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Forschung - 06.01.2025 - 08:00 

Hoffnungsbarometer 2025: Was gibt Menschen in der Schweiz Zuversicht?

Das Hoffnungsbarometer wird in der Schweiz seit 2009 jährlich im November für das kommende Jahr in einer breit angelegten Internet-Umfrage zusammen mit dem Medium «20 Minuten» durchgeführt. In Kooperation mit Universitäten in 20 Ländern werden dieses Jahr zudem die Zukunftsperspektiven von rund 10’000 Menschen in verschiedenen Weltregionen erhoben. HSG-Forscher Dr. Andreas M. Krafft hat zu Jahresbeginn die ersten Ergebnisse zusammengetragen. Fazit: Menschen in ärmeren und konfliktgeladenen Regionen blicken hoffnungsvoller in die Zukunft als Menschen in reicheren Ländern.
Hoffnungsbarometer 2025: Was gibt Menschen in der Schweiz Zuversicht?

Können Menschen in Zeiten gesellschaftlicher, ökologischer und politischer Krisen überhaupt noch hoffen? Hoffnung ist erst dort wirklich relevant, wo Sorgen, Leid und Not vorhanden sind. Gerade wenn es Menschen nicht gut geht oder wenn sie Sorgen um die Zukunft haben, erkennen sie den existenziellen Wert der Hoffnung und dass es ohne sie gar nicht geht. «Die Hoffnung ist es, die uns Menschen erst zum Handeln bewegt, denn ohne sie würden wir resignieren», sagt Dr. Andreas M. Krafft, Autor und Studienleiter des Hoffnungsbarometers. Hoffnung ist das menschliche Phänomen gegen Verzweiflung und Gleichgültigkeit, gegen Mutlosigkeit und Desinteresse. An der HSG lehrt er Positive Psychologie und erforscht, wie sich Hoffnung und Zuversicht auf das Leben von Menschen auswirken. In seinem Kurs «Positive Futures – Die Hoffnungswerkstatt» befähigt er Studierende, für sich und andere eine «wünschenswerte Zukunft» zu erschaffen. Gern diskutiert er mit Studierenden an der HSG auch über «Psychologie des gelingenden Lebens» und die «Psychologie des Zukunftsdenkens».

Aktuelle Umfrage: Wie sehen die Menschen die Welt im Jahr 2044?

Für die Neuauflage der Studie «Hoffnungsbarometer 2025» wurden rund 4’300 Menschen in der Schweiz sowie 5’500 weitere Personen weltweit befragt. Erneut geht die Studie der Frage nach, wie Menschen in der Schweiz und in anderen Weltregionen über die Zukunft und ihr Land in 20 Jahren denken. Welche Befürchtungen und Wünsche haben sie? Wie wird sich die Lebensqualität in ihren Ländern entwickeln? Welche Zukunftsbilder werden als wahrscheinlich gesehen, und welche Zukunftsentwürfe werden für ein gutes Leben als wünschenswert gehalten? Es zeigt sich, dass Menschen in wohlhabenderen Ländern von einer krisenhaften Zukunft ausgehen, während ärmere und krisengeschüttelte Länder den Glauben an eine bessere Zukunft bewahren. Der Zukunftspessimismus, der sich vor allem in den reichen Ländern Europas zeigt, ist eine Folge der steigenden Unsicherheit. Die Lage der Welt wird von vielen Menschen, die bisher Sicherheit und Ordnung gewöhnt waren, als schwierig, ungewiss und ausser Kontrolle betrachtet. Was den Studienleiter überrascht, ist der starke Wunsch und der Wille nach Frieden, Nachhaltigkeit und Fortschritt in einer Zeit voller Krisen und Konflikte.

Ergebnisse der Umfrage

Gemäss der aktuellen Umfrage sind die meisten Menschen in der Schweiz mit ihrem Leben grundsätzlich zufrieden und schauen auch optimistisch in die Zukunft. Persönliche Zufriedenheit und Zuversicht werden allerdings von einem allgemeinen Unbehagen bezüglich der gesellschaftlichen und globalen Ereignisse und Entwicklungen gedämpft. Neu hat das internationale Forschungsnetzwerk auch Menschen in Krisenregionen wie in Palästina, Israel und Jordanien befragt. Dabei zeigte sich, dass der Zukunftspessimismus in reicheren Ländern viel stärker ausgeprägt ist als in ärmeren Weltregionen.

Zentrale Befunde der Studie sind

  • Wenig Vertrauen in Wandel, aber Bereitschaft zu Veränderung: Die persönliche Unzufriedenheit hängt oft mit Skepsis gegenüber Politik, Wirtschaft und globalen Entwicklungen zusammen. Viele wären bereit, für Klimaschutz aktiv zu werden, wenn auch Politik und Wirtschaft noch mehr dafür tun würden.
  • Regionale Unterschiede bei Zukunftserwartungen: In wohlhabenden Ländern erwarten viele Menschen eine Verschlechterung der Lebensqualität, während Menschen in ärmeren Ländern auf Verbesserungen hoffen.
  • Wirtschaftlicher Fortschritt allein reicht nicht: Wirtschaft und Technologie lösen soziale und ökologische Probleme nicht allein – Wohlstand bleibt dennoch wichtig, besonders in ärmeren Ländern.
  • Skepsis gegenüber Technologie und KI: Viele zweifeln, ob Technologien und KI die Klimakrise oder soziale Probleme verbessern können, und stehen diesen eher kritisch gegenüber. Einige sehen in KI eine Chance, Fähigkeiten zu verbessern, aber die Mehrheit steht ihr skeptisch oder ablehnend gegenüber. Damit Technologie Hoffnung weckt, muss sie einen Beitrag zu persönlichen und gesellschaftlichen Zielen leisten.
  • Nachhaltigkeit und Harmonie als Ziele: Die meisten Menschen wünschen sich eine Zukunft mit Nachhaltigkeit, Zusammenhalt und Frieden ohne Verlust von Wohlstand. Die Hauptquellen der Hoffnung sind Gesundheit, Familie, Beziehungen und ein sinnerfülltes Leben.

Der Hoffnungsbarometer stellt diese Thesen zur Diskussion:

  • Zuversicht trotz Sorgen: Die meisten Menschen in der Schweiz sind mit ihrem Leben zufrieden, blicken aber besorgt auf globale und gesellschaftliche Entwicklungen. Aufgrund ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten könnten sich mehr Menschen in der Schweiz für die Bewältigung ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen sowohl beruflich als auch ehrenamtlich engagieren.
  • Mehr Vertrauen in Lösungen nötig: Es mangelt an Vertrauen, dass Politik und Wirtschaft soziale und ökologische Probleme lösen können. Individuelle Zuversicht kann als Grundlage für kollektive Zuversicht dienen, wenn gemeinsam an neuen Lösungen gearbeitet wird.
  • Wunsch nach Nachhaltigkeit und Gemeinschaftsgefühl: Die Menschen streben nach mehr Nachhaltigkeit, sozialem Zusammenhalt und Frieden. Fortschritt ohne Rücksicht auf Umwelt und soziale Werte lehnen die meisten Befragten ab.
  • Technologie als Chance und Risiko: Technologische Fortschritte bieten Hoffnung, wecken aber auch Ängste – sie sollten stärker an den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen ausgerichtet werden.

Über das Hoffnungsbarometer Schweiz 2025

Das Hoffnungsbarometer wird seit 2009 jährlich für das kommende Jahr in einer Online-Umfrage mit Unterstützung der Tageszeitung 20 Minuten erhoben. Der aktuelle Bericht stellt die Ergebnisse der Umfrage im November und Dezember 2024 vor. Befragt wurde die Öffentlichkeit über ihre Zukunftserwartungen in verschiedenen Bereichen, über langfristige gesellschaftliche Zukunftsszenarien, über ihre persönlichen Hoffnungen, über die Quellen von Hoffnung sowie über ihre Haltung gegenüber dem Klimawandel und der Künstlichen Intelligenz (KI).

Ergänzend zu den Daten aus der Schweiz wird die Umfrage in Zusammenarbeit mit Universitäten auch in Australien, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Rumänien, Griechenland, Frankreich, Indien, Israel, Italien, Nigeria, Polen, Portugal, Spanien, Südafrika, Libanon, Ägypten, Palästina und Japan durchgeführt. Das internationale Forschungsnetzwerk des Hoffnungsbarometers besteht aus mehr als 20 Wissenschafter:innen, die gemeinsam Daten erheben und analysieren. Studienleiter Dr. Andreas M. Krafft ist Research Associate for Future Studies am Institut für Systemisches Management und Public Governance der Universität St.Gallen sowie Co-Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung swissfuture.

Mehr zum Thema Hoffnungsforschung und Positive Psychologie finden Sie auch im Spiegel-Podcast «Smarter Leben» mit Dr. Andreas M. Krafft sowie in der vom SRF produzierten Sendung «Hoffnungbringer». Die Studienergebnisse wurden auch vom Projektpartner 20 Minuten veröffentlicht.

Bild: Adobe Stock / Kittiphan

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