Leute - 09.12.2022 - 08:05
Die Preisverleihung im Audimax ist öffentlich. Medienschaffende und Öffentlichkeit sind herzlich willkommen: Montag, 19. Dezember 2022, 19.15 bis 19.45 Uhr, mit anschliessendem Apéro.
Der Marie Heim-Vögtlin Preis ist mit 25'000 CHF dotiert. «Es ist eine grosse Ehre für mich, diese Auszeichnung zu erhalten», sagt HSG-Literaturwissenschaftlerin Anna Elsner. Der Namensgeberin des Preises, Marie Heim-Vögtlin, kommt eine besondere Rolle in der Geschichte der Schweiz und der Frauengeschichte zu: Als erste Ärztin in der Schweiz verkörperte sie eine moderne Frau, die Familie und Beruf vereinbarte. «Die Frage, wie berufstätige Eltern diesen Spagat meistern können, beschäftigt uns immer noch. Ich selbst habe an einem Frauencollege studiert (St. Hilda’s College, Oxford), was mich stark geprägt hat und es ist mir ein grosses Anliegen, forschende Eltern zu unterstützen», erklärt die Literaturwissenschaftlerin.
«Der Preis hat zudem eine spezielle Bedeutung für mich, da sich meine Forschung mit dem System Medizin und der Sterbehilfe beschäftigt», sagt Prof. Dr. Anna Elsner. Das Konzept der Palliative Care wurde Ende der 60er Jahren entwickelt und soll den Sterbeprozess möglichst angenehm gestalten. Dennoch wird das Konzept seither auch immer wieder kritisiert. Die Preisträgerin hat sich in ihrer Forschung mit der Aufarbeitung des Sterbens in der französischen Literatur seit den 70er Jahren auseinandergesetzt und ist dort auf sehr persönliche Einblicke in die Institutionalisierung des Sterbens gestossen.
«Meine Forschung versucht die Rolle der Palliative Care in der französischen Literatur seit den 70er Jahren in Frankreich aufzuarbeiten. Ich konnte zeigen, dass Literatur sich seither auf eine neue Weise mit dem Sterben beschäftigt. Das eigene Sterben wird in vielen dieser Texte zum persönlichen Projekt, wie dies in Ruwen Ogiens Mes Mille et Une Nuits (2017) der Fall ist. Oder aber, die schriftstellerische Begleitung des Sterbens eines geliebten Menschen wird selbst zu einer Art palliativen Praxis.» Kritik an der modernen Medizin spiele aber in allen diesen Texten eine zentrale Rolle, so Anna Elsner.
Ein weiteres Forschungsprojekt von Anna Elsner wurde kürzlich mit einem renommierten ERC Starting Grant ausgezeichnet. «Mein Team und ich erforschen die Rolle von Texten und Filmen in Gesetzgebungsprozessen in Bezug auf das assistierte Sterben», erklärt Professorin Elsner. Das Projekt, das sich auf mehrere Sprachregionen und Kulturen sowie fünf unterschiedliche Rechtssysteme konzentriert, soll einen differenzierten Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten über die Sterbehilfe ermöglichen. Die Relevanz des Projektes, das sich mit Veränderungen in Gesetzgebungsprozessen beschäftigt und diese vergleicht, ist gerade jetzt wieder aktuell: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am 9. Dezember 2022 einen Bürgerrat zum Thema Sterbehilfe einberufen. Dies könnte Ende 2023 zu einem neuen Gesetz führen. «Wir werden diesen Prozess genau begleiten und untersuchen, in welcher Form Texte, Filme und mediatisierte Einzelfälle in die Diskussionen miteinbezogen werden.»
Anna Elsner ist seit September 2020 Assistenzprofessorin für Französische Literatur und Kultur an der School of Humanities and Social Sciences (SHSS-HSG) der Universität St.Gallen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der französischen Literatur und Philosophie des 20./21. Jahrhunderts und in den Medical Humanities – Literatur und Medizin, Film- und Medienwissenschaft sowie Philosophie der Medizin und Medizinethik. Vor ihrer Berufung an die HSG forschte und lehrte Anna Elsner an den Universitäten Oxford und Zürich sowie am King’s College in London. Sie erhielt ihren Doktortitel (Ph.D.) 2011 von der Universität Cambridge.
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