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Forschung - 16.06.2023 - 13:30 

Trendstudie 2023: Unternehmen zwischen Limit und gesunder Hochleistung

Wie wirken sich Digitalisierung, Pandemie und Fachkräftemangel auf Arbeitgeber und Mitarbeitende in Betrieben aus? Dies hat das Institut für Führung und Personalmanagement (I.FPM-HSG) in Kooperation mit dem Zentrum für Arbeitgeberattraktivität (zeag GmbH) in einer repräsentativen Trendstudie zu Leadership- und Kulturthemen in deutschen Unternehmen untersucht. Die Studie bietet Ansatzpunkte, wie Unternehmen ihre Situation verbessern können.
Jährlich veröffentlicht das I.FPM-HSG,in Kooperation mit dem Zentrum für Arbeitgeberattraktivität, zeag GmbH, eine repräsentative Trendstudie zu zentralen Leadership- und Kulturthemen in deutschen Unternehmen.

Die heutige (Arbeits-)Welt befindet sich in tiefgreifenden Umbrüchen. Entscheidende Megatrends wie die digitale Transformation, New Work oder Wertewandel zeigen ihre Wirkung in Unternehmen. Gleichzeitig fordern globale Krisen, ein sich zuspitzender Wettbewerbs- und Innovationsdruck sowie ein gravierender Arbeitskräftemangel Unternehmen mehr denn je. 

25% der befragten Unternehmen am Limit

Die Paradigmenwechsel der vergangenen Jahre erhöhen auch den Druck auf deutsche Arbeitgeber – die darauf ihr Arbeitstempo erhöhen und den Druck im schlimmsten Fall an ihre Mitarbeitenden weitergeben. Die meisten dieser Firmen drohen in eine sog. «Beschleunigungsfalle» zu geraten: Anzeichen von Erschöpfung in der Belegschaft werden oft als mangelnde Arbeitsmotivation interpretiert und der Druck wird folglich weiter erhöht. In der Konsequenz zeigt sich eine ausgeprägte kollektive Erschöpfung: 25% der befragten Unternehmen arbeiten 2022 am Limit. 

Die Studie vergleicht in besonderem Masse die gesündesten und produktivsten Firmen, sog. «gesunde Hochleistungsunternehmen», mit den aktuell am schwächsten aufgestellten Organisationen, 
sog. «Unternehmen am Limit». Die Erkenntnisse weisen auf jene Eigenschaften hin, die Firmen modern und leistungsstark machen. 

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:

  • Über 80% der Mitarbeitenden in Unternehmen am Limit fühlen sich in keinem guten Gesundheitszustand. Sie verzeichnen 11% mehr Abwesenheitstage ihrer Mitarbeitenden als gesunde Hochleistungsunternehmen. 
  • Die Unternehmensleistung erschöpfter Unternehmen ist knapp ein Viertel geringer als die von gesunden Hochleistungsorganisationen. Ausserdem sind sie 18% weniger produktiv und wachsen 13% geringer.
  • Lediglich ein Drittel der Mitarbeitenden in Unternehmen am Limit sind zufrieden mit ihrem Arbeitgeber. Auch die Arbeitgeberattraktivität bricht um mehr als 12% ein.

Studiendaten bestätigen zwei Extreme

Rund 15% der Unternehmen haben es geschafft, disruptive Zeiten besonders erfolgreich zu meistern. «Diese Firmen zeichnet ihre Haltung aus», sagt Prof. Dr. Heike Bruch, Studienautorin und Professorin für Leadership und Direktorin am Institut für Führung und Personalmanagement (I.FPM-HSG). «Sie begreifen Herausforderungen als Chance für einen Wandel und richten ihr Unternehmen entsprechend aus. Im Resultat profitieren sie von starkem Zusammenhalt, positivem Engagement und einer hohen Sinnerfüllung in der Belegschaft und im Unternehmen.» Die Studiendaten bestätigen, dass 75% der gesunden Hochleistungsunternehmen von ihren Mitarbeitenden als überaus attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Gleichzeitig leiden nur rund 10% dieser Unternehmen unter einem Arbeitskräftemangel. 

Anders sehe es bei Unternehmen am Limit aus, so Marvin Neu, Studienautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am I.FPM-HSG: «Ihr Arbeitsalltag ist geprägt von kollektiver Erschöpfung und gleichzeitig hoher Resignation bei grossen Teilen der Mitarbeitenden. Den erhöhten Anforderungen begegnen sie häufig mit mehr Arbeit und Druck. Gleichzeitig verharren diese Unternehmen in alten Mustern. Notwendige Änderungen, wie etwa eine veränderte, digitalisierte Zusammenarbeit, setzen sie zwar um – scheitern aber an veralteter Führung und Kultur.» 62% der Unternehmen am Limit leiden an einem starken Arbeitskräftemangel. Ihren Arbeitgeber nehmen rund 90% der Mitarbeitenden als wenig attraktiv wahr. 

Hauptursachen für die Beschleunigungsfalle

Zu den Hauptursachen für eine Beschleunigungsfalle gehören: 

  • Sinnempfinden: Eine Arbeit wird von Mitarbeitenden häufig dann als sinnvoll empfunden, wenn sie bedeutsam und kohärent mit dem eigenen Lebensstil ist, substanziell zu bekannten und akzeptierten Unternehmenszielen beiträgt und wenn Mitarbeitende im Rahmen ihrer Tätigkeiten Wertschätzung erfahren. In hohem Masse empfinden dies 75% der Mitarbeitenden in gesunden Hochleistungsunternehmen. Lediglich 12% erreichen Unternehmen am Limit in dieser Kategorie. 
  • Führung: Mehr als 75% der gesunden Hochleistungsunternehmen etablierten im Jahr 2022 in ihren Unternehmen ein transformationales Führungsklima. In Unternehmen am Limit erleben 67% der Mitarbeitenden eine autoritäre Führung – häufig als Ergebnis eines Führungsvakuums: Mitarbeitende nehmen ihre Führungskraft dort immer weniger wahr. 
  • Unternehmenskultur: Gesunde Hochleistungsunternehmen verkörpern mit etwa 90% eine moderne Unternehmenskultur. Diversitätsmanagement fördert hier soziale, kulturelle und ethnische Vielfalt. Emotionalisierende HR-Massnahmen stärken das Miteinander zusätzlich. Mitarbeitende erfahren ausserdem gezielte Weiterentwicklung. 80% der Unternehmen am Limit weisen das Gegenteil auf. 
  • Leistungsfokussierung: Gesunden Hochleistungsunternehmen ist es gelungen, den Leistungsdruck in ihrem Unternehmen in herausfordernden Zeiten gering zu halten und gleichzeitig positive Energien zu mobilisieren. Während nur rund 38% dieser Firmen eine starke Leistungsorientierung mit Managementsystemen fördern, sind es bei den Unternehmen am Limit mehr als 75%. In Unternehmen am Limit erfahren 91% der Mitarbeitenden einen überfordernden Leistungsdruck, der durch leistungszentrierte HR-Systeme befeuert wird. 

Informationen zur Studie

Diese «Trendstudie» soll als Sprungbrett dienen und Unternehmen helfen, typische Muster zu erkennen und gezielt zu durchbrechen. Besonders in disruptiven Zeiten geht es darum, gezielte Massnahmen einzuleiten und gesunde Hochleistung zu fördern. Die zeag GmbH befragte im Rahmen der Arbeitgeberbewertung TOP JOB insgesamt über 10’000 Mitarbeitende und Führungskräfte aus über 80 deutschen Unternehmen. Die Konzeption und Auswertung der Befragung übernahm das Institut für Führung und Personalmanagement (I.FPM-HSG) an der Universität St.Gallen. Im Ergebnis entstand eine repräsentative Stichprobe der deutschen Arbeitnehmerschaft in einem diversen Spektrum kleiner (25%), mittelständischer (44%) und grösserer Unternehmen (31%) mit einer Zahl an Mitarbeitenden zwischen 8 und 2.174. Vornehmlich nahmen Unternehmen aus dem Bereich Service und Dienstleistungen sowie dem Produktionsbereich teil. Doch auch Finanz-, Versicherungs- und Immobilienbetriebe sowie Firmen aus dem Gross- und Einzelhandel und dem Baugewerbe wurden befragt. 

Die Gesamtstudie, Praxisbeispiele mittelständischer Unternehmen sowie Handlungsideen unter: www.topjob.de

Bild: Adobe Stock / leonidkos

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