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Forschung - 27.02.2025 - 11:31 

HSG-Studie zu Schusswaffentötungen zeigt oft unklare Herkunft der Waffen auf

Bei Tötungsdelikten in Partnerschaften sind Schusswaffen in der Schweiz das häufigste Tatmittel. Die HSG-Strafrechtsprofessorin Nora Markwalder hat nun im Auftrag des Bundes eine Untersuchung dazu vorgelegt. Diese zeigt: Oftmals fehlen genaue Angaben, woher die Tatwaffen stammen.

Über die Hälfte aller Tötungsdelikte in der Schweiz geschehen in familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen. Die Opfer dieser häuslichen Gewalttaten sind zu über 70 Prozent Frauen und in rund einem Drittel der Fälle ist eine Pistole oder ein Gewehr die Tatwaffe. Diese Erkenntnisse stammen aus dem Swiss Homicide Monitor, einer Erhebung aller vorsätzlichen Tötungsdelikte in der Schweiz seit 1990.

2023 gab das Eidgenössische Büro für Gleichstellung (EBG) eine Vertiefungsstudie zu Schusswaffentötungen im häuslichen Bereich in Auftrag. Die Studie betrachtet Fälle aus den Jahren 2015 bis 2022 und soll unter anderem mögliche Punkte aufzeigen, an denen die Prävention ansetzen kann. Die HSG-Strafrechtsprofessorin Nora Markwalder hat diese Studie durchgeführt und gibt im Interview Auskunft dazu. 

 

Nora Markwalder, was sind aus Ihrer Sicht zentrale Erkenntnisse der Studie?

Weil wir erstmals die Daten mit Fokus auf Schusswaffen analysiert haben, zeigte sich ein bisher wenig beachtetes Muster. Schusswaffentötungen in Partnerschaften geschehen am häufigsten unter älteren Personen. Das sind oft Fälle, in denen Männer nach einer langjährigen Partnerschaft ihre Frauen töten, weil diese an einer schweren Krankheit leiden. Hier stehen Motive wie Mitleid und Überforderung im Vordergrund. In 61 Prozent der Schusswaffentötungen im häuslichen Bereich begehen die Täter danach Suizid. Zentral ist auch die Einsicht, dass bei rund 50 Prozent der häuslichen Tötungsdelikte mit Schusswaffen Informationen dazu fehlen, ob die Tatwaffe legal erworben wurde. 

Woran liegt das?

Bei Fällen, in denen sich der Täter im Anschluss selbst tötet, verfolgen die Behörden keine weiteren Untersuchungen. Das heisst, diese Fälle werden abgeschlossen, ohne dass Nachforschungen zur Herkunft und Legalität der Waffe angestellt werden. Das ist grundsätzlich ein korrektes Vorgehen. Dennoch wäre es wünschenswert, dass die Strafverfolgungsbehörden zukünftig genauere Informationen zu den Waffen einholen. 

Welche weiteren Muster zeigten sich bei der Auswertung der Daten?

Häusliche Schusswaffentötungen werden überproportional häufig von älteren Schweizer Männern begangen. Ein Grund dafür kann sein, dass früher mehr Männer Militärdienst leisteten, nach dessen Ende sie die Dienstwaffe erwerben konnten. Diese Möglichkeit wurde früher auch deutlich häufiger genutzt als heute, wie wir aus Erhebungen wissen. Aber wie erwähnt ist aufgrund fehlender Angaben zur Waffenherkunft unklar, wie häufig Militärwaffen genutzt werden. Berücksichtigt man nur die Fälle, in denen Angaben vorhanden sind, so waren bei 83 Prozent Militärwaffen resp. Dienstwaffen involviert.

Tötungsdelikte mit Schusswaffen im ausserhäuslichen Bereich sind laut der Studie seit 30 Jahren stark gesunken, im häuslichen Bereich jedoch nur leicht. Woran liegt das?

In der Schweiz und auch in vielen anderen Staaten ist in dieser Zeit ein allgemeiner Rückgang der Kriminalität beobachtbar – und ausserhäusliche Schusswaffentötungen werden meist im kriminellen Millieu begangen, wobei die Opfer zum grossen Teil männlich sind. Parallel dazu sind die häuslichen Schusswaffentötungen mit meist weiblichen Opfern seit 1990 tatsächlich nur leicht gesunken. Das zeigt unter anderem, dass staatliche Prävention im privaten Umfeld schwierig ist.  

Ein Auftrag der Studie war es auch, Empfehlungen für die Prävention zu skizzieren. Wie sehen diese aus?

Es bedarf einer vertieften Analyse der Fälle mit älteren Schweizer Tätern, um Dynamiken und Risikofaktoren genauer zu eruieren, die eine Tatbegehung begünstigen. Dies auch in Anbetracht der Tatsache, dass in diesen Fällen oftmals keine «klassischen» Warnsignale wie Konflikte in der Beziehung oder psychische Belastungen aus den Akten ersichtlich waren. Präventionsbemühungen sind verstärkt auf ältere Personen zu richten, wobei Akteure wie Altersheime, Spitäler, Spitex oder Angehörige sensibilisiert werden sollten. Weiter ist bei Fällen mit Warnsignalen eine Einziehung der Schusswaffe durch die Behörden zu prüfen. Und wie erwähnt ist eine genauere Datenerhebung zu Tatwaffen empfehlenswert. Bessere Daten erlauben eine genauere Analyse von Risikofaktoren, woraus wiederum Präventionsmassnahmen abgeleitet werden. 

 

Die komplette Studie steht auf der Webseite des EBG zum Download bereit.
 

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