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Forschung - 03.10.2023 - 08:00 

Wie beeinflusst Wettbewerbsdruck die ESG-Performance eines Unternehmens?

Aufgrund von Wettbewerbsdruck stellt sich die Frage, ob es für Unternehmen einen Kompromiss gibt zwischen finanzieller Leistung und dem Engagement für Umwelt-, Sozial- und Governance-Aktivitäten (ESG). Ist ESG tatsächlich eine Quelle für Wettbewerbsvorteile, oder verwenden Unternehmen bloss fremde Mittel, um den Eindruck zu erwecken, «gut» zu handeln? Eine Studie von HSG-Assistenzprofessor Vesa Pursiainen gibt Auskunft.
Aufgrund von Wettbewerbsdruck stellt sich die Frage, ob es für Unternehmen einen Kompromiss gibt zwischen finanzieller Leistung und dem Engagement für Umwelt-, Sozial- und Governance-Aktivitäten (ESG). Eine Studie von Vesa Pursiainen.

Investieren Unternehmen in wettbewerbsintensiven Branchen verstärkt in ESG, um sich von Mitbewerbern abzuheben? Oder führt der Wettbewerbsdruck dazu, dass sich das Management auf Gewinne konzentriert und Nachhaltigkeitsbemühungen vernachlässigt?

Eine neue Studie von Assistenzprofessor Vesa Pursiainen der Universität St.Gallen (HSG) sowie Hanwen Sun und Yue Xiang der Universität Bath untersucht die Wechselwirkung zwischen dem Marktwettbewerb und den ESG-Bewertungen eines Unternehmens. Zahlreiche wissenschaftliche Studien legen nahe, dass Umwelt-, Sozial- und Governance-Aktivitäten (ESG) Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Dies könne damit zusammenhängen, dass ESG von Kund:innen, Mitarbeitenden und Investor:innen geschätzt wird. Es gibt auch Anhaltspunkte dafür, dass eine gute ESG-Performance den Zugang eines Unternehmens zu Kapitalmärkten verbessere. Eine bessere ESG-Performance bringt jedoch auch Kosten mit sich und könnte einen Kompromiss gegenüber anderen möglichen Verwendungen von Mitteln darstellen. Der Wettbewerbsdruck vermag diese Beschränkungen zu verschärfen und Unternehmen dazu zu zwingen, die Kernbedürfnisse ihres Geschäftsbetriebs zu priorisieren, anstatt sich auf Nachhaltigkeit zu konzentrieren.

Ein Blick auf die ESG-Bewertungen

Die Forschenden verwendeten ESG-Bewertungen von Refinitiv Eikon, um die ESG-Performance zu messen. Ausserdem nutzten sie einen Produktfluiditätsindex, der auf Produkttextbeschreibungen basiert, um Ähnlichkeiten zwischen den Produkten eines Unternehmens und jenen seiner Wettbewerber festzustellen. Eine höhere Bewertung der Produktfluidität lässt darauf schliessen, dass die Produkte eines Unternehmens näher an den Produkten seiner Konkurrenten liegen, was auf mehr Wettbewerbsdruck hinweist. Die Forschenden untersuchten auch, inwiefern Unternehmen steigenden Importen aus China unterlagen, um festzustellen, ob sie einem verstärkten Wettbewerb durch ausländische Produkte ausgesetzt waren.

Mehr Druck führt zu weniger Nachhaltigkeit

Das zentrale Ergebnis der Studie besagt, dass Unternehmen, die einem verstärkten Wettbewerbsdruck sowohl im Inland als auch im Ausland ausgesetzt sind, tendenziell niedrigere ESG-Bewertungen aufweisen. Die Studie verdeutlicht zudem, dass eine verstärkte Konkurrenz im Importgeschäft im Laufe der Zeit mit einem Rückgang der ESG-Bewertungen einhergeht. Die Daten legen auch nahe, dass verstärkter Wettbewerb aufgrund von Kapitalallokationsbeschränkungen zu einer Reduzierung der ESG-Investitionen führt. Je mehr Wettbewerb in einer Branche oder einem Sektor herrscht, desto weniger konzentrieren sich diese Unternehmen auf die ESG-Performance. Diese Erkenntnis lässt darauf schliessen, dass Unternehmen möglicherweise einen Ausgleich zwischen ihren ESG-Verpflichtungen und anderen Investitionsanforderungen in Betracht ziehen.

Um die Auswirkungen von Wettbewerbsdruck auf ESG-Investitionen zu verstehen, analysierten die Forschenden den wirtschaftlichen Schock, der im Jahr 2001 auftrat, als China der WTO beitrat und es zu einem Anstieg der chinesischen Importe in die Vereinigten Staaten kam. 
Die Daten zeigten auch in diesem Fall, im Einklang mit den Ergebnissen bezüglich des inländischen Wettbewerbs, dass eine Verschärfung des Exportwettbewerbs aus China signifikant mit Rückgängen in den ESG-Bewertungen von Unternehmen verbunden ist. Diese Erkenntnis lässt vermuten, dass Unternehmen, die dem Wettbewerb weniger ausgesetzt sind, möglicherweise mehr Spielraum für ESG-Investitionen haben.

Zusammenfassend legen die Studienergebnisse nahe, dass Unternehmen einen Kompromiss zwischen Rentabilität und ESG eingehen – zumindest kurzfristig. Das bedeutet, dass ein höherer Wettbewerbsdruck nicht dazu führt, dass Unternehmen mehr in ESG investieren, sondern stattdessen dazu tendieren, ihre ESG-Aktivitäten zu reduzieren. Daher fördert der Wettbewerb zweifellos positive Ergebnisse wie niedrigere Preise und verbesserte Qualität, kann aber auch potenziell negative gesellschaftliche Folgen haben, indem er das Engagement eines Unternehmens für Nachhaltigkeit verringert. Die Erkenntnisse sollten auch politische Entscheidungsträger:innen beeinflussen, die versuchen, kartellrechtliche Bedenken mit Forderungen nach nachhaltigeren Unternehmen in Einklang zu bringen. 

Die Studie «Competitive Pressure and ESG» steht auf der Webseite des Social Science Research Network zum Download zur Verfügung. 

Vesa Pursiainen ist Assistenzprofessor an der Universität St.Gallen und dem Swiss Finance Institute (SFI-HSG).
Hanwen Sun ist Associate Professorin für Finanzen an der School of Management an der Universität Bath.
Yue Xiang ist Doktorand in Management (Finanzen und Rechnungswesen) an der Universität Bath.

Ein ähnlicher Beitrag wurde erstmals auf dem Blue Sky-Blog der Columbia Law School veröffentlicht.

Image: Adobe Stock / Parradee

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