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Meinungen - 15.02.2022 - 00:00 

Handelspolitik und Kriegsabschreckung: Der Fall der Ukraine

Welche wirtschaftliche und handelspolitische Unterstützung durch den Westen hat die Ukraine seit der russischen Invasion der Krim im Jahr 2014 erhalten? Und welche Folgen hat die Form der Unterstützung für das Land? Das hat Simon Evenett, Professor für internationalen Handel und Wirtschaftsentwicklung an der Universität St.Gallen (HSG), untersucht.

15. Februar 2022. Mögliche militärische Massnahmen – einschliesslich Massnahmen zur Stärkung der ukrainischen Selbstverteidigungsfähigkeit – könnten in den kommenden Tagen kurzfristig entscheidend sein. Derweil hängt die mittel- und langfristige Fähigkeit des Landes, seine Streitkräfte zu finanzieren und zu stärken, zumindest zum Teil von seinem Zugang zu ausländischen Märkten ab.

Simon Evenett zeigt in seiner Untersuchung auf, dass die westliche Handelspolitik die Ukraine seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 nicht wirksam genug unterstützt hat. Er hat dabei unter anderem ein besonderes Augenmerk daraufgelegt, ob die handelspolitischen Massnahmen mit den umfassenderen diplomatischen Zielen des Westens, die Ukraine zu stützen und einen Krieg zu verhindern, in Einklang stehen.

Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse von Simon Evenett sind:

  • Ohne gut ausgerüstete Streitkräfte ist es unwahrscheinlicher, dass die ausländischen Gegner eines Landes von militärischen Aktionen abgeschreckt werden. Eine Steuerbasis, die es ermöglicht, wirksame nationale Verteidigungskräfte zu finanzieren, ist von entscheidender Bedeutung. Und Exporteinnahmen, die zu Wirtschaftswachstum führen, sind sehr hilfreich. Ein verbesserter und sicherer Zugang zu den Märkten der Verbündeten ist besonders wichtig, wenn Exportverkäufe auf anderen Märkten sowie Produktionsanlagen aufgrund früherer feindlicher Handlungen von Nachbarstaaten verloren gehen.
  • Obwohl der Westen der Ukraine nach der Invasion der Krim wirtschaftliche Unterstützung versprochen hatte, unternahm nur die EU grössere Schritte, um die ukrainischen Exporte und den ukrainischen Lebensstandard durch die Öffnung der EU-Märkte für ukrainische Produkte zu steigern. Aber selbst diese Hilfe bzw. Öffnungen reichten nicht aus, um den ukrainischen Exporten aus der Stagnation während der vergangenen zehn Jahren zu helfen.
  • Die Politik der USA, insbesondere unter Präsident Donald Trump (2017-21), machte den ukrainischen Exporteuren das Leben sehr viel schwerer. Derweil ist die Behandlung der ukrainischen Exporte durch Grossbritannien etwas besser als im weltweiten Durchschnitt, aber nicht mehr. Kurz gesagt: Die USA und Grossbritannien haben ihre militärische Unterstützung für die Ukraine nicht durch eine nachhaltige wirtschaftliche Unterstützung ergänzt.
  • Hätte die Ukraine seit der Invasion der Krim wirklich nachhaltige wirtschaftliche Unterstützung vom Westen erhalten, wäre sie in einer besseren Position sich zu verteidigen als sie es heute tatsächlich ist. Der Westen hat die Risiken 2014 erkannt und Hilfe zugesagt, aber nur mangelhaft in die Tat umgesetzt.

Prof. Simon Evenett, Ph.D., steht für weitere Fragen (in Englisch) zur Untersuchung gerne zur Verfügung: simon.evenett(at)unisg.ch

Der Download des Dokuments zur Untersuchung (in Englisch) ist unter folgendem Link möglich.

Bild: Unsplash / Max Kukurudziak

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