close

Campus - 26.09.2022 - 00:00 

«Viele Studierende wollen mit ihren Startups gesellschaftliche Probleme lösen»

Wegen politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen weht auch Startups ein rauerer Wind entgegen: Die Investitionen in Firmengründungen dürften in der Schweiz erstmals seit zehn Jahren zurückgehen. Was bedeutet das für die jungen Unternehmen? Dietmar Grichnik, HSG-Professor für Entrepreneurship und Technologiemanagement, ordnet ein.

 

26. September 2022. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 erhielten Schweizer Startups insgesamt 2,585 Milliarden an Investitionen – ein Zuwachs von fast 50 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021. Damit setzte sich ein starkes Wachstum fort, das seit zehn Jahren anhält. Doch nun scheint dieser Aufwärtstrend gebrochen: Wie der Swiss Venture Capital Report 2022 im Juli meldete, werden die Investitionen in den nächsten 12 Monaten voraussichtlich zurückgehen. Dies aufgrund der unischeren globalen Lage mit dem Ukrainekrieg, Inflation, der Angst vor einer Rezession sowie unbeständigen Kapitalmärkten. Was bedeutet der erwartete Rückgang für Startup-Gründerinnen und -Gründer? Der HSG-Professor Dietmar Grichnik bildet unter anderem mit der Initiative Startup@HSG zukünftige und aktuelle Jungunternehmende aus. Im Interview spricht er darüber, was die neuen Voraussetzungen für Startups bedeuten.

Dietmar Grichnik, wie bewerten Sie die Ergebnisse aus dem Venture Capital Report?
 

Natürlich ist ein Abwärtstrend erkennbar, allerdings ist die Stimmung unter den Risikokapitalinvestoren nicht so negativ wie jene im Gesamtfinanzmarkt. Immerhin geben in der Umfrage noch 40 Prozent der Investoren an, sie seien weiterhin positiv gestimmt. Gleichzeitig kann man beobachten, dass in aktuellen Investitionsrunden die Startups tiefer bewertet werden. Die Kapitalgeber rechnen hier mit Blick auf die unsichere wirtschaftliche Situation eine Risikoprämie ein. Auch um in Zukunft Downrounds, das heisst Folgefinanzierungsrunden zu einer niedrigeren Bewertung, zu vermeiden.

Was müssen Gründerinnen und Gründer tun, um in diesem schwierigeren Umfeld zu bestehen?

Es wird nun noch wichtiger, dass Startups ein Alleinstellungsmerkmal haben und dieses gut vermitteln können. Das können etwa eine besonders innovative Lösung oder ein grosses Skalierungspotential im Geschäftsmodell sein. 

Was bedeutet das konkret für unterschiedliche Branchen?
 

Technologiebasierte Startups etwa aus den Bereichen Food- und Biotech oder Blockchain dürften es nun etwas schwieriger haben. Ihre Produkte brauchen beispielsweise wegen medizinischen und anderen Studien oft länger in der Entwicklung und haben darum längere Skalierungszyklen. Startups, bei denen digitale Lösungen im Vordergrund stehen, dürften es wiederum einfacher haben, denn diese sind schneller skalierbar. Ich denke da etwa an Finanzprodukte, allgemein ICT-Entwicklungen oder auch digitale Tools im Gesundheitswesen. Der vorhergesagte Rückgang der Investitionen ist gerade im Bereich Biotech auch eine Konsolidierung. Corona war ein Schock, der in der Folge staatliche Investitionen etwa in Pharmastartups massiv gefördert hat. Im Aufwind ist nun dafür der Bereich Cleantech, in dem es um technologische Lösungen zur CO2-Reduktion und um nachhaltige Energieversorgung geht. 

Das heisst, dass Aktualitäten einen starken Einfluss darauf haben, in welche Startups Risikokapital investiert wird?
 

Es gibt einen gewissen Herdentrieb, ja. Die Kapitalgeber schauen, was die Konkurrenz macht und ziehen nach. Der Umschwung hin zur Cleantech ist zudem stark von der aktuellen Energiekrise beeinflusst. 

Sie bilden an der HSG aktuelle und zukünftige Gründer:innen aus. Welche Strategien vermitteln Sie diesen, um im Wettbewerb um Investorengelder zu bestehen?
 

Die Finanzierung ist ein Kernelement in unserer Startup-Ausbildung. Wir bereiten die Studierenden, die ein Unternehmen gründen wollen, schon frühzeitig darauf vor – zwar kostet in den ersten Phasen ein Startup vor allem Zeit statt Geld, der Startup Runway – die finanzielle Startbahn – ist aber von Beginn an ein Thema und beschäftigt die notorisch mittellosen Gründer permanent. Das Thema der Finanzierung ist vielschichtiger geworden, aber ich nehme unsere Studierenden als gut darauf vorbereitet wahr. Viele wollen mit ihren Geschäftsideen gesellschaftliche Probleme lösen und nicht in erster Linie Profit machen. Das heisst, sie bringen eine tiefe Überzeugung für ihre Idee mit, haben oft schon viel Arbeit investiert und darum auch eine ambitionierte Vision. Diese ist wichtig, um mit potentiellen Investoren klar zu kommunizieren. Und der stärkere Fokus der Gründerinnen und Gründer auf Nachhaltigkeitsaspekte trifft bei den Investoren auf offene Ohren: Diese schauen im Sinne einer «sustainable due dilligence» immer stärker darauf, ob und wie Nachhaltigkeit in ein Geschäftsmodell integriert ist.
 

Bild: Adobe Stock / Alex from the Rock

 

Entdecken Sie unsere Themenschwerpunkte

north