Campus - 24.09.2024 - 10:53
Bildlegende: Das Zentrale Institutsgebäude (ZIG) der HSG, in das 2004 auch das IfB-HSG einzog.
Tippspiele, wie sie während der EM diesen Sommer populär waren, kann man auch in der Forschung einsetzen: Der HSG-Professor J. Peter Murmann lässt an sogenannten Vorhersageturnieren Vertreter der Autoindustrie sowie Berater gegeneinander antreten. «Sie beantworten dann eine Liste von Fragen. Etwa, wie sich die Preise von Rohstoffen für die Automobilproduktion entwickeln, welche Software sich durchsetzt oder welche Marken auf welchen Märkten wachsen werden», sagt Murmann. Nach festgelegten Zeitabläufen wird geprüft, wie genau diese Vorhersagen waren. «Dabei interessiert mich, wie die erfolgreichen ‘Tipper’ auf ihre Annahmen kamen», sagt Murmann. Das wiederum gebe allgemeine Hinweise zur Entscheidungsfindung, die für Manager in verschiedensten Branchen interessant sein können.
Murmann ist Co-Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft (IfB-HSG), das 2024 70 Jahre alt wird und dessen Jubiläum vergangenen Juni mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden gefeiert wurde. Murmanns Forschungsprojekt ist aktuell, doch es baut auch auf die Geschichte des IfB auf. Diese ist seit Beginn von praxisnaher Forschung geprägt.
Im Dezember 1954 gegründet sollte das Institut «nach amerikanischem Vorbild» Fragestellungen aus Unternehmen mit wissenschaftlichen Methoden bearbeiten, wie es in der Jubiläumsschrift heisst, die das IfB veröffentlicht hat. Es ist eines der ältesten und grössten der 36 Institute, die die HSG heute massgeblich prägen. Zum ersten IfB-Personal gehörte unter anderem der Ökonom Hans Ulrich, der ab 1954 während 30 Jahren an der HSG forschte und lehrte.
Die Anfänge waren bescheiden: Nach der Gründung bezog das IfB zwei Zimmer am Bahnhofsplatz, die die Stadt St.Gallen gratis zur Verfügung stellte – doch bereits Ende der 1950er-Jahre war es zur «grössten Unternehmensberatung der Schweiz» geworden, wie Murmann sagt. Parallel zur Beratung veröffentlichte das Institut kurze Publikationen, deren Inhalte direkt in der Berufswelt umsetzbar sein sollten. Damals erschienen sogenannte «Breviers», also Handbücher, zu den Themen Organisation, Rechnungswesen sowie Arbeitsvereinfachung.
Das IfB prosperierte und so zählte es 1964 rund 40 Mitarbeitende. Weil durch externe Beratungen und Publikationen ein finanzielles Polster geschaffen war, stärkte das Institut ab Mitte der 1960er-Jahre seine Forschungstätigkeit. Ein zentrales Resultat davon war 1972 die Veröffentlichung des St.Galler Management-Modell von Hans Ulrich und Walter Krieg, das im deutschsprachigen Raum auf viel Resonanz stiess. Es weitete den Blick der Manager:innen über das Unternehmen hinweg und betonte, dass der funktionierende Austausch mit verschiedenen Umwelten und Stakeholdern essentiell ist. «Für mich ist das paradox – aus dem sehr praktisch orientierten IfB entstand eine hochkomplexe Theorie über Management», sagt Strategieexperte Murmann. Das zeige, dass an den Instituten der HSG Vielfalt gelebt werde.
Das IfB musste in seiner Geschichte aber auch durch stürmische Zeiten: 1979 spaltete sich die Abteilung Unternehmensberatung ab, 17 Mitarbeitende verliessen das Institut und gründeten eine private Firma. Und in den 1980er-Jahren waren die IfB-Dozierenden – wie alle HSG-Dozierenden – vor allem vom starken Wachstum der Studierendenzahlen gefordert.
In der Forschung dominierte die Weiterentwicklung einer Managementlehre mit ganzheitlichem Ansatz. Management, so der Grundanspruch, müsse einen gesamtgesellschaftlichen Blick anwenden – und die Wirksamkeit des Managers sei in diese komplexen System letztlich begrenzt. «Der Manager ist eigentlich ein Gärtner – er kann Samen pflanzen, die Entwicklung der eigentlichen Pflanze kann er aber nur am Rande beeinflussen», erklärt Murmann das in der IfB-Forschung angewandte Verständnis von Management.
Seit den 1990-er Jahren bis heute vollzog das IfB einen weiteren starken Wandel: Die Weiterbildung rückte in den Fokus des Instituts. «Wir machen heute wenig Unternehmensberatung oder Auftragsforschung», sagt Murmann. Im Zentrum stehe Weiterbildung oder eigene Forschung. Heute bietet das IfB CAS, DAS und Einzelkurse in den Bereichen Strategie, General Management, Finanzen und Leadership an. «Dank der Weiterbildung bleiben wir im engen Austausch mit Berufsleuten. Das gibt uns praxisnahe Inputs für unsere Forschung», sagt Murmann. Die Nachfrage ist gross: In den letzten fünf Jahren verdoppelte sich die Teilnehmendenzahl der Kurse.
In der IfB-Lehre an der Kernuniversität selbst war 2004 die Lancierung des Masterstudienganges Strategy and International Management (SIM) prägend, welcher seit 2017 von Tomi Laamanen geleitet wird. Mit diesem stark international ausgerichteten Studiengang erreicht die HSG in internationalen Rankings regelmässig Spitzenplätze. Auch das IfB richtete sich stärker international aus und nannte sich auf Englisch ab 2018 «Institute of Management and Strategy», während der deutsche Name beibehalten wurde. Ein weiterer am IfB angesiedelter Studiengang ist der im Jahr 2022 neu reformierte Master in General Management (MGM), unter der Leitung von Christoph Lechner. In diesem Master lernen die Studierenden die Management-Kompetenzen, um den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.
Neben Peter Murmanns und Tomi Laamanens Forschung zu Strategie und Voraussagbarkeit des Erfolgs von Unternehmen wirken am IfB heute Forschende in sechs thematisch aufgeteilten Kompetenzzentren. Dazu gehört beispielsweise jenes für Circular Economy von Karolin Frankenberger und Fabian Takacs. Eines ihrer Projekte ist das Circular Lab. In diesem erforschen und erarbeiten sechs Hochschulen und 30 Unternehmen Konzepte für die Kreislaufwirtschaft.
Ein weiteres Team unter Björn Ambos beschäftigt sich insbesondere mit Innovation in multinationalen Unternehmen. Und Christoph Lechner und sein Team forschen in den Bereichen digitale Plattformen, Ökosysteme und Unternehmensstrategie.
Im Ausblick der Jubiläumsschrift heisst es: «Das IfB hat sich in seiner Geschichte stets um Forschung, Lehre und Weiterbildung bemüht.» Zudem hätten die Mitarbeitenden stets versucht, eine Balance zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung zu finden. «Dies, um einerseits Beiträge zur Wissenschaft zu leisten, die sich in den letzten drei Jahrzehnten stark globalisiert hat, und andererseits der Praxis zu helfen, ihre Probleme zu lösen. Auch in Zukunft gilt es diese Balance immer wieder neu zu finden.»
Weitere Beiträge aus der gleichen Kategorie
Entdecken Sie unsere Themenschwerpunkte