Das Retailbanking ist mit mehr als CHF 1000 Mrd. an Hypothekarkrediten, rund 22 Mio. ausgestellten Debit- und Kreditkarten sowie monatlich mehr als 160 Mio. Kartenzahlungen und über 12 Mio. Bargeldbezügen von entscheidender Bedeutung für die Schweizer Volkswirtschaft. Die Studie von HSG und EY beleuchtet die wichtigsten Herausforderungen und Chancen der Branche.
Dabei untersucht sie folgende Thesen:
- Die Margen im Retailbanking nehmen langfristig ab
- Innovative Technologien verschärfen den Wettbewerb
- Der gesellschaftliche und regulatorische Druck auf Retailbanken bleibt hoch
- Nachhaltigkeit ohne wirtschaftlichen Mehrwert für die Banken
- Traditionelles Retailbanking bleibt ein erfolgreiches Geschäftsmodell
- Retailbanken brauchen neue Beratungsansätze
- Hohe Erwartungen an das Kundenerlebnis verursachen steigende Kosten
- Die Wertschöpfungstiefe wird sich zunehmend unterscheiden
- Heutige Mitarbeiterprofile erfüllen zukünftige Anforderungen unzureichend
- Wie gross ist der Einfluss von disruptiven Veränderungen?
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
- Stabilität und Attraktivität: Die Banken stufen den Wirtschaftsstandort Schweiz als stabil und attraktiv ein, jedoch mit Herausforderungen: mehr als zwei Drittel (69%) der Retailbanken erwarten, dass sich die Margen langfristig weiter reduzieren.
- Technologische Innovationen: Acht von zehn Retailbanken (81%) erwarten, dass innovative Technologien den Wettbewerb mittelfristig verschärfen. Dabei werden Auswirkungen innovativer Technologien wie beispielsweise KI kurzfristig überschätzt, könnten aber langfristig die Wertschöpfung beeinflussen.
- Gesellschaftliche Verantwortung: Schweizer Retailbanken erkennen die Bedeutung von Vertrauen und regionaler Verantwortung, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit, stehen jedoch vor Herausforderungen bei der Umsetzung. Für mehr als die Hälfte (57%) der Studienteilnehmenden bringt Nachhaltigkeit keinen materiellen wirtschaftlichen Mehrwert.
- Retailbanking und Beratung: Das erprobte Geschäftsmodell im Retailbanking bleibt erfolgreich, doch Banken müssen wachsam sein und ihre Beratungsansätze modernisieren und kundenzentrierter gestalten, um weiterhin als vertraute Hausbank zu fungieren. Dabei gewinnt das finanzielle Grundwissen («financial literacy») ihrer Kunden an Bedeutung. Die Kunden erwarten zudem eine nahtlose Kanalintegration, und Bankfilialen haben auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung.
- Mitarbeitergewinnung und -entwicklung: Angesichts demografischer Veränderungen und Fachkräftemangels ist es für Banken entscheidend, Talente durch sinnstiftende Arbeitsinhalte und Entwicklungsmöglichkeiten zu gewinnen und zu halten.
Wie wahrscheinlich sind disruptive Veränderungen?
Abschliessend und rückblickend auf die zehn Thesen der Studie wurde untersucht, wie wahrscheinlich die studienteilnehmenden Banken disruptive Veränderungen erwarten. Mittelfristig werden disruptive Veränderungen mit einem Mittelwert von 17% tief eingeschätzt wird. Wenig überraschend wird die Eintrittswahrscheinlichkeit langfristig höher eingeschätzt. Hier liegt der Mittelwert bei 45%.
Allerdings: Ab wann ist eine Entwicklung nicht mehr evolutionär, sondern disruptiv? Prof. Dr. Markus Schmid, Professor am Schweizerisches Institut für Banken und Finanzen der Universität St.Gallen und Mitverfasser der Studie, fasst zusammen: «Die Schweiz ist für das Retailbanking immer noch eine Wohlfühloase mit Platz für (fast) alle. Trotz Krebsgang verfügen die Margen nach wie vor über eine komfortable Knautschzone. Die Institute sehen auch weiterhin keine tektonische Veränderung im Wettbewerbsumfeld auf sie zukommen, jedenfalls nicht in der mittleren Frist.»
Das Retailbanking wird es auch noch in zehn Jahren geben, das scheint für die teilnehmenden Banken ebenfalls festzustehen. Dennoch: Die Studienteilnehmer sind sich grundsätzlich einig, dass vieles in Bewegung ist und dass die Banken ihrerseits in Bewegung bleiben müssen, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können oder gar selbst Veränderungen voranzutreiben.
Die Gesamtstudie kann hier heruntergeladen werden: ey.com
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