close

Forschung - 22.01.2025 - 08:30 

Künstliche Intelligenz in Finanzabteilungen: Firmen aus dem DACH-Raum führend in Europa

Eine internationale Studie unter Leitung der Universität St.Gallen (HSG) zeigt, dass die Bedeutung von KI im Finanzwesen wächst. Doch strategische Anwendungen und klare Governance fehlen vielerorts. Der Mittelstand droht zurückzufallen. Firmen aus dem DACH-Raum sind führend in Europa.

Wie entwickelt sich die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Finanzabteilungen? Um das herauszufinden, wurden für die Studie «Future Directions in Finance» 542 Finanzexpertinnen und -experten befragt, darunter über 200 Finanzvorstände (CFO). Ziel der Studie war es, zentrale Herausforderungen und Chancen für die Nutzung von KI in Finanzabteilungen zu identifizieren. 
 
Wichtige Ergebnisse der Studie für die DACH-Region: 

  1. Deutschsprachige Länder führen bei KI-Kompetenzen   
    Im internationalen Vergleich schneiden die DACH-Länder im Aufbau von KI-Kompetenzen besser und bei der Anwendung von KI deutlich besser ab als die anderen europäischen Länder. 
     
  2. KI-Nutzung steigt im Finanzwesen langsam, aber stetig  
    Obwohl 60 % der Finanzmitarbeitenden zur Nutzung von KI ermutigt werden, sind nur 18 % für tägliche Aufgaben geschult. Andererseits zeigt sich bei allen bereits eingesetzten Technologien ein Kompetenz- und Nachfragezuwachs. 
     
  3. KI-Anwendungskompetenz der Mitarbeitenden weiter als Verankerung von KI in Organisationen
    90 % der Finanzer haben Anwendungskompetenzen in Generativer KI (ChatGPT etc.), fast 100 % im Bereich der Datenvisualisierung (PowerBI etc.). Dadurch wird deutlich, dass sich Profil und Ansprüche von Finanzern gravierend ändern. Jedoch lediglich 25 % der Organisationen verfügen über eigene KI-Abteilungen. 
     
  4. KI-Unterstützung bei Prognosen  
    Umsatzprognosen stellen ein bevorzugtes Anwendungsfeld für KI dar. Bereits jetzt nutzen 10 % der DACH-Unternehmen eine Mischung aus KI und menschlicher Kontrolle, während 6 % auf rein autonome Lösungen setzten. 7 % der Unternehmen nutzen KI für Inputs. Damit wird bei fast einem Viertel der befragten Unternehmen der DACH-Region KI zur Prognose eingesetzt, gegenüber nur 17 % im europäischen Datensatz. 
     
  5. Vertrauen: Zusammenspiel von KI und Mensch als Mass der Dinge 
    Beim Thema Vertrauen zeigt die Studie deutliche Unterschiede auf: So vertrauen über 90 % der Teilnehmenden Ratschlägen, die durch das Zusammenspiel von KI und Mensch erstellt werden. Bei Ratschlägen, die rein autonom durch die KI generiert werden, ist das Vertrauen deutlich geringer (49 %). 
     
  6. KI als Wettbewerbsvorteil: Mittelstand droht zurückzufallen 
    Grosse und stark wachsende Unternehmen weisen eine stärkere KI-Nutzung auf. Insofern bildet KI eine potenzielle Gefahr für Mittelstand und KMUs. 
     
  7. Governance-Lücke: Finanzabteilungen vernachlässigen klare Richtlinien 
    Über 50 % der Finanzabteilungen im europäischen Datensatz arbeiten ohne umfassende KI-Governance. Das erhöht das Risiko von Datenschutzverletzungen und Compliance-Problemen. Nur 7 % sehen die wesentlichen Risiken als vollständig abgedeckt.  


Methodik 

Die Studie basiert auf einer umfassenden internationalen Befragung, die zwischen Juli und Oktober 2024 durchgeführt wurde. Insgesamt nahmen 542 Finanzexpertinnen und -experten aus sieben Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Schweden, Spanien und den Niederlanden) teil. Die Befragung umfasste Fragen zu aktuellen und potenziellen Einsatzmöglichkeiten von KI im Finanzbereich sowie zu Governance, Kompetenzen und strategischer Ausrichtung. Die Teilnehmenden stammen aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Grössen, was ein breites Spektrum an Perspektiven gewährleistet. Neben quantitativen Daten, etwa zur Nutzung von KI-Tools und vorhandenen Governance-Frameworks, wurden qualitative Einschätzungen zur Rolle der Finanzabteilungen erhoben.  

Die Studie wurde in Kooperation folgender Universitäten erstellt: Universität St.Gallen (HSG), ESADE Ramon Llull University, SDA Bocconi, Stockholm School of Economics, Wirtschaftsuniversität Wien und Utrecht University. 

Fazit 

Studienleiter Prof. Dr. Klaus Möller von der Universität St.Gallen sieht grosses Potenzial beim Einsatz von KI, betont aber auch die Dringlichkeit, das Thema durch entsprechende Governance-Regelungen zu begleiten. «Unsere Studie zeigt, dass der Finanzbereich trotz grosser Potenziale noch weit von einer strategischen Nutzung von KI entfernt ist. Deren Erfolg wird davon abhängen, wie schnell Kompetenzen und Governance-Frameworks aufgebaut werden.» 

«Accounting AI Lab» in der Schweiz

Die Forschung zum Verhältnis von Künstlicher Intelligenz und Finanzwesen wird darüber hinaus in der Schweiz vertieft. Zu diesem Zweck gründet Prof. Dr. Klaus Möller zusammen mit Prof. Dr. Antonio Davila von der Universität Lausanne und weiteren Kolleg:innen ein «Accounting AI Lab». Im Rahmen dieses vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Projekts untersuchen die Forscher, wie KI den Finanzbereich revolutionieren kann – von der Akzeptanz und dem Vertrauen in KI bis hin zu Strategien für eine effektive Mensch-KI-Interaktion. Dieses Projekt knüpft direkt an die Erkenntnisse aus dem Bericht «Future Directions in Finance» an, der die wachsende Bedeutung von KI und Technologiekompetenzen im Finanzwesen hervorhebt. Weitere Informationen zu diesem Projekt folgen zu gegebener Zeit.


Bild: Adobe Stock / ipopba

Entdecken Sie unsere Themenschwerpunkte

north