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Meinungen - 12.05.2021 - 00:00 

100 Jahre mit Profit, Risiko und Unsicherheit

Frank Knight (1885-1972) ist einer der einflussreichsten Ökonomen der letzten 100 Jahre. Er war der Lehrer und Betreuer von mehreren Nobelpreisträgern, die wie Knight bei der Universität Chicago tätig waren. Am bekanntesten ist sein Buch «Risk, Uncertainty and Profit», das vor genau 100 Jahren veröffentlicht wurde. Von Patrik Aspers.

12. Mai 2021. Die Hauptthese des Buches ist, dass unter der Annahme perfekter Informationen und rationaler Akteure Entscheidungen mit Wahrscheinlichkeiten von unterschiedlichen Ergebnissen getroffen werden können. Da alle diese rationalen Akteure die gleichen Informationen haben und gleich handeln, gibt es keinen Raum für unternehmerische Gewinne.

Lehrstoff für mehrere Generationen von Ökonomiestudierenden

Schade ist jedoch, dass der Teil von Knights Buch, der hervorgehoben wurde, seine Gedankenexperimente zu einer Wirtschaft ohne Transaktionskosten mit perfekter Information, homogenen Gütern und rationalen Akteuren war, der dann Lehrstoff für mehrere Generationen von Ökonomiestudierende gewesen ist. Und zwar deshalb, weil Knight meint, dass wir eigentlich in einer Welt leben, die stark von Unsicherheit geprägt ist. Unsicherheit bedeutet, dass wir die Wahrscheinlichkeit für die unterschiedlichen Handlungsalternativen nicht angeben können. In dieser Welt können Gewinne erzielt werden, denn dann schafft Unsicherheit Chancen. Laut Knight sollte weder bei Forschern noch bei Unternehmern die Frage der Berechnung von Risiken und Wahrscheinlichkeiten im Mittelpunkt der Analyse stehen.

Hätten sich einige derjenigen, die für Knight studierten stattdessen auf das konzentriert, was er als das wichtige und wirkliche Problem ansah, nämlich die Unsicherheit, hätte vielleicht nicht nur die Ökonomie aber auch die Betriebswirtschafslehre etwas anderes entwickeln können. Aber nicht zuletzt nach der Finanzkrise 2007/08 und der anhaltenden Pandemie ab 2020 haben sich viele Ökonomen zunehmend für Unsicherheit statt für Risiko interessiert, obwohl dieser Prozess 100 Jahre lang gedauert hat.

Unsicherheit und Risiko

Mit zunehmendem Interesse an Unsicherheit, also einer Situation, die nicht auf ein Risiko übertragen werden kann, steigt die Relevanz dessen, was Knight schrieb. Bei anderen Fächern, z.B. Soziologie, ist das Problem der Unsicherheit und nicht des Risikos, ebenfalls von zentraler Bedeutung. Die Offenheit der Wirtschaftswissenschaften für eine breitere Sichtweise und die Bereitstellung einer breiteren Ausbildung für Schüler ist ein wichtiges Thema, um bessere Entscheidungen treffen zu können.

Unsicherheit entsteht durch mangelndes Wissen. Das große Problem ist nicht, dass wir durch Forschung und mit der Etablierung von stabilen Institutionen und Regeln, die Unsicherheit verringern können, sondern dass wir die Zukunft nicht vorhersagen können.

Welche Geschichten gestalten die Zukunft? Wie können wir gemeinsam die Zukunft gestalten? Sich auf die Unsicherheit zu konzentrieren bedeutet auch zu untersuchen, wie die Transformation der Unsicherheit stattfindet. Und nicht zuletzt auch Methoden zu entwickeln, mit denen wir die Unsicherheit analysieren, sie verringern und beurteilen können. Dazu ist es interessant zu analysieren und zu wissen, welche Formen der Unsicherheit wir verringern können und welche nicht.

Prof. Dr. Patrik Aspers ist Ordinarius für Soziologie an der Universität St.Gallen.

Bild: Adobe Stock / mbolina

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