Campus - 07.05.2025 - 15:00
Wie gehen Unternehmen mit einer Welt im Wandel um? Die diesjährige Ausgabe des «Voices of the Leaders of Tomorrow Reports» vom Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) in Kooperation mit dem St. Gallen Symposium zeigt: Junge Führungskräfte und etablierte Topmanager nehmen geopolitische Risiken und unternehmerische Verantwortung fundamental unterschiedlich wahr. Deutlich auseinander gehen die Einschätzungen vor allem beim Ausmass und den Folgen einer multipolaren Weltordnung. Während junge Führungskräfte geopolitische Risiken als akute Bedrohung einstufen, setzen viele etablierte Manager weiterhin auf Stabilität und Kontinuität.
Für die Studie «Voices of the Leaders of Tomorrow» werden jährlich Nachwuchstalente aus dem internationalen Netzwerk des St. Gallen Symposiums sowie Senior Executives aus den umsatzstärksten Unternehmen weltweit zu ihren Perspektiven auf die grossen Themen unserer Zeit befragt. Die Studie wird durch das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen in Kooperation mit dem St. Gallen Symposium durchgeführt. Für die diesjährige Ausgabe der Studie wurden 800 Nachwuchstalente unter 35 Jahren, die so genannten «Leaders of Tomorrow», und 275 erfahrene Manager aus einigen der weltweit umsatzstärksten Unternehmen befragt.
Die zentralen Erkenntnisse der Studie im Überblick:
«Erfahrung ist wertvoll, aber sie hemmt, wenn sie an überholten Denkmodellen festhält, wo mutige Neuausrichtung gefragt ist», sagt Felix Rüdiger, Co-Autor der Studie am St. Gallen Symposium. Unternehmen wären demnach gut beraten, die Perspektive der Leaders of Tomorrow ernst zu nehmen und sich auf tiefgreifende und anhaltende geopolitische Verwerfungen vorzubereiten. Studienautor Dr. Fabian Buder vom NIM ist überzeugt: «Die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen deuten darauf hin, dass es Ideen wie Kooperation und Arbeitsteilung schwerer haben, sich durchzusetzen. Unsere Umfrage offenbart, dass viele Firmenlenker von den Entwicklungen überrascht waren, obwohl sie sich abgezeichnet haben. Unternehmen müssen sich hier künftig strategisch besser aufstellen und geopolitischen Entwicklungen mehr Aufmerksamkeit schenken.»
Einen weiteren Aspekt diskutierten Mitglieder des Club of Rome mit Gästen des St. Gallen Symposiums auf Basis des Reports «How Intergenerational Leadership Unlocks Innovation and Sustainability in Business». Gemäss dieser Auswertung besteht eine signifikante Alterslücke in der Unternehmensführung: Während das Durchschnittsalter der globalen Erwerbsbevölkerung bei 39,6 Jahren liegt, beträgt das Durchschnittsalter von CEOs weltweit 56,8 Jahre. In Aufsichtsräten grosser Märkte wie Brasilien, den USA, der EU, Südafrika und Indien liegt das Durchschnittsalter zwischen 58 und 64 Jahren. Diese Diskrepanz führt dazu, dass jüngere Perspektiven in Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert sind. «Generationenübergreifende Führung trägt nicht nur zur Lösung aktueller Herausforderungen bei, sondern stellt auch einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen dar», bekräftigte ein junger Gast des St. Gallen Symposiums in einer Diskussionsrunde auf dem Campus der Universität St.Gallen.
Einen Kontrapunkt setzte Harvard-Wirtschaftsprofessor John Kay in einer weiteren Debatte im SQUARE auf dem Campus der HSG. Er sprach sich dafür aus, dass sich Unternehmen wieder auf ihr Kerngeschäft besinnen sollten, gute Produkte zu entwickeln – gemäss der Devise «The Business of Business is Business». Die Konfusion von politischem Engagement und Geschäftsgebaren sei zu gross, wie Elon Musks neue Funktion in der Trump-Administration zeige. «Elon Musk should shut up and focus on creating good cars again», sagte Kay. Seine These stiess bei der jungen Generation im Raum auf wenig Begeisterung. HSG-Studentin und Konferenzorganisatorin Jade Josephine Röller sprach sich dafür aus, dass sich CEOs gerade in einer bröckelnden Demokratie wie in den USA für demokratische Werte stark machen sollten. Gemeinsam mit Podiumsgast und Public-Affairs-Experte Johannes Bohnen aus Deutschland machte sie sich für die Idee stark, CEOs Allianzen bilden zu lassen, welche die freiheitliche Gesellschaftsordnung stärken.
Umfragen wie die vorliegende Studie ziehen auch die Frage nach sich: Welche Art der Führung braucht es in unsicheren Zeiten? Dazu äusserte sich Heike Bruch, Professorin für Leadership an der Universität St.Gallen, kürzlich im Gespräch mit dem Handelsblatt: «Ich empfehle jeder Führungskraft, sich für den eigenen Aufgabenbereich bewusst zu machen: Welche meiner Tätigkeiten sind bekannt und routiniert? Und wo gilt es, neue Lösungswege auszuprobieren? Viele gehen mit altem Werkzeug an neue Probleme. Das ist kontraproduktiv. Genauso schädlich ist es aber, wenn man an bekannte Aufgaben mit immer neuen Lösungen rangeht und zu wenig standardisiert.» Orientierung böte eine Führung, die alles betone, was langfristig Stabilität gäbe, ergänzte die Expertin. Führungskräfte sollten sich fragen: «Haben wir eine Strategie, die grundsätzlich Bestand hat? Gibt es eine Vision, ein Zukunftsbild, an dem wir uns orientieren können? Bestimmte Werte, die ich meinen Leuten jetzt umso deutlicher vorleben muss? All das schafft ein Fundament, auf dem sich alle wieder sicherer fühlen. Führungskräfte sollten nicht so tun, als gäbe es nichts mehr, auf das man sich verlassen kann.»
Bild: Hannes Thalmann
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