Meinungen - 06.06.2017 - 00:00
7. Juni 2017. Der Beratungsmarkt ist gesättigt. Seit Jahren stagnieren die Umsätze der Branche in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Beratungshäuser stehen aber nicht nur untereinander in Konkurrenz. Sie wetteifern auch mit Universitäten: Etablierte Consulting-Firmen versuchen, Hochschulen den Rang abzulaufen. So haben grosse Beratungshäuser eigene Forschungs-Abteilungen etabliert, um selbst neues Wissen zu generieren. Da Berater oftmals doktoriert haben, nehmen sie für sich selbst Forschungskompetenz in Anspruch.
Wer berät besser?
Berater verfügen oftmals über einen Methodenbaukasten, mit dem sie schnell und pragmatisch zu Lösungen kommen. Dies führt aber mitunter zu weniger belastbaren Ergebnissen und erhöht damit die Gefahr von Fehlentscheidungen. Der stagnierende Beratungsmarkt ist denn auch nicht zuletzt die Folge einer gewissen Beratermüdigkeit auf den Top-Etagen des Managements aufgrund von «Fehl-Beratungen» aus der jüngsten Vergangenheit (Stichworte Elbphilharmonie oder Märklin). Die Vermutung liegt nahe, dass Beratungsergebnisse zum Teil «gekauft» sind, weil die Generierung von Umsätzen bei Consulting-Firmen stärker im Fokus stehen mag als eine optimale Kundenberatung. Universitäten in der Beratungsrolle können womöglich eine fundiertere Entscheidungsgrundlage liefern. Mit schnellen Ergebnissen ist hier jedoch kaum zu rechnen, da Hochschulen über begrenzte Ressourcen verfügen und sich dem Anspruch der wissenschaftlichen Korrektheit verpflichtet fühlen.
Wer forscht schneller?
In der Forschung zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Wissenschaftler an Universitäten hinken Beratern oft bei neuen Trends und Themen hinterher, weil der Anspruch des methodisch sauberen Forschens an Hochschulen den schnellen, zukunftsorientierten Analysen von Beraterfirmen entgegensteht. Wegen fehlender Empirie (Datensammlungen) lassen sich visionäre Studien nur schwer in hochrangigen Fachzeitschriften veröffentlichen – dem zentralen Leistungsmassstab für Hochschulforscher. Berater hingegen springen schnell mit eigenen Untersuchungen auf Trends wie zum Beispiel «Industrie 4.0» auf, um ihre Expertise zu vermarkten. Zwar sind Beraterstudien oft weniger stringent als universitäre Analysen, dafür aber näher am Puls der Zeit. Dabei zeigt sich, dass universitäre Forschung keine grossen Chancen mehr auf Aufträge in Märkten hat, die von Beratungsfirmen bereits abgegrast worden sind.
Wer arbeitet genauer?
Wer gewinnt nun den Wettstreit um Praxisrelevanz und methodische Präzision? Einen klaren Sieger gibt es wohl nicht, da einerseits Beratungshäuser mit Akademikern gespickt sind und andererseits Forschende an Hochschulen auch Beratungsdienstleistungen anbieten. Beratungshäuser liefern kompakte Informationen für schnelle Entscheidungen zu aktuellen Fragestellungen, während Universitäten solide Erkenntnisse als Grundlage für strategische Entscheidungen bieten. Um Win-Win-Situationen zu schaffen, erscheinen Kooperationen von Beratungen und Lehrstühlen zielführend, beispielsweise Forschungslabore und gemeinsame Studien.
Eine Podiumsdiskussion an der Jahreskonferenz deutschsprachiger Betriebswirtschafts-Fachleute greift das Wetteifern zwischen Universitäten und Beratungsunternehmen auf. Die Debatte u.a. mit SBB CEO Andreas Meyer und HSG-Professor Andreas Hermann findet am 9. Juni 2017 an der Universität St.Gallen statt. Informationen zur Veranstaltung unter www.bwl2017.com.
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