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Meinungen - 21.09.2012 - 00:00 

Politische Mitte siegt in Holland

Das politische Spektrum der Niederlande hat sich am 12. September Richtung Mitte orientiert. Dennoch besteht weiterhin Euroskeptizismus. HSG-Wissenschftler Wesley van Drongelen kommentiert das Ergebnis.

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19. September 2012. 104 von 150 Sitze in der Hand der europafreundlichen Mitte – der PvdA, der VVD sowie der einst dominanten Christdemokraten (CDA) und der progressiven Liberalen (D66): Das Ergebnis der niederländischen Wahlen sorgte in Brüssel für Erleichterung. Ein «Eurokrat» meinte, dass sich die Niederlande nun endlich wieder normal benehmen würden. Und der rechtsorientierte Populist Geert Wilders bemerkte: «Wetten, dass die in Brüssel heute Abend eine Party steigen lassen!» Was dann auch geschah. Dabei besagen die Wahlresultate überhaupt nicht, dass der Euroskeptizismus in den Niederlanden auf dem absteigenden Ast wäre – weit gefehlt.

Kritischer Blick auf Europa

Es bestehen plausible Anhaltspunkte dafür, dass am 12. September viele Stimmberechtigte strategisch wählten: Als sich die im Fernsehen übertragenen Diskussionen zunehmend auf den Schlagabtausch zwischen den Parteichefs der PvdA und der VVD einspielten, bewegten sich mehr und mehr Wähler und Wählerinnen, die sich sonst eher für die radikalen Parteien rechts und links aussen auf dem politischen Spektrum ausgesprochen hätten, hin zur Mitte, um eine links- oder rechtsorientierten Regierung zu begünstigen. Damit hievten die kompromisslosen sozialistischen und rechtsstehenden Stimmberechtigten eine Regierung an die Macht, die (wenn man so will) die extreme Mitte vertritt: Jede andere Koalition als die Verbindung zwischen PvdA und VDD wäre entweder höchst unwahrscheinlich, äussert komplex oder schlicht unmöglich.

Nun ist dies zwar das Gegenteil dessen, was die radikal links- und rechtorientierten Wähler und Wählerinnen erreichen wollten; es heisst indes nicht, dass sich deren Gefühle gegenüber der EU oder dem Euro auch nur im geringsten verändert hätten. Und zu diesen Stimmberechtigten gesellen sich die für die zwei freimütigsten eurokritischen Partien abgegebenen Stimmen: die PVV von Geert Wilders und die Sozialistische Partei von Emile Roemer, die beide rund zehn Prozent der Wählerstimmen erhielten. Somit kann ein Drittel der Wählerschaft als explizit euroskeptisch bezeichnet werden – eine Triebkraft, die es ernst zu nehmen gilt.

Sand im Getriebe der Brüsseler Politik 
Dies wirft die Frage auf, was für ein Mandat die zwei Parteivorsitzenden Diederik Samsom (PvdA) und Mark Rutte (VVD) von ihren Stimmberechtigten effektiv erhalten haben. Es handelt sich dabei bestimmt nicht um eine Blankovollmacht zur weiteren Stärkung der «Tentakel von Brüssel», doch können die beiden die Rolle des Neinsagers in der europäischen Arena auch nicht übernehmen (so sie dies überhaupt wollten). Die Koalitionsverhandlungen zwischen der PvdA und der VVD werden zwar einige Zeit in Anspruch nehmen, doch bezüglich Europa werden sich Samsom und Rutte voraussichtlich rasch über fast alles einigen.

Hingegen wird es ihnen zusehends schwerfallen, unbeliebte Massnahmen bei einer Bevölkerung schmackhaft zu haben, die zwar für sie gestimmt hat, jedoch einem europafreundlichen Standpunkt völlig abhold ist. Weitere Souveränitätsübertragungen, eine stärkere politische Union, mehr Geldüberweisungen nach Griechenland, Portugal oder Spanien: Massnahmen dieser Art werden einen Erklärungsnotstand hervorrufen und von der Wählerschaft möglicherweise überhaupt nicht akzeptiert werden. Infolge dessen wird der kleine Mitgliedstaat an der Nordsee vermutlich auch weiterhin hie und da Sand ins grosse Getriebe streuen.

Regierung steht Zerreisprobe bevor
Eine PvdA-VVD-Regierung (mit oder ohne zusätzliche Koalitionspartner) wird das Leben in Brüssel sicher etwas leichter machen. Die Regierung könnte sogar eine verbindende Rolle zwischen den Standpunkten Deutschlands und Frankreichs spielen, da in einer solchen Regierung beide Positionen bis zu einem gewissen Grad vertreten sind. Im Hintergrund lauert jedoch ein ungemütlich grosser Teil des Wahlvolks, der den PvdA- und VVD-Ministern unablässig auf die Finger schaut.

Und da sie genau diesen Leuten einen beträchtlichen Anteil ihrer Wahlstimmen schulden, werden sich die Parteien auf eine Gratwanderung zwischen ihrem eigenen Parteiprogramm, dem Koalitionsvertrag, dem euroskeptischen Teil der Bevölkerung und den Forderungen, Gesuchen und Erwartungen Brüssels begeben müssen. Kabinettsminister in der Regierung des Königreichs der Niederlande werden in den nächsten paar Jahren einen schweren Stand haben…Und Brüssel sollte sich nicht zu früh freuen.

Picture: Photocase / Sandy+1974

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