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Meinungen - 04.10.2019 - 00:00 

Die Schweiz – Eine Insel der Handelspolitik

Durch mehr als 30 Freihandelsabkommen positioniert sich die Schweiz strategisch klug in einem handelspolitisch schwieriger werdenden Umfeld. Die Politik sollte eine bisher erfolgreiche Strategie fortsetzen. Von Stefan Legge.

 

4. Oktober 2019. Die Schweiz steht heute als eines der erfolgreichsten Länder der Welt dar. Kaum irgendwo sonst ist der Wohlstand in der Breite der Bevölkerung so gross wie hierzulande. Dies verdankt man auch dem internationalen Handel mit Partnerländern rund um den Globus.
 

Bereits im ersten Semester des Wirtschaftsstudiums lernen Studentinnen und Studenten, wie der Austausch von Gütern und Dienstleistungen über Ländergrenzen hinweg vorteilhaft für beide Seiten ist. Im Kern ist die Logik leicht verständlich. Würde jedes Land abgeschottet vom Rest der Welt leben, wären die Preise für Produkte unterschiedlich von Land zu Land. Beispielsweise wären Orangen in Italien oder Spanien günstig, in der Schweiz jedoch teuer und rar. Erlaubt man nun Menschen den Handel über Grenzen hinweg, werden Händler die Produkte günstig in einem Land kaufen und zu einem höheren Preis im anderen verkaufen. Dies ist lukrativ nicht nur für die Händler, sondern stellt Produzenten und Konsumenten in beiden Ländern besser.
 

Nun gilt jedoch auch, dass nicht zwingend jeder in einem Land durch den freien Handel bessergestellt wird. Die Schweizer Produzenten von Lebensmitteln etwa werden es schwer haben im Wettbewerb gegen ausländische Anbieter zu bestehen. Darum suchen sie oftmals die schützende Hand des Staates in Form von protektionistischen Zöllen und Einfuhrquoten. Findet ihr Anliegen Gehör in der Politik, wird der Handel beschränkt und mögliche Wohlstandsgewinne werden nicht realisiert.

Protektionismus nimmt weltweit zu

Im Jahr 2019 müssen wir feststellen, dass derartig motivierter Protektionismus weltweit zunimmt. Wie der Global Trade Alert in St.Gallen regelmässig aufzeigt, ist der Handelsstreit zwischen China und den USA nur die Spitze des Eisbergs. Allerdings hat die Schweiz als zwanziggrösste Volkswirtschaft der Welt nur begrenzten Einfluss auf die weltweite Handelspolitik. Weitgehend muss sie sich mit globalen Trends auseinandersetzen, die sie selbst nicht gewählt hat.
 

Für eine kleine offene Volkswirtschaft stellt der grassierende Protektionismus in besonderem Masse eine Herausforderung dar. Pro Kopf exportierte die Schweiz im vergangenen Jahr rund 28'000 Franken. Einheimische Firmen verdienen also viel Geld im Ausland und Schweizer Konsumenten profitieren umfassend von im Ausland produzierten Gütern. Wird dieser Handel durch neue Handelsbarrieren erschwert, gefährdet dies Arbeitsplätze und Verbraucher müssen sich auf weniger Produktauswahl zu höheren Preisen einstellen.

Freihandelsabkommen sind zentrales Instrument

Allerdings bietet das schwierige internationale Umfeld auch Chancen. Wenn neue Handelsbarrieren errichtet werden, ist es für die Schweiz wichtig, davon nicht betroffen zu sein. Hierfür sind Freihandelsabkommen ein zentrales Instrument. Während mit der EU, China, Japan oder auch Korea bereits ein Abkommen in Kraft ist, laufen derzeit Diskussionen und Verhandlungen über weitere Abkommen mit den USA – unserem zweitwichtigsten Handelspartner – oder etwa den südamerikanischen Staaten des Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay).
 

Rund 85 Prozent unseres Aussenhandels findet statt mit den zwanzig wichtigsten Handelspartnern. Unter diesen hat die Schweiz lediglich mit den USA noch kein Abkommen. Hier besteht denn auch der grösste Anreiz aus ökonomischer, aber auch geopolitischer Sicht, die Handelsbeziehung durch ein Abkommen zu verbessern. Aufgrund der hohen Einfuhrabgaben wäre zudem ein Abkommen mit den Ländern des Mercosur von grossem Interesse für die Schweiz. Auch die Verhandlungen mit Russland und Indien sind zu begrüssen, denn auch in diesen Ländern besteht ein grosses Einsparpotential an Zöllen.

Vorteile für Schweizer Bürgerinnen und Bürger?

Doch welche Vorteile ziehen Schweizer Bürgerinnen und Bürger über die reine Symbolik hinaus konkret aus einem Freihandelsabkommen? Hierzu bedarf es einer genaueren Analyse. In Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität St.Gallen habe ich in der Vergangenheit das Handelsabkommen mit China im Detail ausgewertet. Darauf aufbauend untersuche ich aktuell zusammen mit Piotr Lukaszuk im Auftrag des SECO in vergleichender Weise sämtliche Schweizer Freihandelsabkommen.
 

Neben verschiedenen Übereinkünften bezüglich Produktstandards, Regulierung, oder Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen ist es das primäre Ziel von Freihandelsabkommen, die gegenseitigen Einfuhrzölle zu reduzieren. Dadurch erhalten Schweizerinnen und Schweizer ausländische Produkte zu tieferen Preisen. Gleichzeitig verbessert sich der Marktzugang für heimische Firmen, wenn diese im Gegensatz zu ausländischen Konkurrenten keine Zollabgaben leisten müssen. Auch wenn nicht jedes Unternehmen und jede Branche gleichermassen profitieren, ist dies gesamthaft ein Gewinn für die am Abkommen beteiligten Länder. Für die Schweiz gilt dies auch deshalb, weil manche Firmen bewusst hierzulande statt in den EU-Nachbarländern produzieren, wenn durch Handelsabkommen hinreichend Zollabgaben gespart werden können.

Standortbedingungen in der Schweiz pflegen

Für die Schweiz ist der global wütende Protektionismus Herausforderung und Chance zugleich. Der seit längerem verfolgte Weg, mit ausgewählten Handelspartnern Freihandelsabkommen zu schliessen, ist richtig. Für die Schweizer Politik gilt es in den kommenden Jahren, die guten Standortbedingungen hierzulande zu pflegen. Gelingt dies durch weitere Handelsabkommen und ganz allgemein durch eine weitsichtige Wirtschaftspolitik, so kann die Schweiz auch und gerade in einem schwierigeren globalen Umfeld erfolgreich sein. Die jüngere Vergangenheit zeigt den Erfolg der handelspolitischen Strategie und liefert eine gute Basis für die Zukunft.

Stefan Legge ist promovierter Ökonom und Dozent am Schweizerischen Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität St.Gallen.
 

Bild: Adobe Stock / ink drop

 

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