würden Sie dann am liebsten arbeiten?
In den Ferien stelle ich regelmässig auf Workation-Modus um. Am liebsten verbringe ich dann die Zeit auf einer kleinen Nordseeinsel.

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