Campus - 17.10.2023 - 08:00
Andreas Oberholzer absolvierte an der HSG seinen Bachelor in BWL und Master in Business Innovation und arbeitet nun seit eineinhalb Jahren als Unternehmensberater bei Accenture Song im Bereich Digitales Marketing. Während seines Studiums engagierte sich Andreas vielfältig, beispielsweise arbeitete er bei der StartWoche und der Kommunikationsabteilung der HSG, startete den Student Podcast, engagierte sich bei der SHSG und empfing Interessierte beim Maturand:inneninfotag. Während seines Studiums reiste Andreas an LGBTQ+ Konferenzen für Studierende in London und Madrid. Inspiriert von diesen Konferenzen fiel Andreas auf, dass an der HSG etwas fehlt – ein Pride Month.
Etwa ein Jahr vor dem ersten Pride Month kam Andreas diese Idee. Im Dezember 2019 pitchte er dem Vorstand von UniGay seinen Vorschlag und fand Unterstützung. Im Januar zog Andreas dann mit einer PowerPoint-Präsentation zum Rektorat und stellte Gründe vor, warum die HSG einen Pride Month braucht. Auch das Rektorat befürwortete die Idee und schliesslich konnte Andreas noch finanzielle Unterstützung für sein Vorhaben von der Gleichstellungskommission erhalten. Stolpersteine auf dem Weg zum ersten Pride Month gab es kaum. «Widerstand gab es nur im Kleinen, zum Beispiel war eher Thema, ob man die Regenbogenflagge eine Woche oder drei Wochen aufhängt», berichtet Andreas. Bei der Organisation des Pride Month half sich auch sein vorheriges Engagement, da er viele interne Stakeholder der Universität bereits kannte und diese wussten, dass sie sich auf ihn verlassen können.
Dem Team um Andreas war es wichtig, dass der erste Pride Month mit einem Statement des Rektors Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller startete, der die Relevanz der Initiative betonte. Das Thema Pride war an der HSG nicht selbstverständlich. Eine grosse Kampagne mit Fahnen, Plakaten, Videos auf Instagram sowie einem Fernseh- und Radiobeitrag machten Anfang Oktober 2020 auf dem Pride Month an der HSG aufmerksam. Dies führte zu vielen Reaktionen, und so liessen sowohl Unterstützung als leider auch negative Kommentare, Memes oder Jodel-Nachrichten nicht lange auf sich warten. «Den ersten Tag des Pride Month habe ich schwer geschluckt», erzählt Andreas.
Seit 2020 ist der Pride Month jedes Jahr gewachsen und Kooperationen beispielsweise mit der Stadt St.Gallen, dem Kanton, der Ostschweizer Fachhochschule oder sogar Google haben sich etabliert. Auch inhaltlich sind die Themen komplexer geworden. Beim ersten Pride Month musste Andreas noch bei den Grundlagen anfangen und Studierenden beispielsweise erklären, was die Regenbogenflagge bedeutet oder wofür «LGBTQ+» steht. In den kommenden Jahren wurden vermehrt intersektionell Themen wie psychische Gesundheit, Gender, und sexuelle Übergriffe behandelt. Zudem fand die queere Kultur Einzug in den Pride Month, etwa durch den diesjährigen Voguing-Tanzkurs.
Auch wenn der Pride Month der queeren Community eine besondere Sichtbarkeit gibt, so zählt die Community auch auf die Unterstützung aller Menschen. Als „Allies“ können HSG-Angehörige ihre Unterstützung zeigen, indem sie beispielsweise die Regenbogen-Anstecker des Pride Month tragen, Events besuchen und sich vor allem gegen Homophobie einsetzen. Hört man auf dem Campus beispielsweise diskriminierende Aussagen gegen LGBTQ+ Menschen, so sollte man dagegen einschreiten und zu einer respektvolleren und inklusiveren Campuskultur beitragen.
In den letzten Jahren hat sich die HSG weiterentwickelt. Andreas hat beobachtet, dass die Diversität an der HSG heutzutage viel grösser ist und sich die Studierenden individueller ausleben oder kleiden als noch im Jahr 2015, als er an die HSG kam. Zu diesem Wandel gehört auch, dass Themen wie Nachhaltigkeit, Intersektionalität oder Gender Studies ihren Platz an der Universität gefunden haben, und zu diesem Wandel trägt auch der Pride Month bei. Die Welt an der HSG ist bunter, als sie es auf den ersten Blick scheint.
Zudem sollen Initiativen wie der Pride Month auch dazu beitragen, dass die HSG diverse Studierende, Lehrende und Mitarbeitende anwerben kann. Vor allem eine diversere Fachschaft ist wichtig, denn es braucht Vorbilder, mit denen sich die Studierenden identifizieren können. Mittlerweile setzen sich auch viele Unternehmen lautstark für Diversity und Pride ein. Wenn die HSG da mithalten möchte, dann muss auch hier auf dem Rosenberg ein Zeichen gesetzt werden.
Zeichen wie ein Pride Month sind gerade an Universitäten wichtig, da diese als Experimentierfeld und Ort der Reflexion und Progressivität agieren. Zudem ist es ein Auftrag der HSG, die Gesellschaft progressiv zu entwickeln und mitzugestalten, wozu auch der Einsatz für die LGBTQ+ Community gehört. Das Lernen an der Universität sollte in einem Umfeld der Offenheit und des Respekts passieren, indem sich auch queere Menschen wohlfühlen, weshalb es wichtig ist, dass die Universität den Pride Month unterstützt. Es sei keine politische Frage mehr, ob man die LGBTQ+ Community unterstützt, sondern die Unterstützung und Offenheit habe sich zu einem gesellschaftlichen Wert etabliert, so Andreas.
Seit einem Jahr ist Andreas auch als Dragqueen «Betty Business» unterwegs. In einem Gender Studies Kurs an der HSG wurde Drag thematisiert und Andreas begann, sich mit Geschlechterrollen auseinanderzusetzen. Genau in diesem Kurs entstand auch das Konzept von Andreas Drag Persona, denn ein Kollege meinte zu ihm: «Du machst ja schon Make-Up für den Ausgang und da könntest du auch Drag machen. Dann wärst du nicht Betty Bossi in der Küchenwelt, sondern Betty Business in der Businesswelt und arbeitest mit PowerPoint-Folien.»
Erst nach dem Studium wurde Andreas durch einen Drag-Workshop der Schweizer Dragqueen Milky Diamond zur Umsetzung dieses Konzepts bewegt. Seitdem verbindet HSG-Alumna Betty Business die queere Welt und das Nachleben mit der Businesswelt. Umgekehrt bringt sie aber auch die Businesswelt ins Nachtleben und präsentiert ihre Slides in Diskotheken und durchbringt den Stereotyp eines HSG-Alumni. Sie referiert im Businesskontext über Safe Spaces, Self-Expression und das Hinterfragen von Normen im Geschäftsalltag, in die beispielsweise queere und viele andere Menschen oft nicht hineinpassen. Auch an ihrer Alma Mater dozierte Betty Business im Rahmen der Diversity & Inclusion Week. Andreas möchte Betty Betty Business als Inspirational Speaker etablieren und auf Teamevents oder Konferenzen mit seiner Vision, mehr Vielfalt, Farbe, Glitzer und Pink in die eintönige Businesswelt zu bringen, die Zuhörenden berühren.
Auch in seinem Beruf als Unternehmensberater bei Accenture engagiert er sich für die LGBTQ+ Community. So ist er bei Accenture Co-Lead der Pride Initiative in der Schweiz, Mitgestalter der globalen Pride Kampagne 2023 und Referent über Diversity. Beim Berufseinstieg stellte sich für Andreas gar nicht die Frage, ob er sich am Arbeitsplatz outet, denn für ihn ist es normaler Umgang, beispielsweise über den Urlaub mit seinem Freund am Arbeitsplatz zu erzählen. Queeren Berufseinsteiger:innen rät Andreas, ein Unternehmen zu finden, in dem man sich nicht verstecken muss. Unternehmen auf der anderen Seite sollten auf der Website über LGBTQ+ - Initiativen informieren und das Swiss LGBTI-Label anstreben, welches klare Standards zur Queerfreundlichkeit setzt. Es brauche in der Businesswelt mehr offen queere Vorbilder und Führungskräfte – vor allem mehr «bunte Vögel», wie Andreas meint.
Gehörst auch du zur LGBTQ+ Community? Hier findest du Ressourcen der HSG und im Raum St.Gallen:
https://www.getcon.ch/
https://www.unigay.ch/
Chancengleichheit an der Universität St.Gallen
Psychologische Beratungsstelle der Universität St.Gallen
https://www.otherside-lgbtq.ch
https://du-bist-du.ch/
https://www.ahsga.ch
Victoria Lorenzen studiert im ersten Semester des Masterstudiengangs Banking and Finance an der Universität St.Gallen
Bild: Andreas Oberholzer als «Betty Business» bei der Diversity & Inclusion Week 2023 am WBZ, Fotografin: Anna-Tina Eberhard
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