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Campus - 08.01.2025 - 09:46 

HSG-Startup ALPINA+SANA kämpft gegen Mangelernährung im Spital

Mangelernährung von Patienten führt zu gesundheitlichen Problemen und hohen Kosten. Ein Startup von HSG- und ETH-Absolventen will nun mit einer KI-Essensüberwachung sowie speziell entwickelten Lebensmitteln dagegen ankämpfen. 
Im Bild: Die Gründer von ALPINA+SANA Raban Iten, Jotam Bergfreund und Robert Schreiber (von links).

 

Am Anfang des Startups ALPINA+SANA steht eine persönliche Geschichte: «Meine Oma stürzte zuhause und brach sich die Hüfte. Das ist bei älteren Menschen eine häufige Verletzung, die oft zu langwierigen Komplikationen führt», sagt Robert Schreiber, HSG-Forscher und Co-Gründer von ALPINA+SANA. «Nach ihrem Sturz begann ich zu recherchieren und fand heraus, dass Knochenbrüche im Alter durch Mangelernährung begünstigt werden.» 

Das Problem, so zeigten die Recherchen, ist massiv: Bis zu 50 Prozent der älteren Menschen in Pflegeheimen und bis zu 40 Prozent aller Patient:innen in Spitälern sind mangelernährt. Die Patient:innen sind dadurch fragiler und die Wundheilung ist verzögert. Das führt zu längeren Spitalaufenthalten. Schreiber: «In der Schweiz verursacht Mangelernährung Gesundheitskosten von jährlich einer halben Milliarde Franken. In der EU beträgt die Zahl bis zu 170 Milliarden Euro.» 

KI von ALPINA+SANA entlastet Pflegende

Im Juli 2024 gründete er darum gemeinsam mit den zwei ETH-Forschenden Jotam Bergfreund und Raban Iten ALPINA+SANA. Das Startup entwickelt einerseits ein System, das automatisiert mittels Künstlicher Intelligenz (KI) erkennt, wie viele Nährstoffe Patient:innen zu sich nehmen. Dabei scannt eine spezielle Kamera die Menüs vor und nach dem Essen und stellt fest, wie viel von was gegessen wurde. Die KI berechnet daraus, welche Nährstoffe das Essen enthielt. 

«Unsere KI-Lösung wird Pflegende davon entlasten, zu protokollieren, was Patient:innen essen», sagt Schreiber. Diese Protokollierung sei aufwändig und liefere ungenaue Resultate. Die Kamera und KI von ALPINA+SANA ist aktuell in einem Zürcher Spital in Erprobung.

20 Spitäler setzen Proteinglacé von ALPINA+SANA ein

Daneben stellt ALPINA+SANA vollbilanzierte Nahrungsergänzungsmittel für den Medizin- und Pflegebereich her, momentan in der Form von Glacé. Vollbilanzierte Produkte enthalten alle Mikro- und Makronährstoffe, um eine normale Ernährung substituieren zu können. «Mit unseren Nahrungsergänzungsmitteln wollen wir älteren Menschen die Freude am Essen zurückgeben», sagt Schreiber.  

Es gebe zwar bestehende Nahrungsergänzungsmittel, diese seien aber oft wenig schmackhaft, aufgrund des unangenehmen Beigeschmacks der Mikronährstoffe, oder sie hätten eine dickflüssige Konsistenz. «Wenn mangelernährte Menschen über Jahre regelmässig etwas zu sich nehmen sollen, dann muss es schmecken», sagt Schreiber. Rund 20 Spitäler und Kliniken in der Schweiz setzen die neu entwickelten Proteinglacé bereits ein, mit rund 60 Spitälern sei ALPINA+SANA zudem im Gespräch.

Forschung an HSG zu Neurologie von Startup-Gründern

ALPINA+SANA trifft einen Nerv im Schweizer Gesundheitswesen, das von einer älter werdenden Bevölkerung und stetig steigenden Kosten herausgefordert ist: Bisher sammelte das Startup Fördergelder von rund 1 Mio. Schweizer Franken von Stiftungen und Institutionen wie Innosuisse und VentureKick ein. 

Schreiber und seine drei Mitgründer verkörpern, was viele Startups im Technologiesektor prägt: Ein multidisziplinärer Zugang, bei dem Wirtschafts- und Naturwissenschaften zusammenkommen. Der 30-jährige Robert Schreiber studierte Wirtschaft an der Universität Zürich und absolvierte danach einen Master in Neurowissenschaften an der Universität Maastricht. An der HSG doktorierte er beim Entrepreneurship-Professor Dietmar Grichnik darüber, welche neurowissenschaftlichen Prozesse Entscheidungen von Investor:innen und Startup-Gründer:innen beeinflussen. 

«An der HSG hatte ich durch meine Arbeit viel Austausch mit erfolgreichen Gründer:innen und Unternehmer:innen – das hat mich geprägt», sagt Schreiber. Aktuell forscht er an der HSG dazu, wie der Schlaf optimiert werden kann und welchen Einfluss Schlafqualität auf die Leistung von Gründer:innen und Topmanager:innen hat.

Er selbst hatte bereits Erfahrung als Jungunternehmer, weil er 2020 das Startup SoulBites gegründet hatte. Dieses verarbeitete Früchte aus Südamerika, die nicht die gewünschten Formen hatten und nicht verkauft werden konnten, zu Snacks. Während seines Doktorats coachte er bei der Förderinitiative Startup@HSG zudem Studierende, die ein Unternehmen gründen möchten. 

Fehlernährung ist Ursache vieler Krankheiten

ALPINA+SANA will sich aktuell auf den Schweizer Markt konzentrieren und seine KI laufend verbessern. «Durch die Erprobung unserer Lösung in einem Spital haben wir sehr gute Daten», sagt Schreiber. Seine Vision sei es, mittels gesunder Ernährung weit verbreitete Krankheiten zu bekämpfen. «Viele Krankheiten, die zu den häufigsten Todesursachen gehören, haben einen Zusammenhang mit der Ernährung. Dazu gehören etwa Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen.»  

Denkbar sei, dass die KI nach breitem Einsatz in Spitälern und Pflegeheimen dereinst auch in einer App zugänglich gemacht wird und vielen Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Ernährung zu optimieren. «Das sind momentan aber nur Ideen. Wichtig ist jetzt, mit unserer Lösung die akuten Ernährungsprobleme im Gesundheitswesen anzugehen», sagt Schreiber. 

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