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Meinungen - 13.04.2018 - 00:00 

IT: Das immer wieder neue Risiko im Finanzmarktrecht

Wie verändert Technologie den Finanzmarkt? Welche Herausforderungen birgt die Digitalisierung? Sabine Kilgus über die historischen Entwicklungen und Umbrüche seit Mitte der 1990er Jahre.

13. April 2018. Die technologische Entwicklung ermöglichte die Schaffung neuer Finanzprodukte, insbesondere Derivate und strukturierte Produkte, die heute selbstverständlich sind und je nach Einsatz risikomindernd oder allenfalls risikointensivierend sind. Sodann hat der Einsatz von Software und Outsourcing Lösungen die Back-up Prozesse der Finanzintermediäre standardisiert, beschleunigt und erleichtert. Zeitnahe und globale Zahlungs- und Abwicklungssysteme wären ohne umfassenden Einsatz von IT-Systemen gar nicht möglich geworden. Geradezu revolutionär haben sich die Börsen und andere Handelsplattformen entwickelt. Der Floorhandel ist weltweit zugunsten von elektronischen Handelsplattformen aufgegeben worden. Neben klassischen Börsen haben sich verschiedene «over-the-counter» Handelsplattformen entwickelt. Schliesslich sind die gestiegenen Anforderungen an die «know your customer» Abklärungen, wie sie im Rahmen der Geldwäschereibekämpfung, aber auch für die richtige Kundenbetreuung unter MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) verlangt werden, ohne IT-unterstützte Recherchen und ohne durch Algorithmen gespiesene Datenbanken gar nicht mehr möglich.

Vernetzung und Beschleunigung

Diese Entwicklungen wirkten beschleunigend und innovativ. Neue Produkte, Börsengeschäfte und andere Transaktionen können schneller und in grösseren Volumina abgewickelt werden. Gleichzeitig wird auch die Vernetzung der Finanzintermediäre und der Märkte offensichtlicher, was dazu führt, das «Bank Runs» oder wie im 2008 Liquiditätskrisen sich schneller und weltweit verbreiten. Das stellt die Bemühungen um die Systemstabilität vor neue Herausforderungen.

Neues Fintech-Umfeld

Banken und andere Finanzintermediäre sind aber auch unternehmensintern von der Technologieentwicklung betroffen. De facto entwickeln sie sich immer mehr zu Software-Häusern. Sie sind gezwungen, die entsprechende Software entweder selber zu entwickeln oder von Drittanbietern zu erwerben. Diese Drittanbieter von Software und IT-Systemen haben sich als neue Player im Markt etabliert. Sie entwickeln Börsensysteme, aber auch Abwicklungssysteme und generell IT-unterstützte Back- und Midoffice-Funktionen. Das sind zum einen Gemeinschaftswerke von Banken, aber auch neue Unternehmen und Plattformen, die nichts mit den klassischen Finanzintermediären gemein haben. Da auch diese Unternehmen viel Expertise benötigen, zeichnet sich bereits eine Marktkonzentration, wenn nicht Marktmacht ab, da eine Vielzahl von Banken letztlich die gleichen oder ähnliche IT-Systeme der gleichen Anbieter verwenden. Gleichzeitig bewirkt diese Entwicklung eine weitere Zunahme der Marktkonzentration im Bankenmarkt, da sich bei der Implementierung von IT Skalenvorteile zeigen. Unklar bleibt, ob und inwieweit diese zusammenfassend als Fintech-Unternehmen bezeichneten Marktteilnehmer selber einer Regulierung bedürfen. Seit 2015 ist das FinfraG in Kraft getreten, das Börsen und Handelsplattformen regelt und das Rundschreiben der Finanzmarktaufsicht betreffend Outsourcing wurde an die Moderne angepasst. Umgekehrt hat sich der Gesetzgeber und die Aufsicht bewusst Zurückhaltung auferlegt, wenn es um die Regulierung von Crowdfunding und neuerdings von «Initial Coin Offerings» geht.

Chancen wahrnehmen und Risiken steuern

Die herangewachsene Informationstechnologie hat neue Geschäftsfelder, Betriebsabläufe und Handelstechniken ermöglicht. Durch IT ist es im Rahmen von Fintech kleineren nichtregulierten Finanzmarkt-Teilnehmern heute möglich, sich ohne Bewilligungsanforderungen auf dem Kapitalmarkt zu betätigen (z.B. Crowdfunding-Plattformen). Das Bankgeschäft ist durch die Digitalisierung im Client Relationship Management über kundenfreundlichen Benutzeroberflächen für digitale Handheld-Geräte heute dem Kunden näher. Schliesslich wirkt die Informationstechnologie im Rahmen der Regulatory Compliance, auch Regtech genannt, in Wahrnehmung einer sonst unerfüllbaren Aufgabe. Diese ist heute praktisch ganzheitlich IT-basiert, sodass die Entwicklungen der Regulierung in einem gewissen Grad automatisiert implementiert werden können und die effizienzgetragene Unkostenbewältigung der Überregulierung entgegenwirkt. Das Bankmanagement und der Verwaltungsrat stehen vor der grossen Herausforderung, die im Finanzsektor auftretenden Risiken zu managen und gleichzeitig zu verstehen, mit welchen Methoden und welcher Technik die identifizierten Risiken auch wirklich gesteuert werden können. Wohin die Entwicklung geht, ist letztlich offen.


Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des 2015 erschienenen Beitrags. Er wurde zuerst im Sammelband «Recht im digitalen Zeitalter, Festgabe Schweizerischer Juristentag 2015 in St.Gallen, Zürich» veröffentlicht.

Prof. Dr. Sabine Kilgus ist Titularprofessorin für Privat- und Wirtschaftsrecht, insbesondere Finanzmarktrecht, an der Law School der Universität St.Gallen.

Bild: Photocase / Nuchylee

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